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13.05.23 - GutsMuths-Rennsteiglauf

Schunkeln bis der Startschuss knallt

Ich könnt mich abwatschen und das aus guten Grund. Denn vor zehn Jahren nahm ich zuletzt am Rennsteiglauf teil. Gut, dass mich der  Präsident des GutsMuths-Rennsteiglaufvereins, Jürgen Lange, beim Waldmarathon in Zeil am Main an das Jubiläum erinnert und aufgefordert hat, mal wieder nach Thüringen zu kommen.  Und so reise ich gerne nach Neuhaus am Rennweg, um den Marathon nach Schmiedefeld anzugreifen.

Einfach einen Tag vorher eine Unterkunft buchen, das ist unmöglich bis aussichtslos. Die meisten Sportler reservieren ihr Bett für das nächste Jahr immer gleich nach dem Zieleinlauf. Wenigstens kann man in der benachbarten Schule an der GutsMuths-Halle noch einen Unterschlupf finden. Ich habe Glück, da in einem Hotel ein Zimmer wegen einer Stornierung kurzfristig verfügbar war.

Neuhaus am Rennweg hat knapp 9000 Einwohner und liegt auf über 800 Meter Seehöhe und ist damit einer der höchstgelegenen Orte in Thüringen. Entsprechend rau ist das Klima mit schneereichen Wintern und kühlen, feuchten Sommern. Bei meiner letzten Teilnahme am Rennsteiglauf hatte es am Tag zuvor sogar noch geschneit.

Am späten Nachmittag checke ich im Hotel ein und will mir noch im Rahmen einer Stadterkundung die Beine vertreten. Am Kirchweg sollte man unbedingt die Holzkirche anschauen. Da die Kirchentür offen steht, zieht es den Katholik in die evangelisch-lutherische Kirche, die Ende des 19. Jahrhunderts hier erbaut wurde. Der Kirchenraum ist vollständig holzverkleidet, die Empore zieht sich auf drei Seiten, die Orgel steht in der Mitte. In Fußweite sehe ich das ehemalige Schulhaus, das 1910 erbaut wurde.

 

 
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Dann zieht es mich zur Sporthalle am Apelsberg, wo bereits der Bär tobt. Die Musik spielt, die Leute holen sich ihr Essen, im Freien kann man sich mit Thüringer Würsten und Gegrilltem versorgen. Nebenan im Gymnasium hole ich meine Startunterlagen ab. Die Leute haben gut zu tun, doch der ganze Ablauf ist gut durchorganisiert, es kommt zu keinen Wartezeiten. Besonderheit am Rande: Wir können, wahrscheinlich zum letzten Mal, den gelben ChampionChip für die Zeitnahme verwenden. Denn mika-timing stellt die Zeitnahme mit dem gelben Ding zum Jahresende ein. Es wird dann auch hier die One-Way-Chip-Technik zum Einsatz kommen. Lange genug hat er mich begleitet.

Zurück in der Halle sind die Biertische fast vollständig besetzt. Am Bierausschank sind fünf (!) Leute nur mit dem Bierzapfen beschäftigt. Nebenan erhalten wir für unseren Gutschein eine große Portion Klöße, Rinderroulade und Blaukraut. Die Nachfrage ist so groß, dass die Essensausgabe schon um 20.00 Uhr schließen muss. Wer noch nicht seinen Gutschein eingelöst hat, kann sich dafür vor der Halle eine Steaksemmel oder eine Wurst holen.

Der Moderator Hans-Peter Müller, auch Hans im Glück genannt, versteht seine Aufgabe voll und ganz. Er kommt aus Neuhaus, kann mit allerhand Wissen glänzen und reißt alle stimmungsmäßig mit. Das geht dann von der Begrüßung der Teilnehmer aus allen Bundesländern, es werden die Geburtstagskinder gratuliert und es gibt noch Interviews zum morgigen Rennen. Als Warm-Up für den nächsten Morgen wird das Rennsteiglied und der Schneewalzer mehrmals intoniert. Später beginnt dann die Party mit der Tanzkapelle Hess. Die Bewegungsfreudigen zieht es dann in Scharen auf die Tanzfläche. Ich frage mich, wie wollen die am nächsten Tag den Marathon laufen, wenn sie sich schon jetzt verausgaben. Keine Ahnung, wann die letzten das Feld räumten.

