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10.08.13 - Glacier 3000 Run

Atem(be)raubend

Das Profil des Glacier 3000 Runs flösst einem schon erheblich Respekt ein. Die Startliste änderte daran auch nichts: 347 Männer, 98 Frauen und 53 Staffel-Teams erreichten das Ziel auf 2950 m.ü.M..

Auf einer Länge von 26 km gilt es von Gstaad auf 1050 m.ü.M. rund 2015 Höhenmeter aufwärts und 115 Höhenmeter abwärts zu bewältigen. Der Weg verläuft via Gsteig und Reusch zunächst noch relativ flach bis zur Wechselzone der Staffel-Teams bei 15.5 km. Dort liegt zwar bereits über die Hälfte der Distanz hinter den Läuferinnen und Läufern, aber es ist allen Teilnehmern bewusst, dass es ab Reusch erst richtig los geht. Auf den letzten 10 km sind ca. 1700 Höhenmeter zurückzulegen. Ich hatte enormen Respekt vor dem Lauf.

Am Start wurde mir zunächst mal etwas mulmig. Es schien mir, als ob ich die einzige Person bin, die keine besondere Ausrüstung (an Kleidern, Assecoires, Rucksack, etc.) trug. Ich hatte das seltsame Gefühl, die einzige Hobby-Läuferin zu sein. Alle anderen schienen mir viel trainierter zu sein. Auf der Strecke stellte sich dann – einmal mehr – heraus, dass die Ausrüstung nicht unbedingt Rückschlüsse auf die Leistung zulässt.

Wir starten in Gstaad. Vor lauter Nervosität (und vielleicht auch etwas Müdigkeit) nehme ich weder das schlossartige Palace Hotel, das über Gstaad thront, noch den Louis Vuitton Laden – das erste Mal, dass ich einen Louis Vitton Laden in einem Chalet sehe! – noch die Ralph Lauren Boutique oder andere Zeugnisse des mondänen Gstaad wahr.

Auch der erste Teil bis Reusch ist nicht ohne. Die ersten fünf Kilometer verlaufen auf Asphalt und sind tatsächlich richtig flach, man kann diese Strecke gewissermassen als Einlaufen betrachten. Danach wird der Weg schmaler, teilweise matschig, teilweise über nasse Steine, mal im Wald, mal über Wiesen – zumeist aber als Single Trail und bezüglich Profil ziemlich kupiert. Es gibt verschiedene kleine Anstiege, doch man hat das Gefühl, die gewonnenen Höhenmeter immer gleich wieder beim nächsten Abstieg zu verlieren. Für Trail-Fans ist bereits dieser Teil der Strecke wunderbar. Sie ist abwechslungsreich, führt durch die hübschen kleinen Berner Bergdörfer Feutersoey und Gsteig und bietet bereits einige kleinere Herausforderungen durch das wetterbedingt eher matschige Gelände.

 
© trailrunning.de 32 Bilder

Auf einer Wiese rutschte der Läufer vor mir aus und „spulte“ regelrecht an Ort und Stelle. Ich war überrascht, dass er sich irgendwie auf den Beinen hielt und sich schliesslich fangen konnte und weiterlief. Ich malte mir aus, wie ich an seiner Stelle in den Dreck gestürzt wäre. Jeder hätte fortan sehen können, welches Malheur mir passiert war. Glücklicherweise blieb mir das erspart – was ich meinen guten Schuhen zuschreibe. Oft  trifft man auf Ansammlungen von Zuschauern, die einen kräftig anfeuern. In Gsteig werden die Läufer mitten im Dorf von einer Art „Kuhglocken-Spalier“ empfangen, welche jedem beherzten Bergläufer eine kleine Gänsehaut über den Rücken jagt.

