Da wir nun am Waldrand laufen, sehen wir etwas von der Gegend: Vor allem Wald und Hügel. Tendenziell geht es nun leicht bergab, da lässt sich Tempo machen, gefällt mir gut. Kurz vor km16 ein Trompeter, der bläst gerade etwas Trauriges, als ich vorbei komme. Wahrscheinlich will er mich auf den kommen Anstieg vorbereiten, denn der ist fast 3km lang. Nicht steil, aber stetig und immer über Waldboden. Also schön die Beine heben, das wird einen strammen Hintern geben!
Als ich schon glaube, der Anstieg hört gar nicht mehr auf, wird die Zwischenzeit genommen. In meinem Fall genau 2 Stunden für 18,8km, ich bin oben am Masserberg (841m), dem höchsten Punkt der Strecke. Über den Weg ist ein Transparent gespannt, das uns herzlich willkommen heißt. Mit drauf das Rennsteig-Logo, dieses R mit gebogenem Pfeil darüber. Es erinnert sehr an eine Wendemarkierung. Ist es natürlich nicht, mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt.
Zu essen und zu trinken gibt es reichlich, sieht fast aus wie auf einem Markt, nur bezahlen muss man nicht, ist alles inklusive. Hier gibt es Wasser, Limonade, Tee und Zitronen, da Wurst- und Butterbrote, Vita-Cola gibt es, Schleim, Sitzgelegenheiten und um den Zuschauern die Zeit zu verkürzen, einen Platzsprecher. Mittendrin steht der Turm und überragt alles und jeden.
Km19, etwas holprig geht es 1km bergab auf 785m, dann neben einer Skipiste rauf, bei Halbmarathon sind wir auf 825m. Und dann geht es auf einem lauschigen Singletrail weiter, bis wir schließlich zum Stillstand kommen. Stau, und das nach 21 km! Im Gänsemarsch bewegen wir uns fort, über eine Treppen gelangen wir in einen kleinen Hohlweg, einer Art Mini-Canyon. Der Weg ist ausgewaschen, steinig und wurzelig. Nur ja nicht stürzen hier! Falls doch, hat sich ein Fotograf mit Stativ niedergelassen.
Bei km23 sind wir auf der Schwalbenhauptwiese, es gibt zu trinken und wir haben wieder freies Geläuf. Es geht ein Stück auf einer Bundesstraße entlang, der Autoverkehr muss warten. Rechts weg auf eine Wiese gelangen wir wenig später auf eine schöne Straße mit lang gezogener Steigung. Einige laufen am Asphalt, einige daneben am Naturweg.
Ab km25 geht es wieder etwas runter, bis hierher bin ich 2h55min unterwegs. Wenig später quert der Rennsteig die Bundesstraße. Wieder ein Teil läuft durch den Wald, ein Teil auf der Straße, das ist wohl der bequemere Teil. Kurz nach km27 sind wieder alle vereint und wir laufen, mit Applaus bedacht, in Kahlert ein.
Auf asphaltierten Güterweg geht es an einer Kuhweide vorbei nach Neustadt, Hügel rauf, Hügel runter. Die nächste Labe ist ganz oben, ich greife zu. Es mangelt an nichts, sogar gegrillt wird. Fürs Bier bin ich zu schnell, ich bin schon wieder unterwegs, als es angeliefert wird.
Kaum ein Haus in Neustadt, das keine graue Fassade aus Schiefer hat, oftmals sehr kunstfertig gearbeitet. Hier sind wir frühmorgens mit dem Bus durchgefahren. Raus aus der Stadt führt der Rennsteig eine Wiese hinunter, km30. Dann geht es wieder rein in den Wald und rauf. Ich drehe mich um, um ein schmerzverzerrtes Gesicht zu knipsen, aber nein, der lächelt!
Der Rennsteig quert nun die Bundesstraße, eben ist er so gut wie nie. Ein Leierkastenmann kurbelt uns ein Lied. Es folgt ein längerer Anstieg bei km33, alle gehen. Ich zwinge mich dazu, ein paar Schritte zu laufen. Bei km34 ein arg holpriges Stück, da tun mir alle Muskeln unterhalb des Knies weh. Nur gut, dass dieses Stück nicht allzu lange ist, aber genau da fordert mich das Schild eines Fotografen auf zu lächeln. Tut mir leid, geht jetzt nicht, ein anderes Mal. Die nächste Labe tut gut, die Sanitäter scheinen nichts zu tun zu haben.
