Vom Verkehr auf dem Simplon konnten wir schon am ersten Tag geruchsmäßig etwas aufschnappen. Geräuschmäßig lässt der Simplonverkehr auch von sich hören.
Wir sind aber zum Laufen hier und meiden das Asphaltband des Simplon. Kurz vor dem wuchtigen Steinadler von Erwin Friedrich Baumann auf der 2005m hohen Passhöhe ist bei KM 19 eine weitere Verpflegung. Mein Standardprogramm ist auch hier Gel und Cola.
Unterhalb des unübersehbaren Adlers laufen wir zum rosafarbenen Kiosk, wo wir auf den Aufstiegsroute des ersten Tages treffen, welche wir nun abwärts unter die Füße nehmen. Am Kiosk ist ein kleiner See mit Fontäne - was für eine Idylle.
Wir laufen über ehemals vergletschertes Terrain. Deutlich sieht man auf den Felsen die Spuren des Eises, den sogenannten Gletscherschliff. Der Geograph in mir hat seine Freude. Der Läufer auch. Geht es mir doch richtig gut. Ich bin in den Lauf hinein gekommen und kann jeden Meter und jede Minute genießen. Dass wir nun bis Gabi den Aufstieg von gestern abwärts bewältigen, lässt mich fast frohlocken, hab ich diesen Streckenteil doch noch in bester Erinnerung.
Aber es tut sich was wettermäßig. Schon beim Aufstieg zum Simplon waren zunehmend Wolken zu sehen. Zwar liegt der Pass noch in der Sonne und auch das sehenswerte Spittel des Kaufmanns Stockalper wenig später können wir noch trocken passieren, wie auch die Häuser von Gampisch und die an der Straße stehenden Briefkästen des Weilers. Nach Nideralp fallen jedoch die ersten Tropfen und es donnert.
An der Verpflegung in Engiloch bei KM 23 gießt es von oben und die Strecke hinunter nach Simplon-Dorf wird nass, richtig nass. Auch ohne Saltina-Durchquerung gibt es nasse Füße. Das ist zwar nicht schön, trocken wäre besser, aber ungefährlich. Das an den Bergen hängende Gewitter ist jedoch gefährlich. Der Donner kommt aus verschiedenen Richtungen, mal von links, mal von rechts, von vorn, von hinten. Mir fällt Daniels Anmerkung zum Abbruch vor einigen Jahren ein. Sollte ähnliches heuer wieder erfolgen?
In Simplon-Dorf frage ich an der Verpflegung bei KM 28 nach einem Abbruch. Ach was, keine Sorge. Nichts Derartiges ist von der Rennleitung mitgeteilt worden. Im Dorf hätte ich mich um ein Haar verlaufen. Zu schön sind die alten Häuser in dem schon fast italienisch anmutenden Dorf und hätten mich nicht aufmerksame Bewohner auf den rechten Weg geführt wäre es passiert.
Eine Anmerkung an dieser Stelle zur Streckenmarkierung. Sie ist wirklich gut, wo nötig gibt es blaue Punkte und Pfeile oder Bänder. Die KM sind hingegen nicht durchgehend ausgeschildert. Es ist eben ein Berglauf.
Wir verlieren bis Gabi ab dem Simplon gut 700m an Höhe. Es ist aber sehr abwechslungsreich und richtig spaßig. Der erste Tag war weniger abwechselnd was das Auf und Ab anbetrifft. In dieser Hinsicht sagt mir der heutige zweite Tag mehr zu.
Dem Abstieg vom Simplon folgt ein letzter großer Aufstieg. Es geht nach der Verpflegung an der Laggina beim KM 30 auf über 1800m hinauf nach Furggu. Jetzt heißt es beißen und kämpfen. Gottlob hat sich das Gewitter verzogen und es regnet nicht mehr.
Ein Hinweisschild macht mich fast Bange: Furggu 1.55 und Gondo 4.15 Stunden. Sollte das auch für mich gelten? Nein beschließe ich, Wanderzeiten sind keine Läuferzeiten! Ich nehme den Aufstieg in Angriff, denke an den Madeira Island Trail und steige bergan. Seit geraumer Zeit laufe ich allein. Selten sehe ich in einiger Entfernung vor oder hinter mir einen Läufer als Farbtupfer im Grau der Wolken und des Nebels.
