Wie jedes Jahr wollte ich auch heuer beim glacier3000run in Gstaad starten. Bereits zum achten Mal fand die Veranstaltung am 8. August statt. Bis auf die erste Ausführung, vor meiner Läuferlaufbahn, und im letzten Jahr aufgrund des schlechten Wetters war ich bei meinem Lieblingsrennen immer am Start.
Highlights waren dabei meine erste Teilnahme mit einer Top5 Rangierung aus dem Nichts, die erfolgreiche WM-Quali für das Schweizer Kader nach dem Ermüdungsbruch im linken Fuß 2012, sowie meine erste Podiumsklassierung in einer tollen Zeit von 2.25.00 im Jahr 2013 hinter Jo Gray und David Senn.
4 ½ Wochen sind seit meinem Rippenbruch bereits vergangen und ich fühlte mich bereit, wieder ins Wettkampfgeschehen einzusteigen. Die Schmerzen gingen kontinuierlich zurück in den letzten Tagen, ich konnte wieder Tempoeinheiten trainieren und fand wieder Vertrauen in meinen Körper.
Also machte ich mich am Vortag frohen Mutes auf den Weg ins Berner Oberland. Die 26 Kilometer mit 2'050 Höhenmeter reizten mich wieder extrem und voller Vorfreude erreichte ich nach einem Umweg das mondäne Gstaad. Umweg deshalb, weil ich in Spiez in den falschen Zug stieg und plötzlich im Wallis landete. Zwei Stunden Verzögerung waren die Folge hatte. Da es in den letzten Tagen wieder hochsommerlich warm war und kein Gewitter die Luft reinigte, zeigte sich das Klima am Wettkampftag von seiner schwülen Seite. Die Gewitter waren erst auf den Nachmittag angesagt und bei wolkenlosem Himmel war der Start um 10.00 Uhr angekündigt.
Die Strecke wurde aufgrund einer neuen Startplatzlogistik um 200 Meter verlängert und über 800 Teilnehmer bedeuteten einen neuen Teilnehmerrekord. Das Thermometer zeigte auf 1'050 Meter über Meer in Gstaad gute 22 Grad beim Startschuss. Als Favoriten wurden der Kenianer Robert Surum (läuft die 10 Kilometer Distanz unter 29min), Helmut Perreten, Bernhard Eggenschwiler, (Sieger 100km von Biel in diesem Jahr) ein Marrokanischer Läufer aus Agadir, Gilles Bailly, Lukas Gafner, Philipp Feuz und ich benannt.
Mir war bewusst, an diesem Tag etwas erreichen zu können. Ob die kenianische Rakete das Rennen heil übersteht, war ein Fragezeichen und mit den restlichen Läufern konnte ich mich problemlos messen. Auch das Frauenfeld zeigte sich in elitärer Pracht. Neben Streckenrekordhalterin Daniela Gassmann erwies die neue souveräne Langdistanz-Berglaufweltmeisterin Martina Strähl dem Rennen die Ehre.
Wie erwartet war das Anfangstempo horrend. Der Kenianer und Cinaour Salah machten das Tempo und distanzierten die Verfolger sofort. Mit einer Pace von knapp 3:10 pro Kilometer verließen sie die Touristenmetropole und machten sich auf den Weg Richtung Gsteig und Reusch. Die ersten 16 Kilometer waren leicht coupiert ohne massive Steigungen. Daher galt es nicht, alle Kraft bereits hier zu verpulvern, trotzdem an der Spitze dran zu bleiben und nicht zu viel Zeit zu verlieren. Hinter den beiden Gästen aus Afrika bildete sich eine Verfolgergruppe um Martina Strähl, meine Wenigkeit, Beni Eggenschwiler, Feuz Philipp und Samuel Stolz aus Teufen AR. Leicht dahinter versuchten Gafner Lukas, Helmut Perreten und das Laufurgestein Konrad von Allmen den Rennrhythmus zu finden.
Bereits nach drei Laufkilometern wurde Salah langsamer und nach gut sechs Kilometern schlossen wir zu ihm auf, ließen ihn stehen und entfernten und zügig von ihm. In unserer Gruppe waren alle, auch Martina, um das Tempodiktat bemüht. Auf der Jagd nach Surum bildeten wir eine funktionierende Gruppe. In Gsteig erfuhr ich von meinem Vater, dass er nur etwas über 1 ½ Minuten vor uns lief und daher in Griffnähe war. Dies motivierte mich extrem. Im Laufe der nächsten Kilometer schloss Lukas Gafner zu unserer Gruppe auf und setzte sich an die Spitze. Jedoch verloren danach Stolz und Eggenschwiler den Anschluss und ich lief hauptsächlich mit Feuz, Gafner und Strähl nach Reusch.