 

Der Marathontag

 

Der beginnt für einige sehr früh, denn mit einem gut durchdachten Konzept können die Läufer aus vielen Städten und Orten an die jeweiligen Startorte Neuhaus, Oberhof und Eisenach mittels Busverkehr gebracht werden. Die ersten werden wohl schon vor drei Uhr einsteigen müssen. Da habe ich es gut, denn mein Wecker schellt um 06.30 Uhr und von der Unterkunft bin ich nur 15 Minuten mit einem gemächlichen Spaziertempo zum Startort am Apelsberg unterwegs.

 

 
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Einige Anwohner haben bereits ihre Häuser mit entsprechenden Motivationsschildern und Fahnen geschmückt. Ein paar Meter können wir unsere Taschen und Klamotten bei den Fahrzeugen der DHL abgeben. Oben auf dem Startfeld kommt jetzt 30 Minuten vor dem Start so langsam Stimmung auf. 3500 Marathonis sind es geworden, so viele wie vor der Pandemie, und darauf werden wir mehrfach hingewiesen. Der Bürgermeister Uwe Scheler begrüßt uns Läufer von der Bühne aus. Die Lichtethaler Musikanten spielen auf und dann geht es fast Schlag auf Schlag. Das Rennsteiglied läutet den Count-Down ein. Und dann folgt der Schneewalzer. Das müsstet ihr sehen, Gänsehautfeeling pur. Die meisten singen mit, außer jenen, die dem Text nicht genau kennen, so wie ich. „Einhaken“ kommt als Befehl vom Hans. Und dann Hände nach oben. Da wird dann sogar in der ersten Startreihe geschunkelt. Andernorts würden sich die schnellen Protagonisten den kürzesten Weg durch das Starttor suchen.

„Noch zwei Minuten, noch eine“, höre ich von der Bühne, dann wird von zehn heruntergezählt und Sonnebergs Vize-Landrat Jürgen Köpper lässt uns mit einem Schuss aus der Pistole auf die Strecke zum schönsten Ziel der Welt, nach Schmiedefeld.

 

 
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Das Absperrband haben zwei Posten vorher schon beseitigt, nun suchen sich die schnellen Läufer ihren Weg bis zum 50 Meter entfernten Starttor. Dort liegen auch die Zeitmessmatten, es wird eine Nettozeit genommen. Ich laufe an der Bühne vorbei und bleibe dann für zwei, drei Augenblicke stehen, um noch von dem großen Feld ein paar Bilder zu machen.

Nach ein paar Metern Grünfläche steigt unser Kurs auf einer Wohnstraße an. Die Anwohner applaudieren eifrig und nicht wenige haben ihre Häuser und Zäune mit Fahnen und Transparenten geschmückt. Mein Plan ist heute einmal mehr die Defensive, Kraft einteilen und genießen. Der Anstieg endet und an einem Zaun lese ich,  „der erste Berg ist geschafft“, noch bevor Kilometerschild eins zu sehen ist. Das sehe ich dann in der Bahnhofstraße. Links ist der höchstgelegene Bahnhof Mitteldeutschlands zu sehen, es wäre für mich auch eine Anfahrt mit den Öffentlichen möglich gewesen. Sonneberg und Coburg ist mit einem Stundentakt angebunden. Gleich danach mündet unsere Strecke in den höchstgelegenen Kreisverkehr (830 Meter) in Thüringen ein. Eine Moderatorin hat nicht nur mir das eingesagt.

Gleich an der ersten Ausfahrt geht es nun auf die Bundesstraße 281, die Eisfelder Straße. Auf der Bundesstraße bleiben wir die nächsten vier, fünf Kilometer und das ist zweckmäßig. Denn das dichte Läuferfeld muss sich erst noch ein wenig entzerren. Die Wanderer, die im zweiten Startblock zehn Minuten nach uns auf die Reiste geschickt werden, werden bereits am vorherigen Kreisverkehr auf den Rennsteig geschickt. Das Läufervolk ist nun entspannt, sucht sein Tempo, wobei die meisten noch mit den Nachbarn ratschen und sich austauschen. Es geht gut hinunter und dann beim Wanderparklatz Sandwieschen bei der Steinheider Hütte (777 Meter) können wir schon zum ersten Mal trinken. Wasser Limo, Cola und warmer Tee sind im Angebot. Mit reichlich Manpower schaffen die Helfer den Ansturm der durstigen Läufer, es kommt zu keinen Stockungen. Dann verlassen wir das Asphaltband.

