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23.06.12 - Graubünden Marathon

Kämpfa, kämpfa, chum!

Foppa – Lenzerheide

 

Das folgende Laufstück auf besten Asphalt von knapp zwei Kilometer ist gut zum Rennen, wenn, ja wenn es zum Endspurt ginge. Ich glaube, dass hier gerne zu schnell gerannt wird und dass die Quittung auf den späteren Kilometern folgt. Ich mahne Patric zu gemäßigtem Tempo, auch wenn uns immer wieder Läufer hier überholen.

 
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Das erste Stück, wo besondere Aufmerksamkeit auf den Untergrund gelegt werden sollte, folgt an der Abzweigung nach rechts. Sogleich wird die Bestzeitenpiste zum Singletrail durch Wiese und Wald. Und wenn das nicht schon reichen würde, geht es mitunter steil bergab bei zum Teil schmierigen Bedingungen. Mit Langsamkeit und Gemütlichkeit bringen wir das Wegstück bis Kilometer 22 ohne Blessuren hinter uns.

Die zwei Kilometer auf besten Feldweg dienen wieder unserer Unterhaltung. Was seine Pläne für 2012 sind, will ich wissen. Patric erzählt: „Meine Pläne für 2012 sind gesund zu bleiben und mit meiner lieben Familie viel zu unternehmen. Sportlich wird es der Marathon in Basel sowie der am Brocken sein. Außerdem möchte ich in weiterer Zukunft noch viele Marathons bestreiten, reizen würde mich immer wieder ein Bergmarathon. Der Jungfraumarathon sowie der in Liechtenstein steht auf meiner Agenda, aber immer eine immense Herausforderung ist der Graubünden Marathon. Irgendwann sollen einmal 100 Kilometer auf meinem Plan stehen (Biel oder das nähere Ulm) und vor allem möchte ich mit Töchterchen Lina 2013 Wettkämpfe  absolvieren.“

Eine weitere Tankstelle wird von freundlichen Helfern in Parpan (Kilometer 24,1, 1509 Meter) direkt neben der Kirche betrieben. Im folgenden Waldstück braucht es wieder Konzentration und Koordination, denn der Kurs wird crossartig über Wurzeln und Steine. Und wer seine heiß gelaufenen Haxen kühlen möchte, der kann ja in eines der zahlreichen Sumpflöcher steigen. Patric ist meist ein paar Meter voraus. Ich sehe, dass er hier keine Schwierigkeiten mit dem Boden hat.

In Valbella, dem nächsten Ort, laufen wir an den Igl Lai (Heidsee) heran. Das Gewässer wird fast komplett umrundet. Wer nach der Abstammung des Wortes „Igl Lai“ fragt, dem sei gesagt, dass wir nun im rätoromanischen Teil der Schweiz angekommen sind.

Der See wird an einer Unterführung der Voa Principala (Hauptstraße) verlassen. Jenseits führt die Betonpiste zur Talstation der Rothornbahn. Auf Patric wartet schon Frau mit Kind. Ich sehen ihn noch gerade in den Kinderwagen hinein lugen, dann macht er sich wieder auf die Socken. Und ich hinterher. Ich hoffe nicht, dass ich mit seiner Begleitung und Betreuung überfordert bin. Denn meine Haxen fühlen sich schon müde an.

Im folgenden Waldstück sehen wir rechts einen frischen Haufen langer Holzstämme, knapp zehn Meter hoch. Danach wird der nächste Winter hart. Wir unterqueren abermals die Hauptstraße, es geht auf den kleinen Rundkurs durch das Schulgelände von Lenzerheide (1458 Meter, Kilometer 30,8). Die 20 Meilen-Läufer halten sich links und sind fertig, wir werden von einem Helfer rechts geleitet und können uns am folgenden Verpflegungstisch bedienen. Ich schlinge Bananen und Orangen hinunter, ein Becher Iso und Cola, zwei, drei Bilder und schon treibt Patric mich indirekt weiter, denn er ist schon wieder zehn Meter voraus. Ich hoffe, dass er an der Steigung zum Rothorn langsamer macht.

