Sonnabend, den 23.10. 7.01 Uhr nach 103 km und 6450 HM
Bin also jetzt im dritten Talkessel, dort wohin keine Straßen führen, nur Bergpfade. Landschaft wild zerklüftet. Genieße das Panorama früh am Morgen. Esse Nudelsuppe, Weißbrot, Bananen, Salz. Fülle Trinkblase auf. Es gibt auch wieder Kaffee. Herrlich. Will mich eigentlich nicht setzen. Sehe aber, dass rechts eine junge Masseurin frei ist. Gehe hin. Lasse mir nur die Kniebereiche massieren. Das tut gut. Auch das Sitzen. Ziehe alle warmen Sachen aus. Entsorge mein altes Flieshemd bei einem Helfer. Bin überrascht, dass viele hier etwas deutsch können. Fotografiere.
Nach 20 min dann weiter. Anfangs guter Weg. Gärten, Stufen, kleine Absätze. Nur 3 km zur nächsten Station. Die haben es dann in sich. Steil runter, über Fluss turnen, nun steil hoch, dann wieder steil runter, sehe drüben am Hang oben bunte Punkte, dort also geht der Pfad lang, aber jetzt erst noch einmal auf Steinen übers Wasser. Atemberaubende Landschaft. Felsen, Schluchten- bizarr. Wenig Vegetation. Sonne steigt höher, beginnt zu brennen. Scharfkantige Lavabrocken. Steige hoch. Nicht weit. Nun auf glatt geschliffenen Felsplatten, aber aufpassen, tiefe Spalten. Sonne beginnt zu brennen. Sehe endlich das nächste Lager direkt am Fluss.
Sonnabend, den 23.10. 8.40 Uhr nach 106 km und 6500 HM
Kleine Versorgungsstation, alles Zelte. Habe noch keinen Hunger, nehme nur Bananenstücke, Schokolade und Salz. Wasser in Trinkblase. Dann gleich weiter. Wieder Fluss überqueren, ist hier sehr breit, aber flach. Zur Orientierung ist Stahlseil gespannt. Komme gut rüber. Muss wieder austreten, doch wohin? Kommende Strecke sieht ziemlich unbewachsen aus. Am Ufer auch nicht viel besser. Gehe weit am Ufer entlang, suche Büsche als Sichtschutz. Alles sumpfig, muss ganz schön springen. O.K.- hier geht es.
Dann endlich weiter, habe bestimmt 20 min verloren. Bin wieder auf der Strecke. Bergauf am Wiesenhang mit Riesengeröll. Viel Wasser läuft den Weg runter. Schwierig, trockene Stellen oder Steine zu finden. Anstrengend. Sonne brennt von hinten mit voller Kraft. Schwitze. Hole Mütze mit Nackenschutz raus. Hilft. Trinke viel. Wenig Vegetation. Am Steilhang entlang. Tiefe Schluchten. Sauge die Landschaft in mich ein. Aber aufpassen. Strecke ist gefährlich. Nicht stolpern. Ständiges auf und ab. Wird immer heißer. Teilweise so hohe Stufen, dass man Hände zum Hochziehen braucht. Die Steine sind richtig heiß. Hitze auch von unten, strahlt wie aus dem Backofen, denke ich. Trinke viel. Bin froh über Mütze mit Nackenschutz. Schon mehrmals überholten mich 3 Schwarze, unangenehm laut palavernd. Auch jetzt wieder. Später sehe ich sie dann immer am Rande sitzen und weiter palavern. So geht es mehrere Male.
Ich laufe immer konstant durch bis in die Verpflegungspunkte. Der nächste müsste eigentlich bald kommen. Hole Spickzettel raus- alle Stationen- Kilometer und Höhenmeter. Am ersten Tag hatte ich noch alles im Kopf. Jetzt gleißende Hitze, staubtrocken. Lebe nur noch von Station bis Station. Sehe drüben am Hang ein paar Häuser, das wird es, muss es sein. Doch erst noch beschwerlich bergab. Links am Hang Felder mit komischen Pflanzen, duftet stark nach Parfüm. Muss von den Pflanzen kommen. Immer noch bergab. Warum muss es bloß immer so weit runter gehen? Heiß und staubig. Mechanisch Schritt für Schritt. Immer weiter. Nun noch hinauf zu den Häusern. Ein Zaun mit Tor, ein gaststättenartiges Gebäude mit großer Freitreppe und Tischen und Bänken. Bin in Roches Plates. Hitze ohne Ende.
