Graubünden Marathon. Der härteste Marathon der Welt. Der Zehnte, ein Jubiläum. Etwas Besonderes ist es auch für mich. Ich begleite Patric, einen Läufer mit Handicap.
2682 positive Höhenmeter, nur 402 negative. Was das bedeutet, das weiß jeder geübte Bergwanderer und Bergführer einzuschätzen. „Ihr seid's ja wahnsinnig“ bis „spektakuläres Event“, gehen die Meinungen. Was aber für den Teilnehmer gilt, das ist der Kampf gegen den Berg und mit sich selbst. Der Start ist in Chur, der ältesten Stadt der Schweiz, auf 585 Meter Seehöhe. Und dann geht es lange, lange bergauf, bis zum 2865 Meter hohen Parpaner Rothorn. Mit jedem Schritt kommst du da dem Himmel näher, auch wenn sich zum Schluss Höllenqualen einstellen. Wer das nicht gemacht hat, der kann auch nicht mitreden, so einfach ist das.
Mitreden darf jetzt auch Daniel, der sich bisher noch nicht ans Rothorn getraut hat, aber jetzt doch den Mut gefunden hat. Nein, Courage hat unser laufender Schweizer Gebietsvertreter genug, denn lange Sachen ist er in seiner Heimat jede Menge gelaufen. Und er hat auch in diesem Jahr noch interessante Pläne in der Schublade. Nur so viel will ich verraten: Es sind wieder ganz nette Läufchen in herrlicher Natur dabei. Wir dürfen da über unser Portal teilhaben, das hat er versprochen.
Vor zwei Jahren hat Daniel in Zermatt Patric gecoacht, jetzt darf ich den Job übernehmen. Das erste Mal haben wir uns in Rodgau gesehen. Und da ist er mir über die 50 Kilometer deutlich davongelaufen. Am Berg habe ich vielleicht ein paar Vorteile: Ich kenne die Strecke, kann mir das hier gut einteilen und gehe gelassen ans Werk. Er braucht an Stellen, wo Trittsicherheit nötig ist, eine starke Hand. Durch den laufenden Kontakt über Mail und Telefon haben wir abgesprochen, wie der Graubündner Marathon zu packen ist. Er läuft voraus und meldet sich, wenn er Hilfe braucht. Und wenn wir eine Läuferschlange hinter uns herziehen, dann werden wir einfach einen Moment auf die Seite treten.
Die Jugendherberge im „Schönen Tal“ namens Valbella dient uns als Treff- und Stützpunkt für das Wochenende, wobei Patric gleich noch ein paar Urlaubstage dranhängt. Denn seine Familie und seine gerade erst geborene Tochter Lina kommen mit.
Am späten Nachmittag erreiche ich nach staufreier Anfahrt Lenzerheide. In der Schule werden die Startunterlagen ausgegeben. Kein großer Andrang der Läufer ist zu sehen, so ist genug Zeit für eine Unterhaltung mit Corinna Iten, der OK-Präsidentin. Auf meine Frage nach der Schneelage wegen des langen Winters berichtet sie mir, dass auf der Strecke im oberen Teil teilweise geschaufelt werden musste. Jedoch ist der Laufuntergrund mittlerweile ohne Schnee, auch wenn Restschneemengen ab Kilometer 40 am Rand des Kurses zu sehen sind.
Für die Startgebühr von 95 CHF (Nachmeldung plus 20 CHF) erhalten wir nicht nur ein unvergessliches Laufabenteuer, sondern auch ein blaues Funktionsshirt, ein Diplom (via Internet), Gutschein für die Nudelparty, freie Postbusbenutzung Chur/Lenzerheide/Bivio/Davos, eine Medaille, Massage und natürlich den Rücktransport vom Rothorn mit der Bahn. Und etwas zum Trinken und einen Riegel finde ich in der Tragetasche ebenfalls noch.
Für internationale Beteiligung ist gesorgt, wahrscheinlich gibt es für die Sieger ein paar Scheine der harten Frankenwährung. Beim Rothorn-Run wird der Schweizertitel im Berglauf vergeben. Also eine hochklassige Veranstaltung. Zweckmäßigerweise sollte der fahrbare Untersatz im Zielbereich verfügbar sein, denn danach ist der frischgeduschte und verpflegte Läufer unabhängig.
Während der Samstag traditionell dem Laufen gewidmet ist (Marathon, auch als Staffel, 20 Meilen, Halbmarathon, Rothorn-Run, Kinderlauf), gehört der Sonntag den Walkern (drei verschieden lange Strecken). Eine Anmeldung via Datasport mit direkter Bezahlung (Kreditkarte oder per Lastschrift bei deutschem Konto) ist auch eingerichtet. Und wer Unterkunft und Lauf auf einmal buchen will, die Hotellerie und die Jugendherberge bieten eine Rundumversorgung aus Schlafplatz und Startkarte. Was willst du mehr?
Nachdem der Bundes-Jogi und seine Jungs am Abend zuvor das EM-Spiel gegen die Griechen deutlich und in 90 Minuten für sich entschieden haben, haben wir am Wettkampftag eine zeitlich deutlich längere Aufgabe zu meistern. Das Auto wird am Parkplatz der Rothorn-Bahn geparkt. Das Postauto kommt pünktlich und fährt uns in Chur in die Sichtweite des Startplatzes an der Quaderwiese.
Da läuft gerade das Geschäft bei der Startnummernausgabe. Wettermäßig wird es nicht schlecht werden, denn es wird noch einen Tick wärmer als am Vortag. Jetzt hat es hier in Chur fünfzehn Grad und es ist hochnebelartig bedeckt. Doch die Suppe soll im Tagesverlauf verschwinden. Auf dem Rothorn wird jedoch das Thermometer bei fünf, sechs Grad hängenbleiben.
Kurze Laufhose und kurzes Shirt, das sollte hier jetzt als Laufausstattung genügen. Zureichen lassen sollte man sich noch ein Langarmshirt, spätestens an der Mittelstation. Oder sich das leichte Ding gleich um die Hüfte binden. Doch ein Muss ist eine gescheite Ausstattung kurz nach dem Zieleinlauf am Gipfel. Also viele Schichten (ja, ja, die Zwiebelmethode), Mütze, Handschuhe, wer kalte Pranken nicht mag, und vielleicht noch eine winddichte Jacke. Denn erkälten kann man sich leicht am Berg, wo es doch deutlicher zugiger als in der Ebene ist. Der Rucksack wird in eine Gitterbox geworfen.
Einige bekannte Läufer sind zu sehen: Thomas Schmidkonz, einer der treuesten Teilnehmer, Felix Benz, der in Biel und Zürich sprichwörtlich die Sau rausgelassen hat sowie aus meiner Heimat Ruth Jocham. Die Startzeit, 09.15 Uhr, rückt immer näher.