"Hurra, es geht auf's Stockerl!"
Der zweite Tag des "Doppeldeckers" führt mich wieder einmal nach Sachsen. In Lengenfeld findet bereits zum 39. Mal der Göltzschtalmarathon statt. Da wird auch bei einer verspäteten Ankunft keiner weggeschickt. Und: Es geht auf's Trepperl. Dieses und andere Begebenheiten im folgenden Bericht:
Gut ausgeschlafen mache ich mich auf die Anfahrt nach Lengenfeld. Die Wahl der Jugendherberge Schöneck war keine schlechte. Am Vorabend gab es sogar noch ein Nudelgericht für die Gäste. So dauert heute meine Anfahrt nicht mal 30 Minuten.
Mit ein wenig Spürsinn finde ich das Start- und Zielgelände am Stadion des VfB Lengenfeld am nördlichen Ortsausgang. Parkplätze sind genügend vorhanden. Ja, und mehr als 50 Meter braucht der faule Marathoni auch nicht laufen, bis er seine Startnummer in der Hand hat.
Im Wettkampfbüro hängen bereits Startlisten aus. Im Nu habe ich meine Sachen beieinander. Reiner Milek als Gesamtleiter ist überall anzutreffen. Jetzt nehme ich ihn kurz in Beschlag und erkläre ihn meine Aufgabe als „laufender Reporter.“
Reiner und der Göltzschtalmarathon sind schon seit Ewigkeiten verbunden. So ist die Laufveranstaltung das zweitälteste Marathonevent in Deutschland. Nur der Lauf in Essen um den Baldeneysee ist noch älter. Seit 1968 wird der Marathon im Göltzschtal nun veranstaltet und der Reiner ist hier der Boss seit 1972. Nächstes Jahr feiert man hier den 40. Lauf, dann wird bestimmt gefeiert.
Was ist denn alles geboten? Nun, der Marathonsammler hat eine Startgelegenheit, für die noch nicht so ganz Ausdauernden wird ein 10-Kilometer-Lauf oder ein Marathon-Paarlauf (zwei Athleten, die jeder 21,1 Kilometer bewältigen) organisiert. NordicWalking über 10 und 21,1 Kilometer ist ebenfalls möglich. Schulen und Vereine können am MiniMarathon-Staffellauf im Stadion teilnehmen.
Die Startgebühr für den langen Kanten beträgt 25 EUR, wofür eine gute Versorgung auf der Strecke und im Stadion wartet. Finisher des Marathons und des Paarlaufes erhalten Medaillen. Den Siegern werden Urkunden, Pokale und Sachpreise überreicht.
Ich schaue mir noch kurz das Rennen der Schüler an und mache mich dann fertig für unser Unterfangen. Es ist im Vergleich zum gestrigen Tag noch etwas kühler geworden. 6, 7 Grad, da fröstelt es auch mich. Ich habe zwar Handschuhe dabei, aber die nehme ich heute nicht mit. Ich will ja Anfang Oktober noch nicht wie ein Schneeräumer herumlaufen. Der Winter kommt schon noch früh genug.
Nach einem Grußwort und einer entsprechenden Einweisung werden wir zum Start aufgerufen. Punkt 11 Uhr ist es soweit. Die Pistole scheppert und knapp 200 Sportler machen sich an ihre Aufgabe heran. Da die Wendepunktstrecke nicht ganz zehn Kilometer einfach hat, gilt es, bereits nach dem Start eine zusätzliche Runde im Stadion zu drehen, bevor man das Sportgelände verlassen darf.
Das Feld zieht sich natürlich hier schon deutlich auseinander. Beim Verlassen des Stadions werde ich auf einheitliche blaue Vereinstrikots aufmerksam. Und einer schleppt noch eine Kamera herum und filmt. Der Lauftreff Hainsacker bei Regensburg hat hierher einen Vereinsausflug gemacht. Es wird gleich ein ganzer Bus gechartert. Während ein „normaler“ Ausflug eines Clubs mehr dem Geselligen mit Essen und Trinken dient, machen es sich Läufer schon ein wenig abwechslungsreicher. Da darf dann eine kleinere oder größere Joggingrunde nicht fehlen. Und wenn schon eine Möglichkeit zum Wettkampf besteht ...
