In Garmisch-Partenkirchen wurden schon viele Rekorde aufgestellt und Helden gekürt, 1936 wurde hier Sportgeschichte geschrieben, die vierten olympischen Winterspiele waren ein wahres Spektakel. Einen großen Teil dazu beigetragen hat die Skisprungschanze am Gudiberg. Das heutige Olympia Skistadion an der Schanzenanlage wurde eigentlich für die Olympischen Winterspiele 1940 erbaut, die ebenfalls in Garmisch-Partenkirchen hätten stattfinden sollten. Heute dient es dem GaPa Trail als Event-Arena. Ich bin ganz fasziniert von den in Stein gehauenen Olympischen Ringen und den pompösen Skulpturen aus Stein und Marmor an allen Eingängen des Stadions. Ein Hauch von Olympia liegt in der Luft.
Ich bin frühzeitig vor Ort, so bleibt mir noch etwas Zeit um mich umzuschauen. Vor uns thront die Große Olympiaschanze, die natürlich nichts mehr mit der Schanze der Olympischen Spiele gemein hat, im Lauf ihrer Geschichte wurde sie bereits mehrmals umgebaut, zuletzt 2007. Dabei hat die neue Schanze den stilistisch kühneren, frei herausragenden modernen Anlaufturm erhalten. Ich unternehme einen kurzen Ausflug hinauf, fast bis auf Höhe des Schanzentischs, von wo der richtige Flug der tollkühnen Helden beginnt und kann den Mut der Sportler, die den Sprung in die Tiefe wagen, noch viel weniger nachvollziehen. Der aktuelle Schanzenrekordhalter ist der Schweizer Simon Ammann, der 2010 143,5 Meter sprang. Weltweit verfolgen jährlich über 100 Millionen Zuschauer das Skispringen am Neujahrstag.
Nach der Premiere im Vorjahr geht der GaPa Trail in seine zweite Runde. Wir müssen glücklicherweise nicht herunterspringen, um zum Helden gekürt zu werden, für uns geht es neben den Schanzen in die entgegengesetzte Richtung, den Berg hoch. Drei Streckenlängen werden angeboten und können jeweils im Trailrunning oder auch im Wandern absolviert werden. Gerne gesehen sind auch Vierbeiner, natürlich nur im Tandem und an der Leine: Mensch und Hund. Für sie gibt es auch eine eigene Wertung. Die Wanderer gehen bereits ab 8.30 Uhr ohne Zeitnahme auf die Strecken. Läuferinnen und Läufer müssen erst ab 11 Uhr an der Startlinie stehen.
Drei Streckenlängen werden angeboten. Die Langstrecke mit fast 26 km Länge weißt über 1000 Höhenmeter auf. Auf der Mittelstrecke sind etwa 18,5 km und 800 Hm zu meistern und die Kurzstrecke für Einsteiger ist etwa 10 km lang und mit 350 Hm versehen. Zielschluss für alle Teilnehmer ist um 17.30 Uhr. Das sind für die Langstrecke bei den Trailrunnerinnen und Trailrunnern sechseinhalb Stunden, das ist recht familienfreundlich, würde ich sagen.
Den laufenden Auftakt macht aber erst einmal um 10 Uhr der Nachwuchs. Für sie gibt es im Olympia-Skistadion einen Parcours mit einigen Hindernissen. Erst die Kinder bis 12 Jahre, sie laufen zwei Runden. Der Lucki läuft vor und die Kids folgen ihm. Bei den Kindern bis 8 Jahren macht Marie die Vorläuferin. Zeitmessung gibt es für sie nicht. Gewinner sind alle, die mitmachen.
Anschließend gibt es noch für alle ein Warm-Up mit Musik vom DJ und schönen Übungen um unsere Muskulatur aufzuwärmen. So vergeht die Zeit recht schnell und wir dürfen Aufstellung nehmen zum Start der Langstrecke um 11 Uhr. Glücklicherweise gibt es heute kein Bekleidungsproblem, nach dem heftigen Wintereinbruch ist gerade noch rechtzeitig der Frühling zurückgekehrt. Mit 18 Grad unter blauem Himmel braucht man heute keine Wärmebekleidung mehr, auch wenn Weiß die dominierende Farbe auf den Berggipfeln ist - allzu weit gehen die Strecken aber nicht rauf. Am Eingang des Olympiastadions steigt Rauch auf und wenig später erfolgt unser Start.
Über den großen Parkplatz vor dem Stadion erreichen wir nach 300 Metern das Kainzenbad, wo es am Freibecken des Naturfreibades entlang geht. Wer beim Warm-Up nicht mitgemacht hat, kann die ersten etwa 1000 flachen Meter zum Aufwärmen hernehmen. Schon beginnt der Anstieg. Überwiegend in der Sonne auf komfortablen Wegen erreichen wir Wamberg auf dem gleichnamigen Bergrücken in knapp 1000 Meter Höhe. Die Ortschaft besteht nur aus neun Höfen aus dem 18. und 19. Jahrhundert und der Kirche St. Anna, so sind wir schnell durch.
