Auch in der Schweiz gibt es Karrieren, die man mit „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ umschreiben könnte. Hier heißt die Schlagzeile eben: „Vom Bergbauern zum Gletscherkönig“. Marcel Bach aus Gstaad hat diesen Weg gemacht. Noch mit 28 Jahren arbeitete er im Sommer auf dem Hof seines Vaters, im Winter war er Skilehrer und kümmerte sich um prominente und reiche Gäste. Irgendwann war er den Herrschaften auch bei der Vermittlung eines Chalets oder eines Grundstückes behilflich und bald war er selber Bauherr. Sein Aufstieg war nicht mehr aufzuhalten.
Um die Zukunft von Gstaad als Winterdestination zu sichern, forcierte er 1998 die Neukonzipierung des Gletscherskigebiets von Les Diablerets und akquirierte bei reichen Gästen 4 Millionen Franken Aktienkapital. Vor vier Jahren wurde neues Kapital notwendig und wieder war es Marcel Bach, der mit seinen Beziehungen das Projekt retten konnte. Diesmal holte er Formel1-König Bernie Ecclestone und den französischen Zucker-Tycoon Jean-Claude Mimran mit ins Glacier-3000-Boot.
Glacier 3000, das ist ein gigantischer Skirummelplatz mit Seilbahnen und Liften, Beschneiungsanlagen, Restaurants und der höchstgelegene Rodelbahn der Welt. Auch für die zurzeit größte Baustelle in Gstaad sind die Herren Bach und Mimran verantwortlich. Es handelt sich um den Neubau der Nobelherberge Alpina.
Ich gehe mal davon aus, dass unsere Schweizer Leser wissen, wie man nach Gstaad kommt. Allen anderen erkläre ich es so:
Ab Bern die A 6 in Richtung Thun und Spiez, genau so, als wolle man zum Jungfrau Marathon. Auch für den Zermatt Marathon ist das eine gute Empfehlung. Statt ins Kandertal nach Kandersteg nehmen wir aber die Abfahrt zuvor und fahren Richtung Zweisimmen. 42 wunderschöne Kilometer sind es noch bis Gstaad. Die Gegend ist wie für einen Marathon gemacht: herrliche, weitläufige Täler, idyllische Dörfer mit uralten Bauernhäusern und über 3000 m hohe Berge mit kühnen Aufstiegen. Im Hotel Alphorn in Gstaad ist das Zimmer 42 für mich reserviert. Mehr Verbindungen kann ich heute zu einem Marathon zunächst nicht herstellen. Der Glacier 3000 Run hat nämlich nur 26 Kilometer, spart dafür aber nicht an den Höhenmetern: 2015 sind es, also mehr als beim K 42, Jungfrau- oder Zermatt-Marathon.
Allerdings, und jetzt kommt’s: diese 2015 Höhenmeter verteilen sich sehr ungleichmäßig auf die Laufstrecke. Bis Gsteig (km 12) kann man gerade mal 140 davon verbuchen, in Reusch (km 16) sind 300 bewältigt. Das heißt, zu den restlichen 10 Kilometer kommen noch 1700 Höhenmeter. Das ist deutlich mehr als beim „härtesten Marathon der Welt“, wie sich der Graubünden-Marathon selber nennt. Dort sind auf den letzten 11 km 1400 Höhenmeter zu bewältigen. Hier in Gstaad kommt noch dazu, dass nicht nur „Gletscher“ auf dem Etikett steht, sondern tatsächlich eine Passage über (hoffentlich) ewiges Eis enthalten ist.
Ist damit die Frage beantwortet, warum uns der Glacier 3000 Run eine intensive Betrachtung wert ist? Sogar so intensiv, dass wir nicht nur nach guter m4y-Sitte direkt von der Strecke berichten (das macht der Anton), sondern noch einen Beobachter an der Strecke haben, der auch auf die Asse ein Auge hat. Das mache ich.
Gstaad
Zuerst schauen wir uns aber etwas in dem mondänen Bergdorf um. Jeder hat schon mal Bilder von Gstaad gesehen. Schließlich finden hier, auch im Sommer, viele international beachtete Sportereignisse statt. Letzte Woche zum Beispiel traf sich die Tennis-Weltelite zu den Swissopen, davor machten die Beach Volleyballer auf ihrer Worldtour in Gstaad Station. Irgendwie hatte ich mir ein anderes Bild von Gstaad gemacht. Es ist wirklich ein Dorf. Nicht einmal 7000 Einwohner werden gezählt. Die Häuser, auch die zahlreichen Hotels, sind im Chalet-Stil und fügen sich gut in die Landschaft. Nur eins fällt etwas aus dem Rahmen. Grob gesagt ist das „Gstaad Palace“ ein viereckiger Kasten, dem an jeder Ecke an den oberen Etagen ein Türmchen angebaut ist. Der Architekt muss König-Ludwig-Fan gewesen sein. Wenn das eine Bausünde ist, dann keine neuzeitliche. Das Hotel wurde schon vor fast 100 Jahren gebaut.
Die schmucke Promenade ist Fußgängerzone mit vielen alten, verwitterten Holzhäusern, die hervorragend restauriert sind. Edle Boutiquen, teure Juweliere und noble Restaurants sind hier zuhause. Aber auch unsereiner kann sich einen Espresso am Nachmittag oder ein Menü am Abend hier leisten. Es ist nicht billig, aber gut. Mit „Geiz ist geil“ kommt man nirgendwo in der Schweiz weit.
Für 60 Franken (+ 20 CHF für Nachmelder) ist man beim Glacier 3000 Run dabei. Im Preis enthalten ist der Kleidertransport zum Ziel, die Talfahrt mit der Luftseilbahn Glacier 3000, der Shuttle-Bus nach Gstaad, Bon für Pasta und der Eintritt für das Hallenbad in Gstaad. Die Finisher bekommen dieses Jahr eine hochwertige Mütze und Handschuhe von Nike. Der Gegenwert der großzügigen Gaben übersteigt somit leicht das Startgeld.
Die Startunterlagen gibt es im Sportzentrum. Bei ca. 500 Teilnehmern ist alles überschaubar und familiär und es kann dir passieren, dass du zwischen den Favoriten Claudia Landolt und Michael Barz in der Schlange stehst. Dann kannst du dir gleich Tipps geben lassen, denn beide waren bereits letztes Jahr bei der Premiere am Start. Die eine, Claudia Landolt, hat gewonnen, der andere, Michael Barz, wurde vierter.
Vor dem Start
Am Freitag ist es schwül und schon beim Spaziergehen bekommt man ein nasses Hemd. Davor braucht sich aber keiner der Teilnehmer morgen zu fürchten. Eher sind es Regen und Gewitter, die Sorgenfalten auch bei den Veranstaltern verursachen. Für den schlimmsten Fall gibt es den Plan B mit einer Verlegung des Ziels nach Cabane. Aber soweit kommt es nicht. Zwar regnet es in der Nacht und am Samstag immer mal wieder und es ist neblig auf den Bergen, aber die Gewitter gehen anderenorts nieder.