Das 25 km Schild und somit der Gipfel vom großen Inselsberg kommt so schnell, dass es uns nur wundert.
Der Berg ist mit 916,5 Höhe der vierthöchste eigenständige Berg Thüringens und zweithöchste Erhebung des Rennsteiglaufs. Das Markenzeichen des Gipfels sind die weithin sichtbaren drei Türme:
Ein 1939 errichteter 43 m hoher freistehender zylindrischer Turm in Stahlbetonbauweise, der noch bis Kriegsende als Funksende- und Überwachungsstelle für militärische Zwecke genutzt wurde. Danach diente der Turm noch einige Jahre als Aussichtsturm. 1955 wurde nach umfangreichen Umbauten der Turm wieder als Sendemast der Post in Betrieb genommen. Wegen seiner zylindrischen Form trägt der Turm auch den Spitznamen "Thermosflasche". 1989 wurde der große Sendemast auf seiner Spitze abgebaut und durch kleinere Mobilfunkantennen ersetzt.
Der neue, 1974 errichtete Sendeturm ist ein freistehender 127 Meter hoher Stahlrohrturm, der auf vier Füßen steht und in seiner Bauweise dem etwa zum gleichen Zeitpunkt auf dem Brocken errichteten neuen Sendeturm entspricht.
Der viereckige Turm, auch alter Turm genannt, war ehemaliger Standort der Wetterwarte Großer Inselsberg und wurde erst in der zweiten Hälfte der -50er Jahre, in Verbindung mit dem Aufbau des Schmalbandrichtfunknetzes des ZK der SED, errichtet. Über ihn wurden in den 60er Jahren Richtfunkverbindungen zwischen den südlichen Bezirken der DDR und den Kreisleitungen der Partei sicher gestellt.
Erleichtert erreichen die Läufer den Gipfel. Sie haben weniger ein Auge für die markanten Türme, als vielmehr auf die grandiose Aussicht, die sich heute bietet. Doch aufgepasst: vor dem Parkplatz besteht die Straße aus riesigen Schlaglöchern.
Früher war hier die Grenze zwischen dem Kurfürstentum Hessen und dem Herzogtum Sachsen-Gotha. Aus diesem Grund wurde auch auf beiden Seiten ein Gasthaus errichtet: 1810 auf der hessischen Seite der heutige "Berggasthof Stöhr" und auf der gothaischen 1852 der heutige "Berggasthof Stadt Gotha". In den 60er Jahren wurde noch ein Jugendgästehaus errichtet, welches nun genau zwischen den beiden Gasthöfen steht und noch heute als Jugendherberge betrieben wird.
Ich weiß was jetzt kommt: hölzerne Treppen! Meine Beine, die gerade den heftigen Anstieg bewältigt haben, jaulen vor Schmerz. Aber es kommt noch besser: auf 1,3 km Länge geht es fast 200 HM bergab. Das ist so steil, dass wir mit kleinen Schritten hinunter trippeln. Und es nimmt kein Ende. Wir sehnen uns nach der nächsten Steigung. Vorher liegt aber als Belohnung die Verpflegungsstation Grenzwiese, km 26,8. Schon von weitem hören wir die Musik und den Moderator, der die Läufer willkommen heißt. Es gibt nun zusätzlich Salamibrot.
Die folgende Strecke ist wenig spektakulär. Ich bin ziemlich platt und muss den kleinsten Anstieg gehen. Ich treffe auf Holger, der mich aufklärt, was es mit seiner blauen Startnummer auf sich hat: er hat bereits 25mal den Rennsteiglauf gefinisht. Großartig! Wir laufen uns noch öfter über den Weg und er stellt verblüfft fest, dass er wieder im gleichen Tempo wie in den Vorjahren unterwegs ist.
Es wird langsam warm. Die Sonne scheint nun schon recht zuverlässig und es geht auf Mittag zu. Die Getränkestation Possenröder Kreuz liegt bei km 33,6. Hier bedienen sich die Helfer selber aus einer riesigen Gulaschkanone. Es gibt aber keinen Eintopf, sondern Thüringer Rostbratwurst. Guten Appetit.
Mühsam kämpfe ich mich weiter. Auch um mich herum sind mittlerweile die Gespräche verstummt. Irgendwie ist gerade die Luft raus. Da höre ich entfernt Musik und Sprecheransagen. Das wird doch nicht schon die Ebertswiese sein? Doch - noch eine letzte Kurve und sie liegt unter uns. Glücklich laufe ich den breiten Weg hinunter. Ein älterer Zuschauer sieht mich fotografieren und entreißt mir den Apparat. "Jetzt mach ich ein Bild von Dir"! Ich posiere vor dem Verpflegungsschild. Dann gibt er mir den Fotoapparat zurück und ich kann über die Zeitmessmatte laufen. Der Sprecher kündigt mich an.
Hier sieht es aus wie auf dem Jahrmarkt. An den Ständen suche ich Haferschleim. Es gibt Heidelbeersuppe mit ganz vielen Früchten. Dazu Tee und Banane. An einem Tisch hat es Platz. Ich muss mich setzen. Gemütlich lasse ich die Szenerie auf mich wirken. Müde Läufer kommen an, stärken sich und weiter geht es. An einem Stand gibt es auch Brühwurst aus dem Kessel. Allein der Duft sagt mir, dass ich das lieber bleiben lassen sollte. Da stellt ein Helfer seine Kaffeetasse vor mir ab. Ich bitte um einen Schluck und bekomme prompt eine ganze Tasse. Der Helfer sagt fast entschuldigend, dass er den Kaffee bitter nötig hat. Er ist, wie ich auch, schon seit mehreren Stunden im Einsatz.