170 Kilometer lang zieht sich der Rennsteig von Hörschel bei Eisenach über Oberhof, Schmiedefels, Neustadt und Neuhaus bis nach Blankenstein, dort sind schon die Ausläufer des Frankenwaldes und des Schiefergebirges zu sehen. Ein Wanderer benötigt dafür eine Woche zu Fuß. 100.000 Leute haben das jährlich als Aktivurlaub geplant. Bereits 1897 veranstaltete seinerzeit der Rennsteigverein um die Pfingstzeit herum seine sechstägige Wanderung über den Kammweg, diese wurde damals als die große Runst genannt. Mit „Gut Runst“ wird auch heute noch der ausdauernde Wanderer auf seine Reise geschickt. Die Markierung des Rennsteiges ist meist das weiße R angebracht.

Ich verlasse die Trinkstelle, wir müssen auf einem frisch geschotterten Waldweg weiter und sehen  etwa bei Kilometer sieben rechterhand die Talsperre Scheibe-Alsbach. Der Hang ist ohne Baumbewuchs. Einige im Feld erzählen, dass der Ausblick auf die Wasserfläche neu ist.

 

 
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Der bequeme Schotterweg neigt sich dann hinunter, wir verlassen den Wald und laufen nach Limbach hinein, ein kleiner Ortsteil von Neuhaus. Die Gebrüder Greiner aus dem Glasmacherort Lauscha, unweit von Neuhaus, haben den Ort gegründet. Zwei Kinder machen sich an einem kleinen Wasserrinnsal zu schaffen und leiten das Wasser um, damit es uns nicht auf den Weg läuft.

Wir überqueren die Hauptstraße, die von zwei Polizisten abgesperrt wird, und dann geht es wieder bergauf, auf schmälerer Strecke wie zuvor. Das Asphaltband endet und jetzt kommen Geländeläufer und Trailrunner auf ihre Kosten. Klar, dass man sich nun auf die Bodenbeschaffenheit konzentrieren muss, sonst landet man sprichwörtlich schnell auf dem Boden der Tatsachen. Im dichten Tann sehe ich dann einen Pressefritzen durch einen Graben laufen, wohl auf der Suche nach einer lohnenden Aussicht. Kurz danach ist dann der zehnte Kilometer abgehakt.

Im Unterholz sehe ich einen dreiseitigen Obelisken, es ist der Dreistromstein (812 Meter), der seit 1906 den Wasserscheidepunkt von Weser, Elbe und Rhein markiert. Erbaut ist der Obelisk aus den Gesteinen, die für den jeweiligen Fluss typisch sind: Quarz für den Rhein, Grauwacken für die Weser und Granit für die Elbe. Leider sehe ich ein entsprechendes Hinweisschild zu spät, um für ein Foto stehen zu bleiben.

Kilometer 12, die Verpflegungsstelle Dreistromstein wartet, die Freunde des Wintersportvereins Scheibe-Alsbach sorgen für unser Wohlergehen. Ich nehme erneut warmen süßen Tee und bin damit zufrieden. Eine Kapelle spielt uns sprichwörtlich aus dem Verpflegungsbereich hinaus.

 

 
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Dann laufe ich auf ein Quartett auf, die mit ihren neongelben Shirts nicht zu übersehen

sind. Auf ihren Shirts steht „Wir laufen für Andrè“. Der Berichterstatter, neugierig auf Unbekanntes, fragt nach. Mir bleibt fast der Atem stehen, als einer mit belegter Stimme  sagt: „Der Andrè ist nicht mehr unter uns und schaut jetzt von oben zu“. Ich frage nicht weiter nach, tröste: „Jetzt hält er die Hand über uns und wird uns sicher ins Ziel geleiten.“ Nach einem kurzen Austausch schicken mich die vier nach vorne. Im Ziel werde ich sie wiedersehen und dann feststellen, dass die vom Lauffeuer Fröttstadt stammen, die den Thüringer Ultra organisieren.

