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22.07.17 - Großglockner Ultra-Trail

Rock around the Glock(ner)

Vier Rennen, drei Strecken, der Großglockner, einmal herum, einmal entlang, das Tor zur Welt, der Berg schlechthin. Das alles weckt Interesse bei den rund 1200 Meldungen aus 36 Nationen. Und ich darf auch dabei sein. Das ist gar nicht so einfach, denn die Plätze sind begehrt.

Was ist der GGUT? Das ist der Großglockner Ultra-Trail über 110 Kilometer mit 6500 Höhenmeter, komplett herum um das Bergmassiv. Das ist der Glockner Trail mit 50 Kilometer und 2000 Höhenmeter mit Start in Kals am Großglockner und Ziel in Kaprun am Kitzsteinhorn. Das ist der Gletscherwelt Trail über 30 Kilometer mit 1500 Höhenmetern mit Start an der Rudolfshütte und Ziel in Kaprun. Und schließlich kann sich eine Zweierstaffel den langen Kanten mit Wechsel in Kals teilen. Ich bin neugierig und lege mich frühzeitig auf die 50 Kilometer fest. Für den Ultra fühle ich mich noch nicht trainiert genug. Zudem hat man für die 50 Kilometer 17 Stunden Zeit und das sollte auch reichen.

 

Kaprun

 

Kaprun bietet sich als Übernachtungsort an, denn es stehen Hotels in allen Kategorien, Gasthöfe und Pensionen als Unterkunft zur Verfügung. Und zudem kannst du nach deinem Wettkampf gleich eine Erholung beginnen, denn du wirst auf den Strecken stundenlang (und vielleicht auch zwei Nächte) unterwegs sein.

Gut 3000 Einwohner hat die Gemeinde in der Region Pinzgau im Bundesland Salzburg. Da Kaprun gut mit den „Öffentlichen“ erreichbar ist, ziehe ich diese Option. In Zell am See (rund 10 Kilometer von Kaprun entfernt) halten alle Züge, Kaprun ist selbst mit Bus alle 30 Minuten tagsüber erreichbar.

 

 
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Der Ort liegt auf knapp 800 Meter Seehöhe, das ist nicht viel. Wir werden daher auf unserem Rückweg viele negative Höhenmeter laufen müssen. Die Kapruner Ache entwässert die Landschaft von Süd nach Nord. Unterhalb des Kapruner Törl entspringt sie auf etwa 2400 Meter Höhe. Und das Törl ist unsere zweiter Berg und zugleich höchste Stelle mit 2639 Meter.

Am späten Nachmittag endet meine Reise am Schaufelberg Parkplatz in Kaprun. Die Bushaltestelle ist direkt vor dem Start- und Zielgelände. Dort sehe ich mich kurz um. Eine letzte Gelegenheit, seine Ausrüstung zu ergänzen. Bevor ich meine Startnummer erhalte, muss ich meine Ausrüstung kontrollieren lassen. Vorzeigen muss ich Regenjacke, Pfeife und Handschuhe. Gefordert sind jedoch auch Rucksack, Trinkbehältnis mit 1,5 Liter Inhalt, Becher, Rettungsdecke, Haube, Handschuhe, Erste Hilfe Set, Müllbeutel. Das Handy ist mitzuführen, eine Notfallnummer ist einzuspeichern. Es gilt teilweise Autonomie, daher ist ausreichend Verpflegung mitzunehmen, denn auf meiner Strecke wird es nur zwei Verpflegungsstellen und zwei Wasserstellen geben. Stöcke sollte man auch mitnehmen, aufgrund der großen Höhenunterschiede sind die für mich persönlich auch Pflicht.

Danach erhalte ich am nächsten Tisch die Startnummer (Einmalchip auf der Rückseite), ein Funktionsshirt, einen Kleiderbeutel und diverse Prospekte und Werbematerial. Aufgepackt wie ein Lastesel mache ich mich an eine Gemeindebesichtigung. Der Weg führt mich natürlich zur Kirche Hl. Margarethe, die auf einem Felssporn in der Ortsmitte errichtet wurde. Schon 1409 wurde sie in einem Ablassbrief erwähnt. Tatsächlich dürfte sie aber rund 500 Jahre eher erbaut worden sein. Gerade einen Steinwurf entfernt ist das Heimatmuseum, wo ich zwei, drei denkmalgeschützte Holzhäuser sehe.

