Klaus Duwe
Auch in der Schweiz gibt es Karrieren, die man mit „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ umschreiben könnte. Hier heißt die Schlagzeile eben: „Vom Bergbauern zum Gletscherkönig“. Marcel Bach aus Gstaad hat diesen Weg gemacht. Noch mit 28 Jahren arbeitete er im Sommer auf dem Hof seines Vaters, im Winter war er Skilehrer und kümmerte sich um prominente und reiche Gäste. Irgendwann war er den Herrschaften auch bei der Vermittlung eines Chalets oder eines Grundstückes behilflich und bald war er selber Bauherr. Sein Aufstieg war nicht mehr aufzuhalten.
Um die Zukunft von Gstaad als Winterdestination zu sichern, forcierte er 1998 die Neukonzipierung des Gletscherskigebiets von Les Diablerets und akquirierte bei reichen Gästen das notwendige Aktienkapital. Glacier 3000, das ist ein gigantischer Skirummelplatz mit Seilbahnen und Liften, Beschneiungsanlagen, Restaurants und der höchstgelegene Rodelbahn der Welt. Im Sommer ist eine Wanderstrecke über den Gletscher und die Moräne markiert.
Jüngste Attraktion ist der „Peak Walk“, die erste Hängebrücke der Welt, die zwei Gipfel miteinander verbindet. 107 Meter ist die Stahlkonstruktion zwischen dem View Point und dem Scex Rouge lang und 80 Zentimeter breit. Ganzjährig hat man von dort eine grandiose Aussicht auf das Matterhorn, das Mont Blanc Massiv und Eiger, Mönch und Jungfrau, um nur die bekanntesten Gipfel zu nennen.
Der Glacier 3000 Run hat "nur" 26 Kilometer, spart dafür aber nicht mit Höhenmetern: 2.015 sind es, also mehr als bei den meisten Berg-Marathons. Allerdings, und jetzt kommt’s: Diese 2.015 Höhenmeter verteilen sich sehr ungleichmäßig auf die Laufstrecke. Bis Gsteig (km 12) kann man gerade mal 140 davon verbuchen, in Reusch (km 16) sind 300 bewältigt. Das heißt, zu den restlichen 10 Kilometer kommen noch 1700 Höhenmeter dazu und eine Passage über den Gletscher.
Die Laufzeiten beim Glacier 3000 Run entsprechend in allen Leistungsklassen in etwa denen eines Marathons im Flachen. Wer meint, der Lauf sei wegen seiner Distanz eine gute Vorbereitung auf einen Bergmarathon oder Trailrun, hat Recht. Allerdings sollte jeder, der hier antritt, über Bergerfahrung verfügen. Als Erstling taugt der Glacier 3000 Run nicht, er ist ein echter Härtetest, aber wunderschön. Aus diesen Gründen ist der Lauf trotz „Unterdistanz“ auch bei Marathon4you gelistet.
Zum Autor
Als ich 2009 zum ersten Mal in Gstaad beim Glacier 3000 war, fragte mich im Hotel beim Frühstück ein junger, schmächtiger Mann, ob ich von Marathon4you wäre. Er würde die Seite kennen und sehr schätzen. Wir kamen ins Gespräch und er erzählte mir, dass er ein ambitionierter Läufer sei und gerne den Jungfrau Marathon laufen würde, aber keinen Startplatz mehr bekomme.
Ich hatte gute Kontakte zu Christoph Sailer und Richi Umberg, damals Ok-Chef und Race-Direktor. Ralf Birchmeier bekam nicht nur einen Startplatz, sondern musste als Eliteläufer, als solcher wurde er eingestuft, noch nicht einmal dafür bezahlen. Der junge Mann ging durch die Decke und enttäuschte nicht. Im Gegenteil: Mit einer Zeit von 3:34 Stunden belegte er einen beachtlichen 24. Platz.
Dem Glacier 3000 Run ist Ralf bis heute sehr verbunden. 2009, als wir uns das erste Mal über den Weg liefen, wurde er 6. Danach belegte er 5., 4., und 3. Plätze. Einmal wurde er 2. und verpasste den Sieg um nur 6 Sekunden.
Sporadisch berichtet Ralf Birchmeier auf Marathon4you/Trailrunning.de von seinen Läufen.
Weitere Informationen: www.ralfsblog.com
Hier nun sein Bericht. Wenn er etwas kurz geraten ist liegt es daran, dass er auch nur kurz unterwegs war. In 2:31.13,3 Stunden wurde er Dritter.
Nach einer kurzen Sommerpause meldete ich mich am 10. August in Gstaad beim glacier3000run zurück im Wettkampfgeschehen. Seit Juli plagten mich ungewohnte Rückenschmerzen aufgrund Über- und Fehlbelastungen, ausgehend von der linken Hüfte.
