Trailrunning ist in. Raus aus der Stadt, hinein in die Natur, weg vom Asphalt, stattdessen über Stock und Stein. Ohne Hektik, ohne Klaumauk und jenseits des Bestzeitenwahn, dafür Ruhe, Landschaftsgenuss und Selbstbesinnung. Auf den Trails bekommt Laufen eine ganz neue Qualität.
So mancher Trail wie der Jungfrau Marathon hat es gar zu internationaler Berühmtheit gebracht, wobei der Rummel bei den großen Berg- und Landschaftsläufen dem Naturpuristen eher ein Graus ist. Wer so gepolt ist, der sollte seinen Blick zu unserem westlichen Nachbarn wenden. Nach Frankreich? Nur wenigen hierzulande dürfte bewusst sein: Nirgendwo sonst in Europa ist das Angebot an Trailläufen so groß und vielfältig wie hier. Bekannt ist bei uns aber kaum einer.
Dabei muss man gar nicht weit über die Grenze blicken, um wahre Trail-"Perlen" zu entdecken. Neugierig? Dann begleitet mich einfach lesend ein Stück des Weges.
Thermalquellen sind es, für die das elsässische Vogesenstädtchen Niederbronn-les-Bains vor allem bekannt ist. Und für das Spielcasino, wobei gerade die Kombination aus beidem für so manchen erst den besonderen Reiz ausmachen dürfte. Die Namen der Quellen - "Römerquelle" (warm, bei Rheumabeschwerden) und "Keltenquelle" (kalt, bei Übergewicht und Nierenproblemen) - deuten schon an, dass die Historie des Ortes weit in die Vergangenheit reicht.
Einmal im Jahr, Mitte April, ist Niederbronn-les-Bains allerdings Treffpunkt einer ganz anderen Spezies von Menschen. Von Menschen, die tendenziell weniger Linderung ihrer Zipperlein suchen und eher der Lauf- als der Spiellust verfallen sind. Denn Niederbronn-les-Bains hat sich dank seiner landschaftlich überaus reizvollen Umgebung, von der UNESCO als Biosphärenreservat geadelt, zu einem Mekka der Landschafts- und Trailläufer etabliert. Die angebotenen Laufdistanzen reichen von 10,6 km ("La Vosgigazelle") bis mittlerweile 73 + 25 km ("Le Challenge des Seigneurs"). Ich habe mich für den "Klassiker", den Grand Défi des Vosges über 53 km mit +/- 1.850 HM entschieden, der 2013 mit der 15. Austragung ein kleines Jubiläum begeht. Die Höhenmeter zeigen: Auch wenn keine Bergriesen angesagt sind, so erwartet uns mit stark profiliertem Gelände, fast ausschließlich auf Naturwegen, alles andere als läuferische Normalkost. Die leichten Asphalttreter sollte man also im Schrank lassen und den Trailschuhen Auslauf verschaffen.
Und auch darauf sollte man sich einstellen: All-Inclusive-Versorgung ist hier nicht angesagt. Lediglich an drei Punkten unterwegs (km 18, 36, 45) und im Ziel wird Verpflegung geboten. Ansonsten muss man sich sein Picknick selbst organisieren, wobei die Mitnahme von mindestens einem Liter an Flüssigem obligatorisch ist. Ebenso eines aufgeladenen Handys mit der eingespeicherten Nummer des Rennleiters.
Treffpunkt der Läufer am frühen Sonntagmorgen ist die Sporthalle am Ortsrand von Niederbronn. Sie ist das logistische Herz der Veranstaltung: Hier werden die Startunterlagen ausgegeben, hier sind Umkleide und Gepäckabgabe, hier gibt es reichlich zu essen und zu trinken und auch so etwas wie eine (Mini)Laufmesse. Vor allem findet man hier ein geschütztes warmes Plätzlein vor dem Start. Wirklich kalt ist es draußen zwar nicht, so recht gemütlich aber auch nicht. Sonne und (endlich) ein massiver Frühlingsausbruch mit Temperaturen in den 20ern sind vorhergesagt – im Moment schieben aber noch düstere Wolken über den Himmel.
Erst kurz vor acht Uhr leert sich die Halle. Wir pilgern zum Startpunkt vor dem Paul-Weber-Stadion, gleich neben der Sporthalle gelegen. Vor der Tribüne versammelt werden wir von Rennleiter Didier Amet über die Strecke und ihre Besonderheiten instruiert. Wir, das sind in diesem Jahr knapp 200 Läufer/innen. In früheren Jahren lag deren Zahl noch deutlich jenseits der 200, aber der im letzten Jahr eingeführte Défi des Seigneurs ("Lauf der Ritter") über 73 km hat dem 54er doch einige Teilnehmer abspenstig gemacht und ihn teilnehmerzahlmäßig gar überrundet.
Mitorganisator Luc Kautzmann fasst die wesentlichen Ansagen auch noch einmal in deutsch für die knapp 20 % aus deutschen Landen Stammenden zusammen: Stets den gelben und orangen Pfeilen müssen wir folgen, Sägemehlstreifen am Boden dürfen wir keinesfalls überqueren. Ganz lakonisch nebenbei merkt er noch an, dass wir heute 1,5 km mehr laufen dürfen – wegen querliegender Bäume. Aber das entlockt den Wartenden allenfalls ein Grinsen.
Dann geht alles ganz schnell. Die Läufer stehen eigentlich noch ganz locker herum, da wird schon das Startband weggezogen und ein Schuss ertönt. Aber was soll's – dann laufen wir einfach mal los.