Beim Einchecken in meine Unterkunft gibt mir die Gastgeberin noch einen Tipp für den Abend. An der Burgruine Kaprun findet just an diesem Wochenende das Burgfest mit mittelalterlichen Treiben statt. „Da können Sie regionale Spezialitäten als Abendessen erhalten“, rät sie mir. Die Burg Kaprun stammt aus dem 12. Jahrhundert, sie wurde als Höhenburg der Herren der Falkenstein-Neuburg im Codex Falkensteinensis erwähnt. Zwei, drei Stunden habe ich die dicke Bewölkung im Süden gesehen, nun zieht sie nach Norden und macht lediglich die Straße nass. Auf den Bergen muss es der Beobachtung nach gescheit gegossen haben. Gerade zum Sonnenuntergang kehre ich in meine Unterkunft zurück und lege mich aufs Ohr.

Es wird eine kurze Nacht, denn schon um 04.30 Uhr fahren die Busse in Richtung Kals ab. Die Ultras auf der Großglocknerumrundung sind schon 5,5 Stunden unterwegs, um 23.00 Uhr wurden sie auf die Strecke gelassen. Auf der langen Strecke sind fünf Cut-Offs eingerichtet, das Ziel ist innerhalb 31 Stunden zu erreichen. Langsamere Läufer müssen sich da zwei Nächte um die Ohren schlagen.

 

Start in Kals am Großglockner

 

Unerwartet wirft mich der Wecker um 03.30 Uhr aus der Kiste. Ein wenig ohne Plan schlurfe ich in den Frühstücksraum – und bin der einzige hier. Kurzzeitig werde ich panisch. Ich habe doch nicht verschlafen? Nein, die restlichen Läufer sind entweder schon unterwegs, brauchen kein Frühstück oder machen den Gletscherwelt Trail, der um 08.00 Uhr starten wird. Nach einer Semmel und zwei Tassen Kaffee marschiere ich zum Startort, der einen guten Kilometer von meiner Unterkunft entfernt ist. Die ersten Busse werden schon von den 500 gemeldeten 50 Kilometer-Läufer bestiegen. Die Fahrt durch den Felbertauerntunnel an die Südseite des Großglockners dauert knapp 1,5 Stunden. Kurz vor 06.00 Uhr sind wir in Kals. Frisch ist es hier, es hat etwa zehn Grad.

 

 
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Kals (1300 Einwohner) hat im Sommerhalbjahr hohe Nächtigungszahlen im Verhältnis zu anderen Ortschaften. Grund ist hierfür der vielfachen Wander- und Bergwege im Großglocknergebiet. Der „Normalweg“ auf Österreichs höchsten Berg geht von hier über Lucknerhaus und Stüdlhütte zur Erzherzog-Johann-Hütte, die auf der Adlersruhe auf 3454 Meter am Gipfelaufbau des Großglockners liegt. Wenn alle Bedingungen passen, kann man mit Bergführer in etwa zwei Stunden die restlichen 350 Höhenmeter schaffen.

Im Musikpavillon können die letzten Läufer sich ihre Startnummern abholen. Von Süden sehe ich einen Regenschauer heraufziehen, der uns gegen 06.30 Uhr erreicht. Es gießt in Strömen. Auf der anderen Seite des Großglockners, wo nun die Ultra-Trailer unterwegs sind, geht ein Unwetter mit Blitz und Donner nieder. Im Pavillon bleiben wir wenigstens trocken. Die letzten Infos werden uns näher gebracht. Am Nachmittag müssen auch wir mit einer Gewitterfront rechnen, eventuell verbunden mit einem Stopp von ein bis zwei Stunden. Wenigstens hört es jetzt wieder zu regnen auf.

 

Erste Kilometer

 

Erst wenige Minuten vor 07.00 Uhr begeben wir uns nach draußen an den Start. Nach einigen Grußworten der Ortsprominenz zählt man von zehn herunter und nach einem verzögerten Startschuss begeben wir uns auf die lange Reise. Was habe ich mir vorgenommen? Ich kenne die 50 km lange Strecke überhaupt nicht, schätze sie aber aufgrund der  Höhenmeter im Vergleich zum Eiger Trail (E51) etwas schneller ein. Es soll deutlich unter zehn Stunden ausgehen.