Kurz vor der Wechselzone, der Wettkampf kann auch in der Staffel zu zweit absolviert werden, bei Kilometer 15.5 rissen Feuz und ich eine kleine Lücke und machten uns im Doppel auf in die Steigung. Bis Oldenegg galt es gut 800 Höhenmeter zu absolvieren. Der serpentinenartige Aufstieg war genau mein Gelände. Regelmäßige Passagen führten die Athleten in die Höhe. Philipp Feuz blieb an mir dran, konnte jedoch nicht ganz meinen Rhythmus aufnehmen. Ich forcierte das Tempo stetig und begab mich damit auf einen Drahtseilakt. Schließlich hatte der erste Streckenabschnitt sehr viel Kraft gekostet.
In Oldenegg erfuhr ich vom Speaker, dass Surum seinen Vorsprung um zehn Sekunden ausbauen konnte und ich aktuell 40 Sekunden vor Feuz platziert war. Der Rest des Männerfeldes wies bereits größere Rückstände auf. Nur Strähl heftete sich hartnäckig an unsere Fersen. Leider verließ mich in dieser Passage etwas die Kraft. Schnell machte Feuz den Rückstand auf mich wett und war wieder mein Laufkumpan für einen Streckenabschnitt. Wirklich distanzieren konnte oder wollte er mich jedoch auch nicht.
Ich war etwas verunsichert, meine Beine wurden hart und moralisch war die Überholung ein Tiefschlag. Zum Glück stellte ich fest, dass Feuz auch zu leiden hatte und Strähl etwas zurück fiel. Mein Tempo war also in Ordnung und fiel nicht komplett zusammen. Als wir dann vor uns den Führenden entdeckten, war das natürlich eine Freude. Anscheinend war er blau gelaufen. Feuz und wenige Sekunden später auch ich überholten den Kenianer kurz nach Cabanne und machten uns auf den Weg der letzten gut 400 Höhenmeter.
Hier bekamen wir es mit den steilsten Passagen zu tun. Mein Kilometerschnitt betrug gut 12min. Dies illustriert wohl eindrücklich, wie steil der Aufstieg vor dem Gletscher ist. Dieses Gelände ist mein bevorzugter Untergrund. Ich mobilisierte nochmals meine Energiereserven und war bald wieder an Feuz dran. Nun galt es, zusammen ein gutes Tempo zu finden und Surum den Anschluss unmöglich zu machen. Wir kämpften uns gemeinsam den Berg und die Anstiege hoch. Langsam verzog sich die Sonne und mit der zunehmenden Höhe wurden die Temperaturen erträglich bis kühl. Auch die Gletscherpassage bei Kilometer 24.5 nahmen wir gemeinsam in Angriff und schenkten uns nichts, ohne uns komplett gegenseitig ins Elend zu fordern.
Als wir die Bergstation Scex Rouge/Glacier3000 erreichten, waren wir noch immer gleichauf. In Front liegend nahm ich die Treppe zum Ziel in Angriff. Jetzt überholte mich Philipp nach fünf oder sechs Stufen und zog davon. Mit letzter Kraft schloss ich nochmals zu ihm auf, jedoch war er mir in diesem kraftraubenden Teil überlegen und rettet sich mit sechs Sekunden Vorsprung über die Ziellinie. Er erreichte diese in 2.30.05 knapp vor mir als erster Schweizer Sieger beim glacier3000run. Als Dritter kam Surum bei der Bergstation an, jedoch hinter der ersten Frau, Martina Strähl, welche den Streckenrekord der Damen um über fünf Minuten pulverisierte.
Es war ein tolles und hartes Rennen mit einem verdienten und sympathischen Sieger. Es wäre an diesem Tag wohl möglich gewesen, zu reüssieren und meinen ersten großen Sieg zu landen. Daher bin ich nicht 100% zufrieden. In den Aufstiegen fehlte mir etwas der entscheidende Punch, um mich absetzen zu können. Ob dies den hohen Temperaturen, meiner Verletzung oder dem forschen Anfangstempo geschuldet war, das weiß ich nicht.
An dieser Stelle möchte ich mich beim Veranstalter und allen Helfern herzlich für Ihre Unterstützung und Ihren Einsatz bedanken. 2015 war der Glacier Run wieder ein gelungener Event. Ich freue mich bereits auf die 9. Ausführung im August 2016.