Dann sehe ich eine Info-Tafel, die auf den 8314 Meter langen Bleßbergtunnel hinweist: 235 Höhenmeter tiefer führt die schnelle Eisenbahnverbindung Nürnberg nach Erfurt durch den Thüringer Wald, die unsere Hauptstadt Berlin deutlich näher gebracht hat. Mit bis zu 300 Kilometer pro Stunde jagen die Schnellzüge unten durch.

An der Eisfelder Ausspanne liegen gut 15 Kilometer hinter uns. Hier trafen sich früher sechs Handelswege. Am Übergang vom Werratal ins Schwarzatal wurden damals die müden Pferde nach dem Anstieg ausgespannt und mit frischen Kräften zogen die Fuhrleute weiter talwärts. Auffällig ist, dass immer wieder Grenzsteine zu sehen sind. Über 1300 sind Zeugen von früheren Grenzverläufen. Einer davon ist der Dreiherrenstein an der Hohen Heide (832 Meter), der 1846 gesetzt wurde und die Grenze zwischen dem Herzogtum Sachsen-Meiningen, dem Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt und dem Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen markiert. Unweit von hier liegt die Werraquelle.

An der Turmbaude wird für die Bergwertung über 18,3 Kilometer die Zeit genommen. Meine knappen zwei Stunden Laufzeit reichen für keine läuferische Ehre, ich bin knapp zwei Stunden unterwegs, bin aber mit meinem bisherigen „Gelaff“ zufrieden. Die SG Rennsteig Masserberg hat an der Turmbaude eine großzügige V-Stelle aufgebaut und betreibt diese mit Kind und Kegel. Kein Wunsch des Läufers nach fester und flüssiger Nahrung bleibt unberücksichtigt. Es ist schon eigenartig, dass jeder seinen Lauf unterbricht, stehen bleibt und sich aus dem Angebot das Passende holt. Wer den 33 Meter hohen Aussichtsturm besteigen möchte, der kann bei dem Sonnenwetter wie heute eine weite Aussicht bis zum Gleichberg, den Großen Beerberg oder der Veste Coburg genießen. Ich werde mir das in der Zukunft sicher einmal antun, wenn ich als Wanderer vorbeikomme.

Es geht nun ein Stück bergab und wir tangieren Masserberg am Ortsrand, wo etliche Zuschauer das Geschehen beobachten. Nach wenigen Minuten, quasi im Nirwana, oder besser gesagt im Wald, überlaufen wir die Halbmarathonmarke, wo abermals die Zeit genommen wird. Ein Helfer der Zeitnehmung richtet die rote Zeitmessmatte auf dem Grasweg aus, nicht dass ein Läufer am überstehenden Rand hängenbleibt. Gut 2 Stunden 15 Minuten sagt meine App im Handy, die Kilometermarkierungen sind sehr genau angebracht. Es folgt ein garstiges Crossstück bergab, einen guten Kilometer lang. Anfangs ein paar rustikale Treppen, dann in einem Hohlweg mit Wurzeln und Steinen. Einige Läufer gehen hinunter, Platz zum Überholen ist nur beschränkt. Doch die meisten Läufer machen Platz, wenn sie von hinten jemand herankommen hören. Trailrunning pur!

Bei der Schwalbenhauptwiese (Kilometer 23) endet der gefährliche Streckenteil, wir können wieder verpflegen, die Helfer der WV Schleusengrund Schönbrunn reichen uns Essen und Trank zu. Vor mir läuft einer, der bereits 33 mal hier gelaufen ist. 33 Jahre Laufkarriere, Respekt. So lange bin ich auch laufend unterwegs, aber bei einer so schweren, aber wunderschönen Veranstaltung 33 mal teilzunehmen, das habe ich nicht geschafft.

 

 
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Nur kurz ist der kurvige Grasweg nach der Getränkeaufnahme. Dann können wir wählen: weiter auf dem unbefestigten Rennsteig wurzelig und uneben, oder auf der parallel Landstraße L2052, die für den Verkehr gesperrt ist. Die meisten wählen den Asphalt, um den Füßen ein wenig Erholung zu gönnen. Es warten ja noch mehr als 15 Kilometer bis zum Finish. Für den Fotografen sind solche Strecken bestens, denn man kann sich auf lohnenswerte Objekte konzentrieren. So wie bei Franz, der erst dann zum Grinsen anfängt, als er mich mit der Kamera hantieren sieht. Ja, der Franz hat einmal zugegeben, dass er für sein Gewicht eigentlich zu klein ist. Aber ich weiß, dass der Franz auch ganz andere Sachen macht, wie zum Beispiel einen Ironman. Weiter vorne laufen Michael und Jürgen, alle drei sind aus Ingolstadt.