 

Auf zur Mittelstation Scharmoin

 

Bis jetzt muss der Lauf für den Teilnehmer nicht mehr als ein Warmlaufen sein, denn die meiste Kraft wird auf den letzten elf Kilometern gebraucht. Es warten nämlich noch knapp 1400 Höhenmeter, die alleine betrachtet schon für einen strengen Berglauf reichen. Uns müsste es eigentlich gut ergehen, dann für den letzten Anstieg durften wir 30 Kilometer Anlauf nehmen. Na bravo!

 
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Als wir die Hauptstraße mit einer Rechtskurve verlassen, stehen wir fast am Berg, denn es reicht nur mehr für einige Meter joggen und ich muss dann marschieren. Und Patric, das Urvieh, sehe ich weiterhin im Laufschritt. Einen Zuschauer fordere ich auf, mich anzuschieben. Reaktionsschnell kommt seine Aussage: „Da oben is e Fördrband!“ Etwa auf halber Strecke zum Wasserfall haben sich zwei Musiker mit Handorgeln niedergelassen. Gerade ist Pause. Aber mein Gemaule hilft, denn dann spielen sie wieder.

Unser Weg wird schmäler, steiler und crossiger. Und da wartet Patric auf mich. Wir wechseln uns in der Führung ab. Ich gehe voran und gebe Tipps. Zweckmäßig ist es auf solchem Untergrund, nicht zu große Schritte zu machen. Auf feuchte, dreckige Wurzeln und Steine sollte man partout nicht steigen. Außerdem gilt der Grundsatz: Entweder in Bewegung und auf den Boden schauen oder stehenbleiben und  die Aussicht genießen. Wer das nicht beherzigt, liegt schneller auf der Schnauze, als ihm lieb ist.

Bei der Tankstelle Wasserfall (Kilometer 33,5, 1800 Meter) sind wir schon 350 Höhenmeter über dem Talgrund. Wie schnell wird da Höhe gewonnen, Wahnsinn. Die Helfer sind eifrig und fragen gleich mehrmals, was der Läufer noch zum Schnabulieren braucht. Iso, Salzstangen und Erdnüsse wandern in meinen Bauch, der seit geraumer Zeit geknurrt hat. Also was hinein, denn einen Hungerast kann ich nicht gebrauchen.

Es folgt ein rund zwei Kilometer langer Singletrail, auf den man immer wieder ein paar Meter laufen kann. Ich muss jedoch lachen, als kurz nach dem Wasserfall Patric meine Hand braucht und in seiner zupackenden Hand sich noch Erdnüsse befinden. Die werden schnurstracks in seinem Mund entsorgt, dann packe ich zu und weiter geht es. Noch zwei, drei Mal braucht er meine Unterstützung bei den Wurzelstücken und höheren Absätzen. Einige von hinten kommende Läufer lassen wir bei geeigneten Stellen vorbei.

Dass es für mich als Reporter nicht ganz einfach ist, etwas über sein Handicap zu berichten, lasse ich ihn erzählen, wie ihn seine Behinderung im täglichen Leben und beim Sport zu schaffen macht. Er berichtet: „Es gibt im Alltag Situationen, die bei mir langsamer, mühsamer oder teilweise auch sehr schwer bzw. gar nicht gehen, etwa schwere Lasten tragen, da man hierfür zwingend zwei Hände benötigt. Auf Grund der halbseitigen spastischen Lähmung fehlt mir der sichere Gleichgewichtssinn und ich  habe somit großen Respekt vor schmalen Pfaden an Hanglagen.“

Zuerst leise, dann immer lauter hören wir die Töne von Trycheln. Später sehen wir drei Burschen, die ihre Instrumente mit Inbrunst bearbeiten. Die Mittelstation mit einer weiteren Tankstelle wartet.

 

Informationen: Graubünden Marathon
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