Nach einer Spitzkehre im Ort wird es gleich wieder etwas steiler. Etwa ab einer Höhe von 1150 Meter tangieren wir erste Schneefelder, in bewaldeten und schattigen Abschnitten sind mitunter auch schon die ersten vereisten Abschnitte zu überwinden. Mit Stöcken bewegt man sich hier doch bedeutend leichter und sicherer. Nach 4,3 km erreiche ich die Streckentrennung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Mittelstrecke, die 45 Minuten nach der Langstrecke starten, werden hier nach rechts geleitet.
Für uns geht es noch weiter aufwärts und die Bedingungen durch die Waldstücke werden schwieriger. Auf dem Weg gibt es jetzt viel Schnee, der auch mit eisigen Abschnitten garniert ist. Da heißt es auf der Hut sein. In schattigen Abschnitten liegt der Schnee noch bestimmt 20 – 30 cm hoch. Fahrzeuge haben Spuren in den Schnee gezogen, in denen wir uns bewegen können.
Den höchsten Punkt des Kurses erreichen wir nach 6 km auf 1300 m Höhe auf dem Wamberg. Knapp 600 bewältige Höhenmeter können wir hier abhaken. An waldfreien Segmenten bekommen wir herrliche Blicke auf die schneebedeckten Gipfel des Wettersteinmassivs geboten.
Ein etwa 800 Meter langer Begegnungsabschnitt führt uns zu unserer ersten Verpflegungsstelle an der Ellmauer Alm bei km 8. Auf dem Weg dorthin herrscht reichlich Gegenverkehr. Genussstationen nennen sich die VPs. Regionale Fleisch- und Wurstwaren und Produkte aus dem Werdenfelser Land werden angeboten. Die Miniaturausführung einer original bayerischen Leberkässemmel lasse ich mir gerne munden. Als isotonische Erfrischung wird dazu u.a. alkoholfreies Weißbier ausgeschenkt. Cola, Iso und Wasser gibt es natürlich auch.
Leicht aufwärts führt die Begegnungsschleife anfangs wieder zurück an den Ausgangspunkt. Eine kleine Truppe sorgt dort durchgehend mit La-Ola-Wellen für gute Stimmung. Wellig geht es weiter, der Schnee liegt auf der Schotterstraße jetzt hinter uns und sorgt für sehr schöne Abschnitte um zügig zu laufen. Aber natürlich garniert mit kleineren Anstiegen und in sonnigen Abschnitten auch mit nassen und matschigen Stellen.
An der Genussstation Eckbauerbahn lädt uns der TSV Partenkirchen nach 12,8 km zu einer kleinen Pause ein. Die Stimmung ist hier großartig, ein DJ sorgt für musikalische Motivation. Kulinarische Highlights werden uns wieder mit bayerischen Spezialitäten geboten, dazu ein grandioser Blick auf Alp- und Zugspitze und die Waxensteiner.
Danach geht’s owie. Jetzt kommen die Trailrunnerinnen und Trailrunner auf ihre Kosten. Vor uns liegen 1,5 km Single Trail. Das gefällt mir natürlich besonders gut. In Serpentinen schlängeln wir uns nach unten, das Gefälle hat für meinen Geschmack genau die richtige Neigung, um schön runter zu cruisen. Etwas gedämpft wird meine Euphorie aber von einer Vorläuferin. In ihrem Rucksack sorgt wohl ein Smartphone für Dauerbeschallung. Ich benötige die aufdringliche laute Musik hier im Wald nicht und bin froh, dass ich mich bald nach vorne absetzen kann.
Für Abwechslung sorgt ein Kilometer im Freien auf Asphalt, aber es geht weiterhin abwärts. Nach Graseck verschwinden wir wieder im Wald und es wird wieder trailig, aber deutlich rustikaler. An der Eisernen Brücke liegen 370 Hm Abstieg herunter vom Eckbauer hinter uns, sie liegt 68 Meter über dem Wasserspiegel der Partnachklamm. Erst im Oktober vergangen Jahres ist sie erneuert worden, nachdem bei einem Sturm 2022 ein Baum genau auf das Geländer der mehr als 100 Jahre alten historischen Brücke gestürzt ist. Die neue Brücke ist der alten jedoch nachempfunden, ca. sechs Tonnen schwer und fast 18 Meter lang. Sie musste per Heli in Einzelteilen in die Klamm geflogen werden.
Momentan sind keine Besucher unter uns im Klammsteig auszumachen, durch den Wintereinbruch hat sich die Eröffnung verzögert. Über 200.000 Besucher wandern jährlich durch die 700 m lange Partnachklamm. Sie ist eine der faszinierendsten Naturschönheiten in den bayerischen Alpen. Die Schlucht zeichnet sich durch ihre steilen Felswände aus, die an einigen Stellen über 80 Meter hoch aufragen. Das tosende Wasser, das durch die enge Schlucht rauscht, verleiht der Landschaft eine besondere Dramatik.