 

 
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Die ersten 1,5 Kilometer verlaufen auf Asphalt taleinwärts, Tempo macht nur die Spitze. Ich habe mich schon vorsorglich im hinteren Drittel eingeordnet. Ich will defensiv beginnen. Nach zehn Minuten endet der Asphaltuntergrund, wir laufen nun auf dem Kinder-Naturerlebnispfad. Der Weg wird immer schmaler, zu guter Letzt geht es nacheinander im Zickzack hoch. Vor der Verengung staut es sich zurück. Wir verlieren einige Minuten. Die Läufer nehmen es mit Humor, es wird geratscht, fotografiert oder schon getrunken.

Wir verlassen den Wald, unser Weg wird zunehmend flacher. In der Siedlung Spöttling-Tauerer haben sich einige Zuschauer versammelt, die uns mit Applaus weitergeleiten. Dann rückt der Kalser Bach wieder an den Fahrweg heran, auf dem wir laufen. Das Wasser tost linkerhand, rechts rücken Felsen heran, die Daberklamm.

 

Im Dorfertal

 

Die Daberklamm verbindet das flussabwärts gelegene Kalser Tal mit dem oberhalb gelegenen Dorfer Tal. Auf einem Kilometer Flussstrecke müssen wir gut 100 Höhenmeter bewältigen. Teilweise ist der Kurs so steil, dass das laufende Volk zum Wandern umschwenkt. Ein Hinweisschild besagt, wir befinden uns nun in der Außenzone des Nationalparks Hohe Tauern. Der Park hat eine Ausdehnung von 100 mal vierzig Kilometer, er erstreckt sich auf die Bundesländer Salzburg, Tirol und Kärnten. Der größte Grundbesitzer in diesem Bereich ist der österreichische Alpenverein, den rund ein Viertel der Fläche gehört. Der größte Teil des Grundes wird von den Bauernfamilien der Region bewirtschaftet. Die Außenzone ist geprägt von der Almwirtschaft. Auf halber Strecke in der Dabakklamm wurde eine Aussichtskanzel errichtet. Ich könnte umkehren und da schauen, lasse es aber bleiben, die Zeit …

 

 
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Rund 50 Minuten sind wir unterwegs, da sehe ich linkerhand die Bergeralm, eine Einkehr für durstige Wanderer. Die Alm liegt auf 1636 Meter Seehöhe, 300 Höhenmeter haben wir hinter uns gebracht. Das Dorfertal weitet sich nun, die Steigung nimmt ab, wir können wieder auf einem gut ausgebauten Feldweg laufen. Einige Edelfans haben sich in einem kleinen Waldstück versammelt und geben uns Zuspruch für den weiteren Lauf.

Schönebenalm, Tinklebenalm und Rumesoi-Eben, von diesen Bauernhöfen wird Weidewirtschaft betrieben. Die Kühe sind friedlich, manche auch neugierig. Immer wieder fließen kleinere Bäche von den Bergflanken der Kristallspitze (3005 Meter) und Zollspitze (3024 Meter) auf meiner rechten Seite und vom Kampl und Gradötzkees linkerhand. Als einziger Läufer werfe ich einen Blick in eine Kapelle beim Kalser Tauernhaus (1755 Meter). Dort erhalten wir Wasser, mehr gibt es nicht. Ich krame einen Nussriegel aus meiner Tasche und würge den hinunter. Zehn Kilometer sind geschafft, 40 haben wir noch, 75 Minuten bin ich unterwegs, schaut schon mal nicht schlecht aus.

Die Kalser Tauern, der erste Zacken im Höhendiagramm, kann der Wanderer in 3,5 Stunden erreichen. So steht es auf einem Wegweiser. Wie lange werden wir dafür benötigen? Petrus ist unentschlossen. Mal stoppt er die Bieslerei, dann tröpfelt es wieder. Soll ich die Regenjacke anziehen oder nicht? Einige ziehen den Regenschutz über.