Ich verabschiede mich und laufe weiter. Gerade sagt der Sprecher, dass hier auf der Ebertswiese die Hälfte des Laufs geschafft ist. "Es geht jetzt bergab" fügt er noch hinzu. Leider geht es erst mal bergauf. Aber so war die Ansage wohl nicht gemeint.
Heimlich still und leise sind nun auch Nordic Walker auf der Strecke. Ihr Start war um 7 Uhr in Schnepfenthal. Wir rollen ihr Feld quasi von hinten auf. Übrigens heißen die hier nicht Walker sondern Wanderer. Bergauf sind die meisten schneller als ich. Bei einer Steigung kommt es zu einem interessantes Gespräch zwischen einem Wandererpaar und mir über den Genuss von Thüringer Bratwurst. Ein anderer Läufer mischt sich ein mit der Bemerkung, er wäre Vegetarier. Ich meine, dass dann dieser Lauf das Paradies auf Erden sein müsse: Haferschleim und Bananen. Schlagfertig "singt" er ein Loblied auf die weltbekannten Thüringer Bananen. Naja, vielleicht sind wir schon leicht durchgedreht.
Als ich im letzten Jahr an der Getränkestelle Neue Ausspanne bei km 39 war, war der Sieger des Laufs schon im Ziel. Heute höre ich hier noch nichts darüber. Ich bin jetzt 5h30 unterwegs. Was ist los?
Nico läuft zu mir auf. Er kennt den Rennsteig bisher nur von der Marathonstrecke und die sei kein Vergleich zu den Steigungen, die hier zu bewältigen sind. Ich nerve ihn mit ein paar Weisheiten über Laufen im Einzelnen und Ultralaufen im Besonderen. Bis zu den Neuhofer Wiesen km 45,4 sind wir mit Reden abgelenkt. Ich gönne mir eine Cola und einen Moment auf der Bank.
Jetzt kommt ein ganz feuchtes Eck. Nichts gelernt, wie letztes Jahr tappe ich voll in eine Pfütze. Obwohl die Wanderer Rücksicht nehmen, ist es hier ganz schön eng.
An der nächsten Steigung ist Nico wieder da. Zusammen laufen wir am km 50 Schild vorbei. Beim Supermarathon gibt es ja nur alle 5 Kilometer eine Kilometeranzeige. Jedes weitere Schild ist also ein riesiger Sprung nach vorn. An der Getränkestelle Gustav-Freytag-Stein sehe ich zum ersten Mal Bier!
Bis zum Grenzadler ist es nur ein Katzensprung. Der Grenzadler bei Oberhof bezeichnet eigentlich den mannshohen Grenzstein mit preußischem Adler, der die frühere Grenze auf der Schützenwiese zwischen Preußen und Kurhessen kennzeichnete.
Heutzutage ist der Name insbesondere mit mehreren Wintersportstätten verbunden: Direkt am Grenzadler befindet sich das Biathlonstadion, zwei Kilometer weiter in Richtung Oberhof eine Rodelbahn, ein Skihang und etwa 1,5 km talabwärts im Kanzlersgrund zwei Skisprungschanzen. Hier ist heute das Ziel für die Wanderer und eine weitere Zeitnahme für die Supermarathonläufer - mit der Möglichkeit auszusteigen. Ein Transport mit Kleinbussen zum Zielort Schmiedefeld wird vom Organisator gestellt. Im letzten Jahr war mir ab hier klar, dass ich es schaffen würde und auch dieses Jahr packt mich wieder die Euphorie. Blöd nur, dass wir erst noch einen steilen Wiesenweg hinunter müssen. Es ist so matschig, dass nasse Füße unvermeidlich sind.
Eine kurze Rast mit Schmalzbrot und Himbeerschleim - und ich bin wieder auf dem Weg.
Obwohl es bergauf geht, macht mir das km 55 Schild gute Laune. Mir geht es besser denn je. Die Sonne versteckt sich seit einiger Zeit hinter Wolken. Es ist kühler geworden und ich bin froh über meine Jacke. Mit netten Gesprächspartnern wechsle ich zwischen zügigem Gehen und Laufen ab. Anderen scheint es nicht mehr so gut zu gehen. Immer öfter kann ich überholen. Bergab sehe ich nochmal Nico, der sich auf seinem ersten so langen Lauf bravourös schlägt. Nach einem längeren downhill-run sind wir schon am Rondell, einem Obelisken
als Denkmal der Verkehrsgeschichte an der Kreuzung der B 247 mit dem Rennsteig. Es erinnert an den Straßenbau von 1830 bis 1832. Der Name Rondell rührt von einem runden Rasenstück her, das früher den Obelisken umgab. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich das Waldarbeiterdenkmal. Der Rennsteig führt hier auf einer markante Brücke über die Bundesstraße.
Bis zur Getränkestelle Sommerwiese bei km 58,4 geht es wellig weiter. Dort zeigt eine digitale Uhr die bereits gelaufene Zeit. Ich bin jetzt knapp 8 Stunden unterwegs. Das müsste doch für eine Zielzeit unter 10 Stunden reichen. Ein dunkles Köstritzer hat mich hier schon im letzten Jahr beflügelt.
Die Getränkestelle Suhler Ausspanne 2 km später lasse ich links liegen. Irgendwo hier mündet die Halbmarathonstrecke ein. Wir haben nun jeden Kilometer beschildert, allerdings mit den Angaben für den Halbmarathon.