Kurzzeitig verlassen wir die Straße und laufen auf einem Rumpelpfad wieder im Wald (Kilometer 26). Kurz vor der Siedlung Kahlert geht es wieder auf dem Asphaltband in den Ort, wo sich eine Polizistin als Moderatorin ausgibt. Auf meine Frage, ob ich sie denn fotografieren darf (man fragt ja höflich), kommt von ihr übers Mikro „ja sicher“. Ein asphaltierter Feldweg führt uns dann hinein nach Neustadt am Rennsteig, im Ort dann wieder einmal ansteigend. Da sehe ich wieder viele schon am Wandern. Der Rennsteig führt auf einem Kilometer mitten durch den Ort, der auf 805 Meter Seehöhe liegt. Mit Kilometer 28 haben wir zwei Drittel der Strecke schon geschafft.

Der Feuerwehrverein Neustadt hat für seine Verpflegungsstation ein großes Bierzelt aufgestellt. Perfekt, so sind Helfer und Läufer vor einem Unbill des Wettergottes geschützt. Ich hole mir Cola und etwas zu essen und laufe dann mit vollem Bauch weiter. An einem Eck sehe ich noch die Michaeliskirche, die auch Meininger Kirche genannt wird. Ein paar Meter weiter dehnt ein Läufer seinen Oberschenkel. Dann sehe ich einen Musiker mit seinem Akkordeon und eine merkwürdige 5köpfige Gruppe, die für einen kostenlosen Bibelkurs werben. Nähere Recherche sagt, dass das Zeugen Jehovas sind. Sie applaudieren artig und helfen uns somit weiter.

Bei Kilometer 29 verlassen wir Neustadt, der Rennsteig verläuft wieder auf unbefestigten Waldweg, der später kurzzeitig zum Pfad wird. Später im Wald sehe ich dann Hans seinen Vater Gerald anschieben. Gemeinsam geht es leichter und geteiltes Leid ist halbes Leid. Jenseits Kilometer 30 wartet ein Steilstück, wo die Masse marschiert und ich, zwar langsam, aber immerhin noch hochlaufen kann.

 

 
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Am Großen Dreiherrenstein (Kilometer 33,4) wird erneut eine Zwischenzeit genommen und dann wartet eine reichhaltige Verpflegungsstelle, das Team der LG Stützerbach begrüßt hier die Rennsteigläufer zum 42. Mal. Eine Tafel zeigt die Durchlaufzeiten der drei schnellsten Männer und Frauen, die werden zur jetzigen Zeit schon „daheim“ sein. Das Blasorchester Stützerbach hat gerade eine Erholungspause, während die Frauen am Ausschank ohne Unterbrechung fleißig nachschenken. Zum 50. Jubiläum des Rennsteiglaufes haben sich die Damen Schärpen umgelegt und lustige Hütchen aufgesetzt. Kurz zuvor haben wir den Mittelpunkt des Rennsteigs passiert.

Der Ort Allzunah (Kilometer 36) markiert fast schon den Punkt, an dem man einen Endspurt beginnen könnte, nur mehr sechs Kilometer. Ich kann laufend überholen, die Taktik mit dem defensiven Beginn war wohl nicht verkehrt.

Nach einer weiteren Steigung wird für uns der rote Teppich ausgerollt. Die Laufgruppe Frauenwald hat da eine gute Idee in die Tat umgesetzt. Für 50 Meter können wir defilieren wie die Stars und Sternchen, aber dann hat uns der rustikale Untergrund des Rennsteigs zurück. Zumindest geht es wieder bergab bis zum Frauenwald-Monument, wo die letzte Tankstelle wartet. Einer verlangt Bier (ich), der Moderator schlagfertig: „Ganz hinten links gibt es Schwarzbier und Pils“. Kinder reichen den Läufern Müsliriegel und Tee und der Bayer steuert den Helfer ganz hinten links an und lässt sich auf das „Noagerl“ Cola einen Schuss Schwarzes draufsetzen. Der richtige Koffeinschub für mich, den Alk verschweigen wir. Der Peter hat sich für den Bierzufuhr gleich auf der Bierbank niedergelassen. Die Ortstafel zeigt Schmiedefeld in vier Kilometer Entfernung an.

