Bin ich weit in der Welt habe ich Verlangen, Thüringer Wald nur nach dir
Herzog Ernst der Fromme ließ in den Jahren 1649 bis 1666 den Kammweg im Thüringer Wald erforschen, vermessen und kartieren, um notfalls Truppen gegen die immer noch nach Wien strebenden Türken schicken zu können. Aufgrund dieser militärischen Karten verfasste Christian Juncker die erste ausführliche Rennsteigbeschreibung. Sein Landesherr wollte den militärischen Schleichweg und die Beschreibung seiner Landesgrenzen jedoch nicht so genau bekannt werden lassen und verhinderte den Druck der Junckerschen Handschrift.
1890 schrieb August Trinius in einem kleinen Wanderbüchlein folgenden Satz: „Kein Gebirge der Welt hat etwas Ähnliches aufzuweisen wie den uralten Rennsteig“ und löste damit ein Wanderfieber aus, denn vor allem die über 1300 uralten Grenzsteine des Rennsteiges galten als ein Kuriosum deutscher Kleinstaaterei in einer Zeit, als Deutschland Kolonien auf Samoa, den Karolinen und Neu Guinea gründete. Kein anderer Wanderweg des Deutschen Reiches führte durch so viele Grenzgebiete und galt fortan als Reichseinigungssymbol.
Was für andere Mallorca, ist für mich ein Marathon in Thüringen. Darum mache ich einen Ultraurlaub mit 72,7 km am Samstag und 50 km am Sonntag. Das Auto wird in Schmiedefeld geparkt, dem Zielort des Supermarathons. Eckard nimmt Hannes (Platz 8 letztes Jahr) und mich mit nach Eisenach, dem Startort. Mehr als 1,5 Stunden dauert die Fahrt und macht uns die gewaltige Entfernung deutlich, die wir morgen bewältigen werden.
Das Festzelt auf dem Markplatz in Eisenach wird um 18 Uhr brechend voll. Die berühmte Kloßparty beginnt. Gulasch, Klöße und Rotkohl gehören zum Rennsteig dazu wie Haferschleim und die Zielparty in Schmiedefeld. Um 22 Uhr tritt Ruhe ein. Viele gehen ins Massenquartier in die Schule, jedoch gibt es in Eisenach auch reichlich Hotelzimmer.
Etwa 2000 Ultraläufer finden sich allmählich auf dem Markplatz in Eisenach (210 m NN) ein. Es ist diese eigene Ultrastimmung die uns einhüllt, bis um 6 Uhr der Startschuß fällt.
Durch die Fußgängerzone, am Bahnhof vorbei erreichen wir nach nur 1,5 km den Stadtrand. Ein langer Anstieg von 7,4 km liegt vor uns. Ein Hubschrauber mit Filmteam kreist über den Köpfen. Das Läuferfeld ist eng, doch hier hat jeder die Ruhe weg, ein Überholen macht keinen Sinn. Der erste Getränkepunkt wird am Waldsportplatz (km 7) erreicht. Warmer Läuferdunst vermischt sich mit dem kühlen Nebel und gibt diesem Platz eine eigenartige Stimmung.
Hier erreichen wir den Rennsteig, aber wir haben erst 200 Hm von ingesamt 1500 Hm bewältigt. Nochmal 200 Hm bis zur nächsten Getränkestelle Ascherbrück bei Km 13. Weiter aufwärts. Bei der ersten Verpflegungsstelle Glasbachwiese (km 18 / 647 m NN) gibt es für mich die erste Nahrung des Tages: „Fettbemme“ wie die Schmalzbrote hier genannt werden.