Dann wird der Weg besser und ich kann wieder laufen, die Zwischenzeit bei km35 überquere ich nach 4h10min, auf der Forststraße geht es eine Weile bergab. Hier fliegt Bettina förmlich an mir vorbei. Wie gesagt, sie ist die Gehhilfen gewöhnt und kann hervorragend damit umgehen. In Allzunah, der Ort heißt wirklich so, spielt die Gruselgugge aus Ilmenau. Schön anzusehen in ihrer schwarz-lila Kleidung und gut spielen können die auch. Die folgenden 32 Höhenmeter des Meisenhügels kann ich fast nur mehr gehen, dafür kann ich das Runterlaufen genießen, das klappt noch wunderbar.
Und so laufe ich bei der letzten Labestelle vorm Ziel ein, km38,1 - noch 5,4km. Hier bekomme ich einen Erinnerungsstempel auf meine Startnummer und zu trinken. Es gibt auch Marathonis, die ihr Getränk im Sitzen genießen, der Sieger steht ohnehin schon fest.
38,1 + 5,4 = 43,5km, richtig. Der Rennsteig-Marathon hat die Extra-Meile schon eingebaut! „…nur noch lumpige 5km bis ins Ziel“ steht auf einem Stein nach der Labestelle „Monument am Bohrstuhl“. Ab jetzt ist es wirklich nur mehr in Katzensprung. Bis auf weiteres keine Höhenmeter mehr, mit Schwung passiere ich das Schild km40. Dann noch ein kleiner Anstieg und als ich nach Schmiedefeld einlaufe, parkt vor mir ein Lieferwagen aus! Der hat wohl mein Tempo unterschätzt, prompt überhole ich ihn, das km42-Schild muss ich aber doch knipsen. Bei der Marathondistanz wird die Zwischenzeit genommen. Es geht runter in den Ort, zur tiefsten Stelle der Strecke.
Jetzt noch rauf zum Sportplatz von Schmiedefeld, dem schönsten Ziel der Welt. Da kommen noch 89 Höhenmeter dazu. So oft habe ich meinen Namen schon lange nicht mehr gehört, von den abwandernden Besuchern und Läufern werde ich eifrig angefeuert. Mit immer noch ein bisschen Reserve laufe ich hoch. Ich weiß nicht, wann ich oben bin und wie es oben weiter geht. Dann erlebe ich es: Wie am Jahrmarkt - Wurstbuden, Festzelt, thüringische Spezialitäten gibt es, Fahrgeschäfte und sonstiges.
Die Strecke führt außen am Sportplatz entlang, am Ende quer rüber und schließlich geht es mit leichtem Gefälle ins Ziel, parallel dazu der Zieleinlauf des Supermarathons über 72,7km, der drei Stunden vor dem Marathon in Eisenach gestartet worden ist. Hannes steht knipsend an der Ziellinie und ich bin durch, habe 43,5km auf interessanter Strecke hinter mir. Der Schleim hat mich gut über die Distanz gebracht und umgekehrt ist auch keiner.
Fazit:
Der Rennsteigmarathon ist etwas Besonderes, hat mit einem normalen Marathon nichts zu tun. Will er wahrscheinlich auch nicht. Es wundert mich nicht, dass er von unseren Lesern zum beliebtesten Marathons Deutschland gewählt worden ist. Überall sind da nette Leute, am Start, im Ziel und entlang der Strecke die eifrigen Helfer.
3.036 Marathonis beenden schließlich in Schmiedefeld das Rennen, 20% davon Frauen.
Der Kleiderbeutel ist schnell abgeholt. Dann genießen wir bei Sonnenschein das Remmidemmi in Schmiedefeld und thüringische Köstlichkeiten in flüssiger und fester Form. Wir lassen uns unsere Urkunden ausdrucken und sind noch dabei, als die Gruselgugge musizierend einmarschiert. Ein sehr schöner Abschluss eines sehr schönen Tages.
Siegerliste
Supermarathon (72,7 km)
Männer
1 Seiler, Christian (GER) GutsMuths RSLV - 04:50:56
2 Lynas, Matthew (NOR) GutsMuths RSLV - 05:40:52
3 Jurkschat, Wolf (GER) GutsMuths RSLV - 05:44:06
Frauen
1 Kern, Karin (GER) LAV Stadtw. Tübingen - 06:16:47
2 Jakob, Anja (GER) Klingenthal/Vogtland - 06:22:25
3 Wagner, Carola (GER) Delligser SC - 06:23:13
2147 Finisher
Marathon (43,5 km)
Männer
1 Ludewig, Heiko (GER) LTV Erfurt - 02:42:16
2 Stengel, Oliver (GER) Uni Giessen - 02:49:29
3 De Franceschi, Luigi (GER) SV Ohmenhausen - 02:53:25
Frauen
1 Kruhme, Nicole (GER) GutsMuths RSLV - 03:07:28
2 Hempel, Kristin (GER) USV Erfurt - 03:15:26
3 Rottenbach, Christina (GER) KS-Sportsworld - 03:18:55
3036 Finisher
Informationen: GutsMuths-Rennsteiglauf