 

Anstieg zum den Kalser Tauern

 

Der befestigte Fahrweg endet, der Bergwanderweg durch Gras, vorbei an Bergblumen beginnt. Das Gelände ist nur leicht ansteigend. Wir können immer wieder kleinere Wegstücke laufen, dann stellen sich uns Steine in den Weg, über die wir steigen müssen. Immer wieder führen Bretter über Gewässer hinweg. Ungewohnt für manche, denn einige, ich auch, müssen vorher stehen bleiben und die Gehrichtung taxieren. Trittsicherheit ist da erforderlich.

 

 
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Der 21 Kilometer lange Kalserbach wird immer schmäler, je höher wir kommen. Kurz vor dem Dorfersee geht es kurzzeitig durch Blockgelände. Ich bin froh, dass ich meine Stecken mitgenommen haben. Die tun mir sehr gute Dienste. Läufer ohne Stöcke müssen teilweise die Hände einsetzen, um weiterzukommen.

Nach einer weiteren halben Stunde erreichen wir den Dorfersee (1935 Meter), der durch einen Felssturz entstanden ist. Teilweise müssen wir für die Seeumrundung wieder durch Blockgelände steigen. Das Läuferfeld hat sich mittlerweile gut auseinandergezogen. Die Stimmung unter den Trailern ist klasse. Man unterhält sich, fotografiert und bewundert die Landschaft. Petrus hat ein Einsehen und lässt die Sicht klarer werden.

Das Tal wird enger zwischen Aderspitze (2990 Meter) und Kastenturm (2917 Meter), es bleibt aber mäßig ansteigend bis zum Punkt 2213, wo von links der Silesia Höhenweg einmündet. Talschluss! Der Pfad biegt ab in nordöstliche Richtung. Es wird zunehmend steil im Erdigen Egg.

Serpentine um Serpentine gewinnen wir Höhenmeter, die Lunge pfeift. Ein paar Läufer pausieren am Wegrand. Was wird aus denen,  wenn die jetzt schon eine Rast brauchen? Ich schraube mein Marschtempo zurück. Dann weist ein Schild auf die Kernzone des Nationalparks hin. Der Bewuchs wird spärlicher, je höher wir kommen. Dann geht es nur noch über Steine, die teilweise zu Treppen verbaut sind.

Um genau 10.00 Uhr erkenne ich den Übergang, der mich von Osttirol ins Pinzgau (Bundesland Salzburg) führt. Der Kalser Tauern (2518 Meter, auch Kalser Törl oder Stubacher Tauern genannt). Der Pass liegt zwischen Tauernkogel (2683 Meter) und Medelzkopf (2761 Meter).

Eine große Bedeutung hatte der Übergang nie. Einem Dokument aus dem Jahr 1669 ist zu entnehmen, dass Salz mit „keinem Pferd nit“ hinüber zu bringen war. Die Waren mussten, wenn überhaupt, mit Trägern transportiert werden. Lediglich nach dem Ersten Weltkrieg dachte man daran, hier eine Straße zu errichten, ließ es aber bleiben. Oben am Pass steht ein Feldkreuz mit dem Heiland. Daneben eine Bank zum Rasten. Nach einem kurzen Fotostopp mache ich mich wieder auf den Weg.

 

Hinüber zur Rudolfshütte

 

50 Minuten dauert die Wanderung zum Berghotel Rudolfshütte, so sagt ein Wegweiser. Wie lange werde ich benötigen? Das erste Wegstück lädt fast zum Joggen ein. Gleich sehen wir den Weißsee (2250 Meter) vor uns liegen. Und leicht oberhalb des Stausees liegt die Rudolfshütte (2315 Meter). Wir müssen ein kleines Altschneefeld überqueren. Die Vorläufer haben schon eine passable Spur gelegt. Weiter unterhalb heißt es wieder Tempo herausnehmen, wir müssen uns über grobes Gestein plagen. Leichter wird der Übergang zur Hütte entlang am See. Wir laufen dann über die Staumauer und erreichen nach wenigen Augenblicken die Rudolfshütte.