Bei Kilometerschild 39 beginnt ein letztes längeres Gefälle. Manche können es noch richtig laufen lassen. Und in der Tat habe ich hier meinen schnellsten Kilometersplitt. Die ersten wild geparkten Autos weisen auf den Ortsrand von Schmiedefeld hin. Wir laufen am Friedhof vorbei und nicht hinein und dann überqueren wir unter Polizeischutz die Alte Ilmenauer Straße und dann noch die Eisenbahngleise am Schmiedefelder Bahnhof.

 

 
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Ab hier können wir die letzten Körner verfeuern, denn rund 90 Höhenmeter geht es zum Ziel hinauf am Sportplatz. Die Laufstrecke ist für uns abtrassiert. Links kommen Zuschauern und Läufer vom Ziel herunter, heftig  applaudierend. Eine Wahnsinnsstimmung, mit keinem anderen Lauf vergleichbar. Immer weiter zieht sich der Zielschuss hoch, der Moderator ist schon zu hören. Weitere Kurven, jetzt links herum, ich sehe, wo die Strecke des Supermarathons einmündet. Dann endet die Steigung und nach einer weiteren Linkskurve biege ich auf die letzten Meter ein.

Vor mir, das schönste Ziel der Welt, in Schmiedefeld. Ich werde noch namentlich angekündigt und laufe dann mit Gänsehaut ein. Eine Frau nimmt mich an der Hand und zerrt mich zum Ziel. Leider vergesse ich nach den Namen zu fragen und auch zu fotografieren. Danke der Unbekannten, dass du mich auf die letzten Meter noch mitgenommen hast. Der Rennsteiglauf ist geschafft und ich nehme mir vor, nicht wieder so lange auf eine neue Ausgabe zu warten.

Ein wenig bleibe ich im Zielbereich und treffe noch einige Bekannte bei ihrem Finish, so wie Peter, der bei seiner Anfahrt mit Pech bei der Bahn einige Stunden mehr für die Anfahrt aus dem Schwäbischen benötigte. Oder die Ingolstädter in ihrem bayerischen Outfit, die Geli aus Kemmern, der Dieter aus Süssen oder der Harald, den ich in Kürze in Salzburg wieder sehen werde.

Die Medaille wird uns ein paar Meter weiter umgehängt, anschließend erhalten wir weitere Getränke. Die an der Startnummer hängenden Gutscheine für Suppe und Schwarzbier können wir an separaten Ständen einlösen. Für Brätel und Wurst brauchen wir ein kleines Geld.

Die abgegebenen Kleidung liegt dann auf der der Gepäckwiese. Tipp: Diese sollten wasserdicht verpackt sein. Heute braucht es das nicht, denn es bleibt trocken. Der Rücktransport ist problemlos, die Abfahrtstellen sind ausgeschildert. Als ich mich zur Rückfahrt aufraffe, steht die Blasmusik schon auf den Tischen. Wie wird das mit den Sportlern sein, bei denen am frühen Abend die Siegerparty beginnt?

 

Sieger

Marathon Männer:

1. Erik Hille, LT Haspa Marathon Hamburg, 2.32.21
2. Tom Thurley, Potsdamer Laufclub, 2.35.15
3. Marcel Bräutigam, GutsMuths-Rennsteiglaufverein, 2.35.54

Frauen:

1. Anne Barber, LC Ron Hill Berlin, 3.07.42
2. Sindy Kermer, SC DHfK Leipzig, 3.11.01
3. Laura Michel, TG trizack Rostock, 3.18.08

 

Supermarathon Männer:

1. Janosch Kowalczyk, adidas TERREX, 5.05.11
2. Steffen Justus, nextgendingmad, 5.13.42
3. Frank Merrbach, LG Nord Berlin Ultrateam, 5.22.45

Frauen:

1. Kristin Hempel, USV Erfurt, 6.17.39
2. Antonia Müller, LC eXa Leipzig, 6.40.44
3. Jana Seel, LAV 07 Bad Harzburg, 6.46.15

 

 

 

 

 

 

 

 
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