Gemeinsam ist die erste Verpflegung nach elf Kilometern erreicht und schon wird der Inselcharakter sichtbar. Jetzt sind wir im Süden der Insel, dem Dorf Sannat. Dieser Ort ist bekannt für seine prähistorischen Karren- oder Schleifspuren, Tempel und Dolmen. Weiter geht’s über steinigen Untergrund. Sowohl die Nationalpflanze Maltas „Cheirolophus crassifolius“ als auch die wohl seltenste Pflanze Europas, das strauchige Leimkraut „Silene fruticosa“ sind hier zu finden - würde ich sie kennen. Was ich sehe, sind die Feigenkakteen.
Schwindelfrei sollte man schon sein, wenn man sich traut, an den Ta´Cenc-Cliffs, den höchsten und steil ins Meer abfallenden Klippen Gozos, nach unten zu schauen. Das Panorama ist beeindruckend und ich kann mich ihm kaum entziehen. Für den Tourismus wird gerade eine neue Straße entlang zu den Klippen gebaut. Des einen Freud, des andren Leid.
Halsbrecherisch geht es wieder abwärts. Dann öffnet sich der Blick schon auf Kantra Valley. Wir überqueren diese tiefe Schlucht, die einst ein Flussbett und der Ort einst Fischereihafen war. Steil geht es aufwärts und unten sehen wir, eingebettet von steilen Klippen, den Ort Xlendi. An den Stränden überwiegt zu dieser Jahreszeit die Ruhe. Das Leben spielt sich unter Wasser ab. Eine in den Stein betonierte Leiter führt die Taucher hinab aus dem Trockenen hinein ins tiefe kristallklare Nass.
Was für Taucher das Wracktauchen ist, ist für Läufer ein anständiger Trail. Und so tauchen die beleibten Herren in ihren hautengen schwarzen Neos ab. Wir steigen indes immer weiter auf. Hinter dem Ort an der Xlendi Bay führen Steintreppen, die eher Klettersteige als Stufen sind, aufwärts. Die Sonne sticht vom Himmel, die Steine glühen vor Hitze. Noch mehr steile Stufen. Plötzlich ragt schroffer, nackter Fels hervor. Wie die zahlreichen Geckos der Insel, kleben wir senkrecht am Fels. Immer wieder zeigt sich wie wichtig gute Profilsohlen sind. Ich suche Halt und greife dabei in die Dornen. Eine Schmerzwelle durchläuft jeden Finger. Auch Michele schaut gequält. "Fuck it, Ruben“. Das ist Anthony‘s letztes Wort für die kommende Stunde und damit war der Streckenchef gemeint. Oben angelangt, sehe ich ihn aber schon wieder lächeln, denn wir haben uns gerade einen der besten Aussichtspunkte auf Xlendi erarbeitet.
Wir sind an der Westküste. Ich verfange mich mit dem Profil meiner Trailschuhe im feinmaschigen Netz, welches zum Vogelfang ausgelegt ist. Beim Trailrunning lernst du, die Füße zu heben. Nach einem Marsch über das Plateau sind wir an der nächsten Sehenswürdigkeit Gozo‘s angekommen. Es ist ein 65 Meter hoher Kalksteinblock, auch „Fungus Rock“ genannt. Der nur dort vorkommende Malteserschwamm brachte dem Malteserordnen viel Geld. Denn der Pflanze wurde nicht nur blutstillende Wirkung zuschrieben, sondern auch als Aphrodisiakum genutzt. Dass die Pflanze jedoch keinerlei medizinische Wirkung hatte, bemerkte man erst später.
Mit dem Wind im Rücken läuft es sich leicht weiter und ich fühle mich so gut, ich könnte Bäume ausreißen, gäbe es hier denn welche.
Noch ganz klein, aber sehr markant, erkenne ich in der Ferne das berühmte „Azure Window“. Schritt für Schritt wird das blaue Fenster größer. Dabei nähern wir uns aber auch den Parkplatz-Schlachtfeldern. Zwischen Meile 13 und 14 sind wir an der Dwejra Bay und direkt am Dwejra Tower ist der zweite Verpflegungspunkt erreicht.
Einen Moment unachtsam und wir sind wieder vom Weg abgekommen. Aber, welch ungeahntes Glück, wir stehen direkt vor dem Azure Window. Einen wunderschönen Rahmen bildet die 30 Meter hohe Felsformation für das wie bemalte azurblaue Meer
Nach einem erneut steilen Aufstieg zieht der Wind plötzlich so heftig von vorne, als hätte jemand das Blaue Fenster zu weit geöffnet. Der Trail wird kahler. Wieder fühlen wir uns wie Pfadfinder. Es macht Spaß, den auf Stein gemalten roten Pfeile beziehungsweise roten Punkte zu folgen. Manchmal ist aber auch ein rotweißes Band an einem Stamm wilden Blumenkohls oder um einen Stein geknotet. Nein wirklich, die Strecke ist vorbildlich markiert. Aber einige „Spaßvögel“ hatten wohl sehr viel Freude daran, an manchen Stellen die Flatterbandmarkierung zu entfernen. Und der immer wieder einsetzende starke Wind lässt eine Markierung auch schon mal in eine ganz andere Richtung fliegen. An uns rasen Hellfire Ultra-Mountainbiker vorbei.