 

 
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Die erste Hütte (aus 1873) wurde nach dem Aufstauen des Weißsees 1952 gesprengt, lag sie doch unterhalb des Stauziels des Weißsees. Die neue Hütte wurde daher in den Jahren danach gut 60 Meter oberhalb des Sees neu erbaut. Sie bietet heute nach einer Erweiterung 200 Gästen Unterkunft. 2004 wurde die Hütte an einen privaten Investor verkauft und als Berghotel Rudolfshütte neu eröffnet. Es gibt dort auch eine Wetter- und Klimastation. Online kann also bequem abgefragt werden, wie die Bedingungen sind. Für den Bergwanderer sind Gletscherüberquerungen von dort aus leicht zu machen. Der Ödenwinkelkees und der Sonnblickkees sind nahe. Aber aufpassen, auf dem Gletscher sind zahlreiche Spalten. Am besten sollte man sich einem Bergführer für solche Touren anvertrauen.

Auf uns wartet eine große Verpflegungsstelle. Man leitet uns in einen großen Raum. Dort findet man alles, was man sich wünscht. Wer da nur Wasser trinkt, ist selbst schuld. Pasta, Suppen, Kaspressknödel, Wurst in vielen Variationen, Käse, Trockenobst, Riegel, Bananen, Orangen, Melonen, Tomaten, Cola und Iso. Vermutlich ist diese Liste nicht vollständig. Der Reporter haut sich zehn Minuten den Wanst voll und macht sich dann auf den Weiterweg in Richtung Kapruner Törl. 3,5 Stunden sagt der Wegweiser.

 

Hoch zum Kapruner Törl

 

Die 50 Kilometer-Wanderer, der Begriff ist so richtig gewählt, denn keiner kommt im Galopp aus der Hütte, sind gesättigt. Zuerst müssen wir wieder hoch zur Bergstation des Zweiersessellift Tauernmoos (2352 Meter), dann geht es zig Höhenmeter vom Hinteren Schafbichl über die Stiege hinunter zur Eisbodenlacke. Dort trennen sich die Wege: Der Weg zum Ödenwinkelkees biegt rechts ab, der Wegweiser zum Kapruner Törl zeigt nach links. 2,75 Stunden!

 

 
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An der tiefsten Stelle hätten wir zum Tauernmoosee (2023 Meter) gar nicht weit zu gehen. Doch wir wenden uns jetzt wieder höheren Gefilden zu. Das Kapruner Törl ist unser nächstes Zwischenziel, rund 600 Höhenmeter warten. Anfangs geht es wellig zwischen Gebirgsbächen und Grasflächen dahin, der Weg ist gut zu erkennen. Dann wird es steiler im Bereich der Hinteren Ochsenflecke und am Überkar. Das letztere hat den Namen nicht zu Unrecht, denn es wird immer härter, denn wir kommen dem Unteren Rifflkees immer näher. Unterhalb der Törlköpfe können wir die Ausmaße der Gletscher (aus dem Jahr 1850) deutlich erkennen. Wir laufen teilweise auf den Seitenmoränen. An einer Stelle sehe ich ein gefräßiges Gletschermaul. Man sollte hier tunlichst auf den Wegen bleiben und nicht querfeldein steigen. Es könnte sich schlimm ausgehen.

Immer weiter nach oben führt der Weg.  Wir können nicht erkennen, wo der Übergang sein soll. Linkerhand ist der Gletscher. Und da ist Leben, denn nach einem Steinsturz wird eine Läuferin hinter mir nervös ob des Getöses. Doch auf dem Weg ist keine Gefahr, lasse ich sie wissen. Die Steilheit unseres Weges nimmt nochmal zu und zum Schluss müssen wir über grobe Felsen auf allen Vieren kraxeln. Die Stöcke stören jetzt mehr als dass sie nützen. Dann stehe ich Punkt 13.00 Uhr auf dem Kapruner Törl auf 2639 Meter Seehöhe. Fast bis zuletzt konnten wir nicht sehen, wo der Durchlass ist.

 

Anspruchsvoller Abstieg

 

Ich pausiere kurz für ein paar Schluck aus dem Trinkrucksack, schieße ein paar Bilder von den glücklichen Trailern und mache mich dann wieder auf den Weg. Ein Tscheche meint noch, „das ist nix zum Laufen“. Die ersten 50 Meter hinunter sind sogar gefährlich. Man muss die Hände einsetzen und kraftvoll zupacken. Da möchte ich nicht bei Dunkelheit drüber. Einigen auf der Langstrecke könnte das aber schon passieren.

