Zu seinen Füßen, unterhalb am Hang, liegt das Alte Hospiz. Es geht auf Napoleon zurück. Auf seinen Befehl sollte es gleichzeitig mit der Militärstraße entstehen und als Kaserne dienen. Der Grundstein des länglichen Gebäudes wurde 1813 gelegt; der Bau dauerte aber bis 1831. In der Zwischenzeit wurde Napoleon gestürzt, die Franzosen verschwanden aus dem Wallis und das Bauwerk wurde eingestellt. Bis dahin war nur das erste Stockwerk fertig geworden.
Knapp die Hälfte des vorgegebenen Zeitlimits von 8:15 Stunden muss am Simplonübergang (km 17) bewältigt sein. Die letzten sollten um 12 Uhr den Verpflegungsposten erreicht haben. Hier können wir uns noch kräftig stärken, bevor es weiter nach oben geht. Im Angebot ist jetzt zusätzlich noch Bouillon.
Bis zum höchsten Punkt unseres Kurses, dem Bistinenpass auf über 2.400 m, liegen noch 6 km und über 600 Hm. Der Weg hinauf führt in einem weiten Bogen oberhalb des Simplon-Plateaus an den Flanken des Tochuhorn und Magehorn entlang. Nicht übermäßig steil, aber in der steinigen Hanglage sollte man schon Vorsicht walten lassen. Je höher wir kommen, umso beeindruckender wird die Aussicht. Nach oben präsentieren sich die Berggipfel des Monte Leone, Wasenhorn und Fletschhorn, unter uns schlängeln sich die Serpentinen des Simplon über die Passhöhe.
Einige alpine und daher nur vorsichtig passierbare Abschnitte beeinträchtigen das Vorwärtskommen doch spürbar. In einer Senke kann ich mich nur mehr an den zahlreichen Fähnchen orientieren, der vor mir liegende Wiesentrail ist als solcher kaum mehr erkennbar. Er führt durch eine fast unberührte Graslandschaft. Nur das von den Vorläufern niedergedrückte Gras gibt ihn noch als unsere Laufstrecke zu erkennen. Aber die Route ist vorbildlich ausgeschildert und Verlaufen eigentlich unmöglich.
Kurz unterhalb des höchsten Punktes wird es nochmal richtig steil, in der Mittagshitze nicht unbedingt ein Vergnügen. Ich bin froh noch zusätzlich meinen Trinkrucksack aufgefüllt zu haben.
Recht unspektakulär präsentiert sich der Übergang am Bistinenpass, nur eine Steinpyramide deutet auf einen besonderen Punkt hin. Eine Labestation versorgt uns mit allem, was benötigt wird.
Fast in einem Rutsch geht es durch das unbewohnte Nanztal hinunter ins erste Etappenziel. Dabei sind beim Downhill über 17 km etwa 1.900 negative Höhenmeter durchzustehen. Besonders ruppig und steil sind die ersten 5 km. Meine Oberschenkel kommen mächtig ins kochen. Im Tal steht die Luft, kaum ein Lüftchen regt sich und von oben brennt die Sonne unbarmherzig auf die Birne. Erst ab VP Nidistri Alp nimmt das Gefälle spürbar ab. Zwischendrin gibt es jetzt auch mal einige flache Abschnitte.
Wohltuend sind die vielen Rinnsale, die über unsere Piste laufen und an denen man sich eiskaltes Wasser über den Kopf laufen lassen oder die Mütze in das erfrischende Nass tauchen kann. Unter zwei Wasserfällen lasse ich mir eine eiskalte Kopfmassage verpassen. Sehr wohltuend. Aber lange hält das nicht an, das Wasser verdampft viel zu schnell.
Bis km 37 geht es meist in bewaldeten Abschnitten mit moderatem Gefälle auf breiten Waldwegen abwärts. Ein Singletrail durch den Wald trägt deutlich zur Verschärfung bei, die Oberschenkel bekommen noch einmal unerwartet mehr Arbeit. Dazu gesellen sich noch einige rustikale und steile Gegenanstiege.