Über die Hohe Brücke (km 15,7) geht es über die Klamm hinweg und auf der anderen Seite wieder bergauf. Die Partnachalm ist unser nächstes Ziel, die wir einen Kilometer später erreichen. Gleich vier Ordner sind hier postiert und leiten uns auf einem sonnigen Höhenweg nach rechts. Der geteerte Wirtschaftsweg führt Richtung Wildenau, den wir aber bald wieder nach links verlassen. Wir dürfen wieder ins Gelände, wechselweise auf schmalen Pfaden und Wegen geht es zur Kochelbergalm, die wir nach knapp 19 km erreichen. Hier haben sich gerade viele Wegbegleiter eingefunden, um neue Energie zu tanken.
Ein Großteil der Höhenmeter sind zwar bewältigt, aber noch hat die Strecke einige Überraschungen für uns parat. Es geht erneut leicht bergauf und später auf welligem Terrain weiter, davon viele Abschnitte auf schmalen Trails im Wald. Schon seit geraumer Zeit kann ich akustisch immer wieder Jubelarien vernehmen. Als weitere Überraschung taucht mittendrin in den Wiesen plötzlich eine große Menschengruppe auf. Die Nomads haben einen Cheering Spot errichtet und pushen jeden nochmal voran.
Nach 22 km erreichen wir den türkisblau schimmernden Rießersee. Wir dürfen ihn im Uhrzeigersinn zu dreiviertel umrunden. Auch hier wurde 1936 olympische Geschichte geschrieben. Auf dem See wurden Eisschnelllauf-Wettkämpfe ausgetragen und Eishockey gespielt. Bis in die 90er Jahre wurden auf dem See auch regelmäßig Eisspeedwayrennen gefahren. Winterliche Temperaturen und zugefrorenen Gewässer waren seinerzeit noch ganz normal. Bekannt wurde der See aber vor allem durch die legendäre Olympia-Bobbahn.
Oben im Schatten des Waldes beginnt sie, die einst gefährlichste Bobbahn der Welt. Mit bis zu 120 Kilometern pro Stunde rasten mutige Piloten die kurvenreiche Bahn entlang ins Tal. Sie war die erste Bobbahn der Welt, bei der die wichtigsten Kurven mit Eisquadern ausgekleidet waren. Sogenannte „Kurvenmaurer“ mauerten für jedes Rennen mit jeweils 15.000 Eisquadern die Bahn in einem Monat rennfertig. Erstmals im Winter 1910 wurde die Bahn in Betrieb genommen und bis 1966 dort regelmäßig Bayerische und Deutsche Meisterschaften sowie Europa- und Weltmeisterschaften ausgetragen. Seit 1973 ist die denkmalgeschützte Rennstrecke ein beliebtes Ausflugsziel.
Die letzte Genussstation wartet nach Umrundung vor den Hotelanlagen auf uns. Mit fast 20 Grad brennt die Sonne mittlerweile vom Himmel, Zeit für weitere Flüssigkeitsaufnahme. Ich will mich nicht mehr länger aufhalten, weiß gar nicht genau, was alles angeboten wird. Aber zwei Becher Cola gönne ich mir auf die Schnelle für die lange Zielgerade, die noch auf uns wartet.
Mit einer traumhaften Aussicht auf Garmisch-Partenkirchen ist unser letzter Abstieg gespickt. 70 Höhenmeter führen uns vom etwas höher gelegenen Rießersee, serpentinenförmig hinunter ins Tal. Von hier geht es praktisch nur mehr geradeaus über 3 km, meist an der Bahnlinie entlang, Richtung Ziel im Olympia-Skistadion.
In etwa 1,5 km Entfernung können wir die gewagte Konstruktion der Skisprungschanze bereits ins Visier nehmen. Einen großartigen Rahmen bilden die beiden Türme mit den olympischen Ringen am Eingang des Stadions. Kommt mir fast vor wie der Einlauf durch ein Marathontor. Noch ein paar Meter in den Innenraum und es ist geschafft. Ein Lebkuchenherz wird jedem als Finisher-Auszeichnung überreicht.
Fast 1.100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in allen Klassen, dazu noch 210 Kinder, haben den 2. GaPa Trail zu einem tollen Fest für alle Natur-Begeisterten werden lassen. Im traumhaften Ambiente der Bayerischen Berge und den historischen Olympia-Anlagen von Garmisch-Partenkirchen wird für jeden was geboten. Die drei Streckenlängen mit dem großzügigen Zeitlimit ermöglichen ein Abenteuer für jedermann, vom entspannten Wanderer bis zum erfahrenen Trailrunner. Und auch die Vierbeiner kommen auf ihre Kosten.
Der Termin für 2025 steht bereits, aber man sollte sich frühzeitig entscheiden und anmelden, heuer waren alle Läufe bereits Wochen vorher ausgebucht. Mich wundert’s nach diesem herrlichen Tag nicht mehr.