Wir biegen auf die nun abgesperrte Bundesstraße 94 ein. Links sehen wir ein abgefackeltes großes Gebäude. Nicht schön anzusehen. Aber leider fehlt wohl eine Folgeplanung für das Gelände und auch das notwendige Geld. Rechts sehe ich ein betagtes zweistöckiges Wohnhaus, ein Bewohner lugt hinter dem Vorhang heraus. Eine Außenrenovierung würde hier auch nicht schaden.
Nach etwa 500 Meter biegen wir links ab und überqueren sogleich die Göltzsch. Es folgt eine üble Kopfsteinpflasterstrecke, die gottlob nur 200 Meter lang andauert. Ich höre aus dem Feld bereits Geschimpfe und Flüche. Aber dann kommt sofort der angekündigte Radweg.
Jetzt bin ich gut zehn Minuten unterwegs, da fallen mit zwei Buben auf. Der eine ist der 8jährige Moritz Drechsler aus Hannover, der andere Nico Rainer aus Haisacker mit 9 Jahren. Ja, und die beiden haben Talent, denn sie schaffen die zehn Kilometer in 54 bzw. 55 Minuten. Da kommen erwachsenen Couch-Potatoes nicht mit.
Etwas weiter vorne im Feld, ich habe wie immer langsam angefangen, sehe ich Michelle Kölbel und Franziska Hendel. Für die beiden Läuferinnen der LG Vogtland ist die heutige Veranstaltung ein Pflichttermin. Für beide kommt dann der Wendepunkt in Kürze.
Wir laufen nun durch eine überdachte Brücke und dann sehe ich ein Schild: Bitte rechts laufen, heißt es da. Aha, da ist der Wendepunkt für die Sprinter. Für diese geht es den gleichen Weg zurück und dann ist Feierabend.
Unsere Strecke führt nach der V-Stelle geradeaus weiter. Nach wenigen Augenblicken ist dann die Göltzschbrücke der Autobahn 72 zu sehen. Unterhalb der Autostrada machen sich gerade Fußballspieler für ihren Samstagskick fertig.
Während die erste Hälfte der Pendelstrecke meist asphaltiert ist, hat die zweite Hälfte eher Forststraßencharakter. Ich überhole Silke Bleich, die mit ihrer Schwester Antje Möldner ein reines Frauenpaar bilden. Möldner, den Namen hab ich schon mal gehört. Ja, die Antje ging in Peking als Olympiateilnehmerin über 3000 Meter Hindernis an den Start. Heute wird Antje die zweite Hälfte des Paarlaufes in 1.25 Stunden herunterreißen und mich später sprichwörtlich versägen.
Dann naht der erste Wendepunkt bei Mylau. Dort werden wir aufgeschrieben und müssen noch rund 400 Meter zurück, abermals wenden, noch mal zur Wende und dann geht es zurück. Drei bis vier Helfer stehen an diesen Punkten und passen auf, dass keiner zu wenig oder zu viel läuft. Wenn wir jetzt Sonnenschein hätten, könnten wir das bunte Laub bewundern. Leider lugt der Planet nur hie und da hinter den Wolken hervor.
Mittlerweile habe ich herausgefunden, dass die 700er-Nummern die Marathonis haben. Und ich habe mit Sieglinde Mattioni aus Hainsacker gesprochen, die sehr schnell unterwegs ist. Bei der Wende steht sie auf Gesamtplatz zwei. Die Führende ist in Schlagdistanz.
Beim Rückweg stellt sich die Strecke ganz anders dar. So ist im Bereich des Alten Teichwärterhauses eine Steigung zu bewältigen, die mir beim Hinweg gar nicht aufgefallen ist. Und dann sehe ich auch Horst Preisler, der mittlerweile über 1500 erfolgreiche Marathonläufe geschafft hat. Mit 73 Jahren gehen andere Leute schon auf die Austragsbank und lassen den Herrgott einen guten Mann sein. Und der Horst packt die 42,195 Kilometer locker unter fünf Stunden. Auch wenn er am Vortag noch in Bad Rodach war. Respekt.
Nach 1.45 Stunden bin ich am Sportplatz zurück, laufe durch das Ziel und muss abermals eine Ehrenrunde drehen. Zwei Fans haben es sich auf der Gästebank bequem gemacht und lachen, als ich meinen Apparat zücke.