Einer der Höhepunkte des 1. Tages und ein besonderes Schmankerl beim Gondo Event ist die Durchquerung der Saltina. Ja, schon richtig gelesen: Durchquerung - auch wenn mittlerweile die Brücke über den Gebirgsbach wieder aufgebaut ist. Enorme Regenfälle ließen im Oktober 2000 die Saltina derart anschwellen und so reißend werden, dass sie auch vor der Brücke keinen Halt machte und sie komplett zerschmetterte. In Gedenken daran müssen die Teilnehmer, von der ansässigen Feuerwehr gesichert, direkt durch den Gebirgsbach. Ich bin richtig enttäuscht, als man mir mitteilt, dass dies heute zu gefährlich ist, da die Strömung zu stark ist. Dabei hatte ich mich doch schon so auf spektakuläre Bilder mit meiner wasserdichten Kamera gefreut und zudem auf die Erfrischung in den kühlen Fluten.
So erreiche ich, leider, trockenen Fußes über die Brücke die andere Seite. Zur Enttäuschung gesellt sich noch Entsetzen ob des pickelharten Schlussabschnitts. In der glühenden Sonne geht es steil nach oben. Es sind zwar nicht einmal 100 Höhenmeter auf etwa 1,5 km verteilt, die aber haben es noch einmal nachhaltig in sich. Die letzten 1.500 Meter werden auf Schildern in 500er Schritten angezeigt. Vor der Schule in Ried-Brig ist der Zieleinlauf. Die Strecke und die Hitze des Nachmittags zeigen ihre Wirkung. Ich bin erst mal richtig groggy und muss raus aus der Sauna in den Schatten.
Den bietet uns der direkt neben dem Ziel gelegene Zivilschutzbunker unter dem Schulhaus. Momentan kann ich mir nicht vorstellen, am morgigen Tag dasselbe zu wiederholen. Zwei große Schlafräume stehen in der Zivilschutzanlage zur Verfügung, ähnlich ausgestattet wie schon das Schulhaus in Gondo. Auch hier steht reichlich Platz zum Ausbreiten der Ausrüstung zur Verfügung. Die nassen Sachen können im Waschraum aufgehängt werden und eine Steckdose findet sich auch. So können mit mir auch die Akkus wieder regenerieren. An das Getöse der Lüftungsanlage muss man sich erst gewöhnen. Die Wiederholungstäter kennen sich hier schon aus, viele sind mit Sack und Pack in die überirdische Turnhalle der Schule gezogen, eine sogar ins Freie direkt vor dem Eingang. Nach einer Dusche und Erholungspause bin ich wieder fit und die Lebensgeister kommen zurück.
Die angesagten Gewitter treffen passend ein, nämlich geraume Zeit nachdem der Letzte das Zielbanner passiert hat. Ab 17:15 Uhr kann im Schulhaus das Abendessen eingenommen werden. Nicht einfach nur Nullachtfuffzehn, sondern zubereitet von einer ortsansässigen Metzgerei gibt es zu den Maccaronis noch mehrere Scheiben Fleisch, dazu Salatteller, Brot und Früchtejoghurt.
Wohin mit der überschüssigen Zeit, wird sich manch einer am noch frühen Abend fragen. Da könnte ich zwei Empfehlungen geben. Zuerst jene, die auch Joe abgeben würde. Nur ein paar Meter weiter um die Ecke gibt es eine kleine Kneipe mit Tischen im Freien. Hier kann man ein oder auch zwei Bierchen zwitschern. Steht bei Jan und mir natürlich auf dem Programm.
Einen kulturellen Tipp hätte ich aber auch noch, verbunden mit einem Spaziergang durch Ried-Brig. Eine Besichtigung von sehenswerten Walserhäuser aus dem 16. Jahrhundert beginnt schon direkt an der Schule. Wer auf dem letzten Kilometer zum heutigen Zieleinlauf noch in der Lage war, einen Blick auf die Bauweise zu werfen, wird da vielleicht schon neugierig geworden sein. Besonders die uralten Speicher mit den sogenannten Mäuseteller sind eine Augenweide. Um Ratten und Mäuse daran zu hindern, an das zum Trocknen gelagerte Fleisch zu kommen, wurde an den senkrechten Pfosten eine waagerechte Steinplatte aus Schiefer oder Granit eingebaut. Ihre Flächen waren so glatt behauen, dass sich Mäuse und Ratten an ihrer Unterseite nicht festklammern konnten. Diese Steinplatten sind heute eines der Wahrzeichen der alpinen Baukultur des Wallis. Besonderes Merkmal ist auch das Lerchenholz der Bauten. Die unbehandelten hellen Balken färben sich unter der Sonne und sind mittlerweile schwarz. Ich streune etwas umher, entdecke auch alte Hornschlitten, wirklich höchst interessant.