Die Staffel-Läufer(innen) sind tendenziell und logischerweise etwas schneller unterwegs als jene, die sich mental während gut 15 km auf den bevorstehenden Aufstieg vorbereiten. Es gibt eine Menge Verpflegungs- und Trinkstationen und es konnte sich bestimmt kein/e Läufer/in über Hunger oder Durst beklagen. Ab km 20 gibt es tatsächlich nach jedem gelaufenen Kilometer mindestens Wasser und Iso für die Teilnehmenden! An der Organisation ist überhaupt nichts auszusetzen.

Nach der Wechselzone ging es dann wirklich los. Ich kann von mir nicht behaupten, eine Spezialistin im steilen Gelände zu sein, daher ist vielleicht mein Urteil auch nicht unbedingt in jedem Fall massgeblich. Obwohl ich sonst steile Strecken nicht sonderlich mag, faszinierte mich die Schönheit und  Einmaligkeit dieses Streckenabschnitts. Bis ca. km 19,5 konnte man durchaus noch nebeneinander gehen, danach liessen die schmalen und felsigen Pfade kein Nebeneinander mehr zu. Überholen (oder überholt werden) war von da an auch ein grösserer Kraftakt und erforderte einiges Klettergeschick. Im Hinblick auf die noch zurückzulegende Distanz, die bevorstehenden Höhenmeter und die Verletzungsgefahr ist daher von kräfteraubenden Überholmanövern abzuraten. Ausserdem waren die Läufer/innen sehr rücksichtsvoll und gingen oft zur Seite, wenn sie merkten, dass schnellere  passieren wollten. Dasselbe gilt glücklicherweise für die Wanderer, die sich auf der Strecke befinden.

Ab Reusch ist alle 500 Meter eine Distanztafel zu sehen, was mich erst ab etwa km 22 so richtig zu motivieren vermochte. Jedenfalls versuchte ich noch bis ca. km 18 zu laufen, wurde aber von zahlreichen Teilnehmern überholt, die gehend ein schnelleres Tempo zustande brachten,  als ich laufend. Das war nichts Neues und störte mich auch nicht sonderlich, denn heute war sozusagen der Weg mein Ziel. Ich wollte möglichst kräfteschonend die Strecke zu absolvieren und die Bergwelt so gut es ging zu geniessen.

Ich holte einen Läufer ein, der in Zermatt beim Marathons im selben Hotel übernachtete, wie ich. Normalerweise irritiert es, während eines Lauf angesprochen zu werden und ich antworte dann jeweils meist knapp und versuche, mich schleunigst abzusetzen. Schliesslich will ich nicht unnötig Zeit und Energie verlieren. Heute war es das erste Mal, dass ich mich auf ein Gespräch einließ. Wenn auch schwerer atmend, als vielleicht bei einem Kaffee. 

Möglicherweise war es auch eine willkommene Ablenkung von dem schweren Weg. So marschierte ich mit meinem neuen Gefährden etwa 2 km und er erzählte mir vom weiteren Verlauf dieser Strecke. Auf diese Weise erfuhr ich, dass es nach weiteren ca. 1,5 km etwas flacher würde, danach nochmal richtig steil und gegen Schluss das Schnee- oder Gletscherfeld zu überqueren waren, bevor nach einigen weiteren 100 Metern dann nur noch einige Treppenstufen zwischen mir und der Ziellinie stehen würden. Das klang anstrengend, aber angst bekam ich keine. Es gab ohnehin keine Alternative, als einfach in möglichst gleichmässigen Schritten langsam aber stetig Richtung Bergstation zu marschieren.

Richtig flach wurde es natürlich nicht mehr – ausser ich schlug irgendwo den falschen Weg ein, doch so viele Wege gab’s da nicht, dass man sich hätte verlaufen können (und ich kann mich wirklich überall verlaufen!). Es wurde jedoch zumindest so „flach“, dass ich wieder ein wenig laufen konnte und zwar bis zur nächsten Verpflegungsstation Oldenegg. Dort gab es Orangen, Bananen, Wasser, Riegel – alles was das Herz in so einem Moment begehrt! Ich hielt kurz an, um mich mit dem Nötigsten zu versorgen und bog dann auf den felsigen Wanderweg ein. Lange Pausen mag ich nicht – ich fürchte, dass es sonst einfach mal nicht mehr weitergeht. Daher versuche ich lieber, stets in Bewegung zu bleiben.