Sonnabend, den 23.10. 10.40 Uhr nach 111 km und 6850 HM
Verpflegungspunkt erreicht. Überall liegen und sitzen Läufer. Esse Nudeln, Weißbrot, Bananen, Salz. Trinke Cola und Wasser. Fülle Trinkblase auf, war fast leer. Setze mich auf einen Stuhl im Schatten. Beine ausstrecken, das tut gut. Trotzdem große Schmerzen in gesamten Beinen, auch in den Schultern. Bin trotzdem guter Dinge.
Nach 20 min weiter, steige über ausgestreckte Läufer zum Ausgang. Pfad geht zunächst weiter bergauf, aber gut zu laufen. Doch viel zu heiß. Jetzt durch lichten Wald um Hang herum nach oben. Wieder fantastische Ausblicke. Oben Aussichtsplattform, viele Wanderer, wieder viel Beifall und Aufmunterung. Aussicht wirklich herrlich. Aber diese Hitze. Trinke. Nun hinunter. Endlich mal richtige Betonstufen, komme gut vorwärts. Doch nicht lange, jetzt kommen wieder riesige unförmige Steine, wild übereinander getürmt, wie den Abhang runter geschüttet. Schwer. Geht nur langsam. Endlich unten. Ein Fluss. Schmaler bequemer Weg, durch schönen Wald bergauf, dann wieder zum Fluss hinunter, nun an senkrechter Felswand direkt am Fluss entlang, wild romantisch, wie Partnachklamm oder so. Wasser kristallklar. Verlangen hinein zusteigen, Hitze in der Schlucht erträglich. Pfad führt aber wieder hoch, Stufen.
Bin wieder in der prallen Sonne. Sehe Häuser. Schon die nächste Station erreicht? Komme auf kleine Hochebene, Gras Bäume, einzelne Häuser. Pfad ist zentimeterdick voll rotbraunem Staub, jeder Schritt stiebt. Ich jogge. Landschaft ist wunderbar, bin auf Hochplateau, ringsum nur steile Abbrüche. Tatsächlich, bin am nächsten Verpflegungspunkt.
Sonnabend, den 23.10. 12.35 Uhr nach 116 km und 7135 HM
Die Stelle heißt Insel der Orangen, wirklich wie Insel, nur ohne Wasser drum. Ringsum Steilabbrüche. Super Verpflegungspunkt, Esse Nudeln, Pastetenbrote, Schokolade, Kuchen, Salz. Trinke Wasser, Cola, Kaffee, fülle Trinkblase auf, war wieder fast leer. Lasse mich fotografieren, wieder spricht einer etwas deutsch. Jetzt kommt Diddi an. Ist schneller unterwegs, fühlt sich gut und will sofort weiter. Ich laufe mit ihm.
Unregelmäßige Stufen führen bergab, geht ganz gut. Verspüre wieder ein menschliches Verlangen. Oben am Verpflegungspunkt waren zwei TOI- Häuschen. Also ca. 1 km zurück, die Stufen wieder hoch. Viele geben Zeichen - falsche Richtung, ja, ja ich weiß, nicke nur. Wieder halbe Stunde verloren, fühle mich aber gut, bin froh, keine Magenprobleme zu haben.
Wieder auf der Strecke, die Stufen immer weiter runter. Unten erneut am Fluss entlang, etwas kühler. Schmale Brücke, ein Haus. Jetzt an Schluchtwand schräg hoch. Sehr ausgesetzt, bin vorsichtig, kein Geländer. Oben Gärten und kleine Felder. Wasser spritzt aus Bewässerungsschläuchen in kleinen Fontänen, halte Kopf rein. Ahh- herrlich. Auf Holperweg wieder runter, begegne größerer Wandergruppe. Höre, es sind Deutsche, gebe mich als Landsmann zu erkennen, großes Hallo auf beiden Seiten. Gibt neue Kraft, Schmerzen sind kurz vergessen. Weiter.
Auf Hängebrücke über sehr, sehr tiefe Schlucht. Bin nicht müde, was mich wundert. Dann bergauf, komme gut voran, lasse viele stehen. Wieder Hängebrücke, ziemlich verrostet. Denke jetzt: Aha, da muss ich im Wettkampf also drüber. Quatsch, Blödsinn: Ich bin doch jetzt im Wettkampf. Ich merke, dass Wahrnehmungen doch schon etwas durcheinander geraten sind.