Egal, ich kämpfe mich hoch. Belohnt werde ich auf Furggu von einer Verpflegung. Gel und Bouillon, der nun für mich die Cola als Getränk ablöst, lassen mich die letzten 9 KM froh gelaunt in Angriff nehmen.
Der Abstieg hat es jedoch in sich. Er ist hart, aber wunderschön. Ständig wechseln die Umgebung und der Untergrund. Einfach herrlich zu laufen. Immer wieder sind auch längere Passagen nahezu höhenparallel zu laufen, auch einige kleinere Gegensteigungen gibt es.
Vorbei an der Brukapelle (1591m) ist unterhalb ein See (1278m) zu sehen. Jetzt müsste doch bald Gondo kommen? Haste gedacht, erst kommt KM 38 und der Abstieg zieht sich dahin. Das Ziel in Gondo liegt unterhalb von 850m und da will noch so mancher Höhenmeter vernichtet werden.
Aber es geht dem Ziel entgegen. Ich bin nur froh, dass ich den Abstieg von Furggu nicht im Regen bewältigen muss. Der Untergrund ist erstaunlich gut. Offensichtlich hat es auf dieser Seite des Berges nicht so geregnet wie auf der dem Simplon zugewandten Seite.
Endlich kommt das Schild 1500, dann weist 1000 auf den letzten Kilometer hin. Bis auf die letzten 100m setzt sich der Abstieg fort. Dann kommt der Zielbereich in den Blick und ich laufe in ähnlicher Zeit wie gestern ein. Geschafft, der erste Doppeldecker steht!
Zweimal knapp über 7 Stunden, ich bin zufrieden. Im Ziel treffe ich Frank, der zweimal um die 6.20 Stunden gelaufen ist, Respekt. Er hat einen richtig guten Doppelmarathon gemacht. Wird Zeit, dass er mal einen echten Ultra läuft und im Winter einige Dominos weniger futtert.
Daniel ist natürlich auch schon längst im Ziel und so können wir die gelungene Veranstaltung in Ruhe ausklingen lassen.
Als ich nach der Dusche ins Festzelt komme, beginnt der große Regen. Spontan wird die Siegerehrung vom Freien ins Zelt verlegt. Unter dem Getöse von Kuhglocken werden die Sieger geehrt. Gewonnen haben Anita Lehmann und Max Frei in sagenhaften 9.50 bzw. 8.07 Stunden. Bei der Strecke eine unglaubliche Leistung.
Aber hier und heute darf sich jeder glücklich ins Ziel gekommene als Sieger fühlen. Und daher kriegt auch jeder einen Laib Käse aus der Käserei in Simplon-Dorf. Damit hat man schon das zweite lokale Mitbringsel. Im Starterbeutel gab es nämlich schon Birnschnitz-Brot der Bäckerei Arnold aus Simplon-Dorf. Lecker, diese lokalen Spezialitäten.
Ach ja: Der Stockalperturm in Gondo wurde auch von Kaspar Jodok von Stockalper errichtet und diente als Lagerhaus. Wie sich die Zeiten ändern. Vom Lagerhaus zum Lager für Läufer.
Fazit: Bestens organisierter Doppel-Marathon der Kategorie erste Sahne. Erfahrenen Bergläufern zur Nachahmung/Wiederholung empfohlen. Geeignet zur Erschließung neuer läuferischer Horizonte.
Danke für die gelungene Organisation eines perfekten Laufwochenendes. Besonders erwähnen möchte ich die Freundlichkeit und Aufmerksamkeit aller Helfer. Mir persönlich hat es das Massageteam angetan. Sie haben mich beim Zwischenstopp in Brig-Ried wieder auf die Beine gestellt und meinen lädierten Rücken wieder fachkundig lauffähig gemacht.
Sieger
Männer
1. Max Frei, Freiburg (D) 8:07:15 Std.
2. Jörg Peter, Affoltern (CH) 8:37:07 Std.
3. Werner Jordan, Glis (CH) 8:49:35 Std.
Frauen
1. Anita Lehmann, Langnau (CH) 9:50:13 Std.
2. Helen Robatel, Ittigen (CH) 11:13:11 Std.
3. Brigitte Heinzmann, St. Niklaus (CH) 11:22:54 Std.