Das funktionierte wieder recht gut und ich konnte unbeschwert weiter wandern, dem Himmel entgegen sozusagen. Ich konzentrierte mich auf den Pfad, um Fehltritte und Ausrutscher zu vermeiden und versuchte, so ökonomisch wie möglich zu marschieren. Auch das ging überraschend gut, ich hatte keine Lust, mich selber den Berg hinauf zu hetzen und bewegte mich einfach zügig und doch schonend bergan. Es wurde immer kühler und auch die Temperaturen trieben mich jetzt an, immer weiterzugehen, um so zügig wie möglich das Ziel zu erreichen.

Irgendwann fragte mich ein Läufer, ob alles ok wäre, worauf wir kurz ein paar Sätze austauschten und es sich herausstellte, dass das Ziel doch nicht die glänzende Hütte war, die ich im Auge hatte, sondern die Hütte, die noch etwas höher oben lag…  tja, schade, aber auch das würde irgendwie zu schaffen sein. Am besten nicht so oft nach oben schauen, sondern sich auf den Weg konzentrieren, dann geht’s nach subjektivem Empfinden schneller.

Nach der Verpflegungsstation Cabane wurde es nochmal etwas happiger. Die Temperaturen lagen bei ca. 7 Grad, der Wind war sehr kühl und das Terrain legte an Steilheit noch einen Zacken zu. Ausserdem war es teilweise sehr rutschig und ich war überrascht, dass ich unfallfrei über die Strecke kam.

 
 
Die Autorin auf dem Gletscher
© trailrunning.de

Dann kam der Gletscher, der aber irgendwie recht „sulzig“ war, der Schnee schmolz unter der Sonne und machte das Gelände nicht gerade trittfest. Aber dieser Teil ist kurz und relativ flach, kann also gelaufen werden. Danach läuft man noch einige hundert Meter auf der Moräne, nun die Schlusstreppe und das Ziel vor Augen. Nebelschwaden stiegen über den Kamm und hüllten meine Vorläufer ein. Bald war’s geschafft! Die letzten Treppenstufen und voilà, der Speaker rief meinen Namen, was ich gerade noch mitkriegte, weil ich rechtzeitig den iPod deaktivierte.

Es war nun wirklich kalt. Die Bouillon ging leider gerade aus, als ich da war, doch die Dame versicherte mir sehr besorgt, dass es gleich Nachschub geben würde. Ich solle mir doch schon mal eine Decke holen. Das tat ich dann auch und eingehüllt traf ich zwei Kollegen. Gemeinsam freuten wir uns über das gesunde Finish. Die warme Bouillon komplettierte mein Glück für diesen Moment – und einige weitere. Cola und Bananen, Orangen und Riegel und die Bahn hinunter ins wärmere Tal liessen mich dann auch schon wieder an meinen nächsten Lauf denken.

Zurück in Gstaad nahm ich nun endlich auch Notiz von den hübschen Lädeli…

Fazit: Kein Lauf für Flachstrecken-Läufer oder Asphalt- Junkies, aber absolut top für Berg- und Trail-Fans!

 

Einen weiteren Bericht mit vielen Bildern
findet Ihr hier

 

Die Sieger (26 km Strecke)

 

Männer

1. Gray Joseph, USA-Lakewood 2:20.51,5
2. Senn David, Ostermundigen 2:23.10,1
3. Birchmeier Ralf, Buchs SG 2:25.00,8

Frauen

1. Gassmann Bahr Daniela, Galgenen 2:39.29,8
2. Reiner Sabine, A-Dornbirn 2:43.53,8
3. Haldimann-Riedo Angela, Niederuzwil 2:46.06,3


445 Finisher

 

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