Jetzt langen steilen Berg hoch, schwitze, trinke, steige. Manche hängen fest und kommen nicht weiter. Fühle mich aber gut. Wieder wunderbare Blicke in die Schluchten. Oben wieder alles staubig, an langem Zaun entlang, linksrum, rechtsrum, das Dorf wird nur gestreift. Hitze, knochentrocken. Nun lang und schwer bergab, Geröll, Steinchaos, werde überholt. Ein Hund von Wanderern wuselt dauernd zwischen den Beinen rum. Das nervt. Endlich unten. Breites Flusstal, flach, auf Steinen über den Bach, ging ja noch. Schöner Weg, Staubpiste am Flussufer, das Lager müsste bald kommen, das zweite große Basislager.
Noch paar Flussbiegungen. Noch 3 Mal über den Fluss, aber alles ohne Probleme, Steine liegen gut hier. Wieder die offiziellen Fotografen. Jetzt das Basislager in Sicht. Franzosen sind ganz euphorisch, einer klopft mir auf die Schulter und umarmt mich. Bin erschöpft. Freue mich aufs Ausruhen. War lange keine Pause.
Sonnabend, den 23.10. 15.55 Uhr nach 127 km und 7515 HM
Richtiges Armeecamp in ausgedörrter Landschaft, Flussbett. Armeezelte, Liegen im Freien. Habe Hunger, esse Nudelsuppe, Weißbrot, Schokolade, Kekse, Salz, trinke Wasser, Cola, Kaffee. Fülle leere Trinkflasche auf. Bin auch froh, hier zu sein. Spickzettel raus. Rechne: also nun nur noch 36 km- das ist überschaubar.
Denke jetzt das erste Mal ans Ziel, weiß aber auch, dass noch über 2000 Höhenmeter kommen. Erst mal ausruhen. Suche Liege, Turnschuhe aus, lang machen, liegen. Ahh, endlich die Beine strecken. Genieße den Becher Kaffee. Schlafe aber nicht. Bin nicht müde. Sonne knallt immer noch runter. Will bald weiter, den nächsten Hammeraufstieg, den ich schon von den Vortagen kannte, möglichst weit im Hellen schaffen. Jetzt kommt Tommy an. Großes Hallo. Legt sich auch hin, will hier große Pause machen. Nach 20 min stehe ich auf, ziehe Turnschuhe an. Rucksack auf, elektronischer Ausgangscheck und weiter voller Tatendrang..
Sonnabend, den 23.10. 16.45 Uhr nach 127 km und 7515 HM
Noch ca. anderthalb Stunden bis zum Dunkelwerden. 50 Minuten hat die Pause gedauert. Stiefele weiter. Nach 1 km wieder über den Fluss. Schwierigste Passage von allen. Manche steigen voll durchs Wasser. Versuche günstige Stelle zu finden, an 5- 6 Stellen balancieren Läufer im Fluss auf großen Steinen. Also los. Muss rüber. Da rutscht der rechte Fuß wieder halb ins Wasser. Wieder Zehen nass, Verdammt noch mal. Nun durch Uferwald an Bauernhütte vorbei bis zum Steilhang.
Jetzt also ca. 700 HM rauf. Kenne den Aufstieg im Urwald. Steil, schwierig, teilweise auch ausgesetzt. Zum Glück viele Bäume und Pflanzengewirr. Muss Hände zur Hilfe nehmen. Rechte Fußsohle beginnt verdächtig zu schmerzen. Eine Leiter hoch. Gefährlich. Bald wird es dunkel. Noch geht’s aber. ¾ des Aufstieges geschafft. Hier war die Stelle, wo ich im Vorfeld abgestürzt war. Grauenhaft. Weiter. Nicht mehr daran denken. Bambusbäume. Stückweise wieder bergab.
Jetzt ist es zu dunkel. Setze die Stirnlampe auf. Taschenlampe will ich noch sparen Nicht mehr weit bis hoch. Höre schon laute Stimmen, Singen, rhythmisches Klatschen, Gekreische. Endlich oben. Eine Schulklasse macht Stimmung. Freue mich. Das spornt an. Ortschaft Dos’d Ane erreicht. Kurz bergab, dann nochmals extrem steil hoch zur Spitze des Geländes. Stockdunkel jetzt. Verpflegungsstelle leuchtet hell oben.