In der zweiten Runde, so beschließe ich, will ich etwas aufs Gas drücken. Bilder habe ich schon genug im Kasten und will es daher rollen lassen. Mittlerweile sind die Kontakte unter den Läufern spärlicher geworden. Die meisten kommen ja entgegen. Während vorne Druck gemacht wird, ist es im Mittelfeld ruhiger.
Im Bereich der Wende sehe ich dann, dass die Führung bei den Frauen nun gewechselt hat. Die Sieglinde ist mit wenig Vorsprung vorne. Hoffentlich kann sie das Tempo halten. Bei den Männern ist Thomas König einsam an der Spitze. Für ihn gilt dieser Lauf als Vorbereitung für die 100-Kilometer-Weltmeisterschaft in Italien im November.
Für eine lustige Begebenheit bin ich immer zu haben. So mache ich an der letzten V-Stelle wieder einen Spass und verlange Bier, obwohl ich gar keines will. Der Helfer sächselt dann: „Ham wa do.“ Und dann muss ich natürlich den Becher aussaufen. Als Quittung eiere ich die restlichen Kilometer Richtung Ziel. Da bin ich wieder nüchtern.
Im Stadion werden die Finisher namentlich aufgerufen. Die Hainsackerer Damen tanzen im Zielbereich herum und machen Stimmung. In der letzten Zielkurve überhole ich noch die Stockenten-Walker. Mein Zeiteisen bleibt bei 3.26.55 Stunden stehen.
Ich bleibe noch im Zielbereich, will sehen, ob der Frauensieg in die Oberpfalz geht. 15, 20 Minuten vergehen, noch keine Frau zu sehen. Einer der Oberpfälzer meint, die Sieglinde hat viel zu schnell begonnen. Spannung. Aber noch ist ja nichts verloren.
Und dann kommt sie doch als Führende ins Ziel. Aber es ist eine ganz enge Kiste, denn innerhalb vier Minuten sind die ersten drei Damen mehr oder weniger geschafft im Ziel. Ich will gerade in die warme Dusche, bekomme aber noch am Kuchenstand mit, dass die Siegerehrung für meine Klasse stattfindet. Ja, und da darf ich dann als Klassendritter noch mit aufs Treppchen.
Unter der Dusche lerne ich noch einen Schwaben aus Schwäbisch Hall kennen, der heute Morgen auf der Autobahn in eine Vollsperrung geriet und so erst 45 Minuten nach dem Start vor Ort war. Rainer und seine Helfer haben ihn nicht weggeschickt, sondern dem Marathonfeld hinterher springen lassen. Das gibt’s auch nicht alle Tage.
Bei der Heimfahrt drehe ich eine kleine Runde und schaue mir noch die gewaltig große Göltzschtalbrücke an. Es ist die größte Ziegelbrücke der Welt. Über 1700 Arbeiter haben in der Mitte des 19. Jahrhunderts rund 26 Millionen Ziegel verbaut. Vielleicht dürfen wir da auch mal darunter hindurch laufen.
Gewinner Männer:
1. Thomas König (SuL Lößnitz) 2.44.27
2. Thomas Behr (TSV 1872 Pobershau) 3.03.47,
3. Sylvio Langer (LG Eppstein-Hornau) 3.08.27.
Frauen:
1. Sieglinde Mattioni (Lauftreff Hainsacker) 3.55.31,
2. Ilona Wadenbach (OSC Löbau) 3.56.39,
3. Martina Christ (Fitness Oase Ohrdruf) 3.59.45.
Teilnehmer im Ziel:
Marathon: 47.
10-Kilometer-Lauf: 95.
Paarlauf: 29 Paare
Walker: 12
Streckenbeschreibung:
Wendepunktstrecke im idyllischen Göltzschtal, ist zwei Mal zu belaufen. Wenig Steigungen. 70 % Parkwege, Rest Asphalt. Strecke ist AIMS vermessen. Jeder Kilometer angezeigt.
Zeitnahme:
Leihchip.
Auszeichnung:
Urkunden für die ersten drei aller Klassen. Sachpreise für die Gesamtsieger und Klassensieger. Medaillen für Marathonis und im Paarlauf.
Drumherum:
Duschen im Stadion. Parkmöglichkeiten in der Nähe genügend vorhanden.
Verpflegung:
Vier Getränkestellen auf der Wendepunktstrecke mit Wasser, Iso, Tee und Bananen.
Zuschauer:
Wenig Zuschauer auf der Strecke, im Ziel Moderation mit Musik.
Nächster Termin:
03.10.2009.