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Vereinzelt treffen wir auf Teilnehmer des Gondo Running, dem Wettkampf über 28 Kilometer auf dem Stockalperweg von Ried-Brig über den Simplon und durch die Gondoschlucht zu unserem gestrigen Ausgangspunkt. Vorbeikommen ist ohne Schwierigkeit möglich, es geht entspannt und fair zu und her.

Auf dem Pass erwarten uns einige Zuschauer und die mittlerweile fünfte Verpflegungsstelle. Sicher ist es die für mich optimale Zusammensetzung des Verpflegungsangebots, die mir bei der Umsetzung meines Vorhabens hilft. Ich möchte mich heute mehr fordern als gestern, denn das Streckenprofil am zweiten Tag entspricht meinen Vorlieben voll und ganz. Ich versuche deshalb meinen Halt möglichst effizient zu gestalten und ziehe nach kurzer Zeit weiter.

 

Simplon bis Gabi

 

Auf dem Hügel rechts oben ist eines der Wahrzeichen des Simplon, welches ich mit der Kamera noch einfangen will, der neun Meter hohe Adler aus Granitblöcken, die beim Ausbau der militärischen Anlagen angefallen sind. Erbaut wurde er während des Zweiten Weltkriegs von den dienstleistenden Soldaten – in ihrer Freizeit nota bene und finanziert durch den Abzug eines Tagessoldes.

Wenig später mündet die Strecke auf den Abschnitt, der von gestern bekannt ist. Abgesehen von Ansichten aus der Gegenseite, habe ich die typischen Motive im Kasten, ich kann mich also ganz aufs Laufen konzentrieren. Heute sind bis Simplon Dorf sogar zwei Verpflegungsstellen eingerichtet, der einzige Grund, den Schwung kurz zu unterbrechen. Ein paar Regentropfen sorgen für zusätzliche Erfrischung, bis zur Dorfstraße ist aber auch diese Wolke bereits weggeschoben. 

Dass wir den Dorfplatz nicht zu Gesicht bekommen, bedaure ich, obwohl ich so oder so heute auf einen Besuch im „Alten Gasthof“ verzichte. Es gibt dort diesen Sommer eine interessante kleine Ausstellung über den Peruaner Geo Chavez, der vor hundert Jahren zu tragischem Ruhm kam. Er startete wie wir in Ried-Brig, er allerdings mit einem Flugzeug, dafür war seine zu bewältigende Strecke länger. Statt in Gondo endete seine Reise in Domodossola, doch konnte er dort den ihm nun zustehenden Titel des ersten Alpenüberfliegers nicht mehr feiern, weil er bei der Landung abstürzte.

Ich fühle mich heute auch beflügelt, doch empfiehlt es sich, dosiert zu laufen, will ich doch auch heute eine saubere Landung hinlegen. Zwar geht es bis Gabi weiter bergab, dort gibt es nach der Verpflegung aber wenig Schonung, denn der Anstieg aufs Furggu beginnt unmittelbar danach.

 

Gabi bis Furggu

 

Der Schweiß rinnt mir nur so über das Gesicht und tropft mir stetig von der Nase. Die Steigung ist brutal und es ist ein hartes Stück Arbeit, diese 600 Höhenmeter zu erklimmen. Als Leiden oder Qual empfinde ich es dennoch nicht. Im Gegenteil, es gibt mir ein gutes Gefühl, besonders beim Eintreffen am höchsten Punkt, wo ich von freundlichen Helfern verpflegt werde und immer noch genügend Energie und Elan für die abschließenden neun Kilometer  verspüre.

 

Furggu - Zwischenbergen-Gondo

 

Diese führen auf unzähligen Serpentinen ins Zwischbergental. Damit die Distanz zusammenkommt, wird talaufwärts ausgeholt, wobei verschiedentlich ruppige Gegensteigungen einen Kontrast zum steten Abwärts bieten. Schönstes Trailrunning wird in diesem stillen Tal geboten. Schade, dass die optische Idylle durch verschiedene Stromleitungen etwas gestört wird. Wenn mir aber eines der Chalets in dieser Gegend angeboten würde, wäre dies kein Grund zur Absage. Während ich mich umsehe, wo ich Bilder machen könnte, welche die Charakteristik dieses Abschnitts gut ausdrücken, kreisen meine Gedanken plötzlich um eine Diskussion über den Unterschied der englischen Begriffe „scanning“ und „skimming“. Welcher Begriff bezeichnet mein Absuchen der Landschaft nach einem Motiv genauer? Ich sage mir, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn ich am zweiten Marathon an zwei Tagen auf den letzten Kilometern noch zu solchen Gedanken fähig bin. Es soll ja Eliteläufer geben, die kurz vor dem Ziel nicht einmal mehr wissen, wie sie heißen.