 

 
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Zehn Minuten dauert die anspruchsvolle Kletterei hinunter. Nur nicht stürzen, man könnte sich verletzen und dann aufgeben müssen. Knapp zehn Minuten rutschen wir dann auf einem Schneefeld hinunter.  Das macht Spaß, ist aber auch schweißtreibend. Dem einen oder anderen zieht es in der Schneespur die Füße weg. Auf dem Karlingerkees, dem Karlingerboden oder dem Eiserkees müsste ich stehenbleiben. Gleichzeitig Laufen und Schauen geht nicht, da haut es dich garantiert hin.

Die Steinwüste bleibt hinter uns, blühende Almwiesen rücken in den Vordergrund. Dann sehen wir hinter einer Bergnase schon Teile des Stausees Mooserboden. 90 Minuten haben wir bis zum Gewässer an Zeit benötigt. In einem weiten Bogen führt nun der Steig um den Stausee herum, wellig, immer wieder unterbrochen durch Gebirgsbäche. Es ist richtig warm geworden, hier auf 2050 Meter Seehöhe.

Ich bin nun fast allein auf der Strecke, lediglich eine Läuferin befindet sich knapp hinter mir. Dann sehe ich vor der Staumauer den letzten Gebirgsbach, der vom Klockerinkees herunterströmt. Eine Markierung diesseits und jenseits des Baches, jedoch keine Brücke. Das Wasser fließt fast ungezügelt. Wie soll ich da rüberkommen? Die Verfolgerin schließt auf, und schaut fragend. Verdammt,  jetzt gibt es nasse Schuhe. Das ist noch das geringere Übel. Wenn man keinen festen Tritt findet und einen die Strömung umwirft, hat man ein richtiges Problem. Kein Helfer da, kein Seil. Das ist in meinen Augen nicht gut. Doch ich muss da drüber. Vorsichtig steige ich mit beiden Beinen ins Wasser und versuche die Tiefe mithilfe der Stöcke auszuloten. Es wird knietief. Mit drei, vier bedächtigen Schritten durchwate ich den Bach. Das Wasser ist gar nicht mal so kalt. Ich stehe wohl unter Adrenalin, denn Gletscherwasser ist natürlich eiskalt. Verrückt.

 

Kapruner Stauseen, Rückweg

 

Auf gut 2000 Meter Seehöhe liegt der Stausee Mooserboden, der den größten Teil seines Wassers mittels des Möll-Überleitungsstollens von der Pasterze unterhalb des Großglockners bezieht. Zwischen den beiden Talsperren Moosersperre und Drossensperre liegt der Felsen Höhenburg (2108 Meter). Am Ende der zweiten Staumauer sehe ich die Heidnische Kirche, ein Ehrenmal des Bildhauers Josef Magnus, als Erinnerung für die verunglückten Arbeiter beim Bau der Kraftwerksgruppe Kaprun. Vorher haben wir einen imposanten Ausblick auf den gut 300 Höhenmeter tiefer liegenden Wasserfallboden.

Ein paar Meter weiter wartet die zweite Verpflegungsstelle. Dort stehen gerade das in der Szene bestens bekannte Berliner Paar Monika und Lothar Preissler in Wanderschuhen. „Wir werden die 30 Kilometer schon bis zum Einbruch der Dunkelheit schaffen. Außerdem haben wir auch Lampen dabei“, so Lother. „Und grüß mir den Joe, den wilden Hund.“ Gesagt, getan.

Nach einer ausgiebigen Verpflegungs- und Getränkeaufnahme geht es für mich auf die letzten 18 Kilometer. An der Ebmaten-Fürthermoaralm herrscht Hochbetrieb im Biergarten. Plätze sind Mangelware. Ich schaue kurz in die nebenan liegende Kapelle. Nach einigen Minuten erreichen wir den Stausee Wasserfallboden (1672 Meter). Gewöhnungsbedürftig ist der Steig entlang am Westufer. Steiles Ufer, vielleicht 30, 40 Zentimeter breiter Pfad, dann geht es steil hinunter zum See. Trittsicher muss man sein, stolpern ist verboten.