Zum Glück konnte ich auch in dieser Phase auf eine Top Betreuung setzen. Andreas Enggist behandelte mich sensationell sowie professionell und gab mir wichtige Tipps für die Genesung. Christian Leuthold von #medicalfitness setzte mit Stosswellen wichtige Reizpunkte und Jan Zweifel gab mir weitere Ratschläge zum Krafttaufbau in einer Phase, wo ich bewusst das Lauftraining drosselte. Zudem quälte mich Thomas Sax mehrfach auf brachiale Art mit seinen Massagen. Ich danke Euch von ganzem Herzen.
Erst Anfang August entschloss ich mich, erneut in Gstaad beim Glacier3000 Run zu starten. Ein Rennen, welches ich schon mehrfach absolvierte und mit tollen Erlebnissen in Verbindung bringe. 26.2 km und prickelnde 2‘000 Höhenmeter erwarteten die knapp 1‘000 Athleten. Speziell ist sicherlich, dass auf den ersten 16 Kilometern von Gstaad via Gsteig nach Reusch „nur“ 350 der angesagten Höhenmeter weggeknallt werden, bevor das Rennen somit richtig lanciert wird.
Aufgrund der üblen Gewitter nach einem Hitzetag und dem Temperaursturz in der Nacht war der Gletscher vereist und nicht passierbar. Die Strecke wurde geändert, das Ziel war aber nach nie vor auf dem fast 3000 m hohen Scex Rouge. Wegen des Dauerregens am Morgen fiel mein Einlaufen eher spärlich aus. Ich fokussierte mich dafür mental auf die kommende Aufgabe.
Meine Hauptkonkurrenten waren Francis Maina Njoroge (Kenia), Raphael Sprenger, Christian Mathys, Tim Dally (DE), Simon Schäppi, Tefera Mekkonen (ETH) und Bernhard Eggenschwiler.
Den ersten Kilometer nach dem Startschuss im mondänen Gstaad um 10:00 Uhr lief ich in gut 3:25 an. Dabei reihte ich mich aber nur an circa 10ter Stelle ein. Als ich die Pace auf den kommenden drei Kilometern nur moderat verlangsamte, fand ich mich schnell auf Rang fünf mit Simon Schäppi ein. Vorne ging der Schnellzug um Mathys, Mekkonen und Maina ohne Erbarmen ab. Ein Tempo, welches die Verfolgergruppe in meiner Obhut in kürzester Zeit vernichtet hätte.
Leider musste ich ab Kilometer acht eine einsame Partie abliefern. Simon Schäppi nahm in den ersten steilen Rampen bewusst etwas raus und ließ mich ziehen. Die Spitzenläufer distanzierten mich bis Reusch um gut fünf bis sechs Minuten, was mich aber nicht verunsicherte, denn nun begann das eigentliche Rennen und mein stärkster Abschnitt: Der Aufstieg bis Oldenegg.
Ich hatte meine Kräfte bis hier gut eingeteilt und konnte aufs Gaspedal drücken. Ich fühlte mich stark und versuchte, näher ans Podium zu kommen. Gegen hinten hatte ich noch eine sichere Reserve.
Ab Oldenegg bis Cabane begann der technisch delikatere Teil. Punktuell spitzige Anstiege, Geröll und Treppensteige erschwerten mir das Leben. Ein „Dieselmotor“ wie Birchi ist hier sehr anschlägig unterwegs, während Kraftläufer ihre Vorteile ausspielen können. Sprich: Ich spürte den Puls von Raphi Sprenger im Rücken während meiner ins Nirvana entschwand. Muskulär litt ich in dieser Phase sehr und versuchte mich zu fokussieren auf die letzten Kilometer.
Die steilste Passage begann ab Cabane bis zum Ziel. Sepentinen führten uns in die Höhe. Meine Schenkel brannten, ich wurde müde und sehnte mich dem Ziel entgegen. Als ich nach Kilometer 24 den Kenianer Maina Njoroge vor mir erblickte, schoss mir neue Energie durch die Adern. Ich durfte mit einem Podestrang liebäugeln. Das kann gefährlich werden. Zwar schloss ich zum Afrikaner auf, überpacte jedoch völlig. Komplett übersäuert entschwand ich trotzdem aus seinem Blickfeld und versuchte gleichzeitig, mir den heranjagenden Raphael Sprenger vom Leib zu halten. Dies gelang mir zum Glück. Entkräftet passierte ich das Zielband als Dritter.
Glücklich, erschöpft, stolz, aber auch klar distanziert von Sieger Mathys und dem Zweiten Mekkonen. Ich gratuliere herzlich.
Dankeschön ans OK und die super Helfertuppe! Merci auch an Papa für den tollen Support.
Fotos: Klaus und Margot Duwe
Männer
1. Mathys Christian Biel/Bienne Athletics 2:19.37,6
2. Tefera Mekonen CH-Herrenschwanden 2:27.10,4
3. Birchmeier Ralf TV Schaan 2:31.13,3
Frauen
1. Eggenschwiler Petra BigFriends 2:51.50,7
2. Frei Melina TV Oerlikon 2:59.42,1
3. Boegeholz Ragna CH-Winterthur 3:12.15,6