 

 
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Kurz vor der Staumauer wird es wieder abenteuerlich. Ich biege um eine Felsnase, sehe im ersten Moment nur ein Altschneefeld, das bis zum Stausee hinunterreicht und oberhalb senkrechten Fels. Wo sollen wir denn da durch? Bei genauer Suche sehe ich Spritzwasser von oben, unterhalb verläuft der Weg und dann führen ein paar Stahltritte in ein Loch. Dahinter ist ein Autotunnel. Wahnsinn. Ein Fehltritt, und man stürzt ab.  

Wir erreichen die Staumauer Limbergsperre und dann führt uns der Weg immer weiter hinunter, bis Kaprun noch fast 900 Höhenmeter. In Serpentinen geht es unterhalb des Lärchenwalds steil hinunter. Die Stöcke verrichten einen guten Dienst. Der Lärchwand-Schrägaufzug überwindet auf 820 Meter 431 Höhenmeter. Der Aufzug ist heute Transportmittel für die Touristen und Bergwanderer auf ihren Weg von Kaprun zu den Hochgebirgsstauseen. Unterhalb und oberhalb des Schrägaufzuges werden die Wanderer mit Bussen weitertransportiert. Wir unterqueren die Gleise insgesamt drei Mal und sind bei der letzten Querung an der Talstation. Das Gefälle wird jetzt deutlich geringer. Der Wanderweg bleibt zwar schmal, aber lässt sich meist belaufen.

Am Kesselfall-Alpenhaus (1034 Meter) werden wir auf die letzte Wasserstelle hingewiesen. Doch dafür sind einige Extrameter fällig, die ich mir spare. Es ist nicht mehr weit. Kurz nach der Gletscherbahn Kaprun haben wir noch fünf Restkilometer. Leichte Enttäuschung bei mir. Ist doch noch sooo weit?

Das Tal wird langsam weiter. Die Kapruner Ache mündet in den Klammsee. Einige Badegäste tanken noch Sonnenwärme. Auch an diesem See wird Strom erzeugt. Unterhalb des Sees liegt die Sigmund-Thun-Klamm. Irgendwie verliere ich hier kurz vor dem Ziel den Überblick. Entweder ich übersehe eine Markierung oder jemand hat dieselbe heruntergerissen. Nach wenigen Minuten laufe ich der Hauptstraße in Richtung Kaprun. Auf den rechten Weg komme ich erst wieder auf der Höhe der Kapruner Sportanlage, wo der letzte Kilometer angezeigt wird. Dann führt mich der Radweg noch durch einen Tunnel unterhalb der Pfarrkirche und nach wenigen Metern überquere ich die Ziellinie.

 

Zielimpressionen

 

Man hängt mir die Medaille um, der Moderator begrüßt mich. Uff, das war jetzt aber eine ganz harte Nuss. Mein erster Weg geht zum Bierstand, denn auf den letzten sechs, sieben Kilometer war meine Trinkblase leer gesaugt. Es ist gerade noch gut gegangen. Zum Essen gibt es Nudeln mit zwei verschiedenen Saucen, sowie Orangen und Bananen. Duschen ist in der Schule möglich. Auch massieren kann man sich lassen.

 

 
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Ich kann nicht verstehen, wie die Sieger weniger als die Hälfte meiner Zeit benötigen. Die sind wohl nur in der Bergen unterwegs. Andererseits, ich konnte den Lauf länger genießen.10:47.10,3 Stunden, um ganz genau zu sein.

 

Mein Fazit:

 

Ich kann mir eine weitere Teilnahme schon vorstellen, auch wenn ich in Sachen Sicherheit Einwände habe (die beschriebene Bachüberquerung und das abschüssige Wegstück beim Wasserfallboden). Für die 110 Kilometer muss man top trainiert sein und auch psychisch extrem belastbar. Die Ultras mussten in diesem Jahr zwei schwere Gewitter aushalten. Unbedingte Voraussetzung ist auf alle Fälle Trittsicherheit. Und die vorgeschriebene Ausrüstung sowieso.

 

Informationen: Großglockner Ultra-Trail
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