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25.04.10 - Hermannslauf

Als die Römer frech geworden

 
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Die jetzt folgenden rund 6 km sehen im Profil absolut harmlos aus, aber die vielleicht 160 Höhenmeter gehen insbesondere zum jetzt schon fortgeschrittenen Rennverlauf gut ins Bein. Es kommt nämlich nicht nur darauf an, wie steil es ist, sondern wie erschöpft man sich schon fühlt, wie die Veranstalter sehr zutreffend bemerken. Höhepunkte dieses Abschnitts sind das Schopkebachtal und die Überquerung der Autobahn 2. Die 20 km-Marke nehme ich nach 1:50 Std. Bei km 22,5 kommen doch tatsächlich fast 100 Treppenstufen, die berühmt-berüchtigten Treppen von Lämershagen, aber so etwas kenne ich ja vom Rheinsteig zur Genüge. Was aber nichts daran ändert, daß die es echt in sich haben. Bei mir läuft es im wahrsten Sinne des Wortes hervorragend und ich jogge auch hier parallel der Treppen hoch. Nach Funk- und Aussichtsturm (Gaststätte „Eiserner Anton“ – m4y-Co-Autor Lautner habe ich vergeblich gesucht -, vierte und letzte offizielle Verpflegungsstelle) geht es wellig, aber stetig abwärts.

 
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Für einen Udo hängen mehrfach Anfeuerungsschilder an den Bäumen. Er bezwingt den Hermann heute zum fünfundzwanzigsten Mal. Unterwegs treffe ich auf ihn und wir wechseln ein paar Worte. Normalerweise hat er 2:10 bis 2:15 Std. drauf, erzählt er mir, heute aber einen erheblichen Trainingsrückstand. Lieber Udo, Du musst Dich nicht rechtfertigen. Sowohl Dein Jubiläum als auch eine Zeit wenig unter drei Stunden sind nichts, für das man sich schämen müßte.

Nochmals kommen bei km 26 Treppenstufen, die einem jeglichen Schwung nehmen. Dies kann mich aber nicht bremsen. Spätestens seit den Hitzeläufen 2008 in Bad Pyrmont  und untertage in Sondershausen ist mir klar, daß Heißluftlaufen mein Ding ist. Ich saufe zwar wie ein Kamel, aber es läuft supergut, ich bin trotz Fotografierens nur am Überholen und werde selber nur selten versägt. Ab den letzten drei km beginnt das Zuschauerspalier dichter zu werden.

Der letzte km auf der Promenade zur Sparrenburg (restaurierte Festungsanlage, Bielefelder Wahrzeichen) kann dann doch noch ziemlich lang werden. Gut, wenn man sich nicht völlig verausgabt hat und den tollen Empfang noch genießen kann. Ich gehöre heute zu den Glücklichen, es ist die reine Freude. „Den eigentlichen Sinn des Hermannslaufes erfahren die Läuferinnen und Läufer beim Schritt über die Ziellinie, wenn sie das Glücksgefühl überkommt“ (Homepage). Der Zieleinlauf ist nämlich gem. Veranstalter – oh Überraschung! - der Sinn des Hermannslaufes.

Ich habe nach 2:50 Std. fertig und nach und nach kommen alle ins Ziel. Aus diesem Holz sind wahre Helden geschnitzt, sogar die paar modernen Römer hat man scheinbar leben lassen. Ja, heute sind wir wirklich großzügig! Ich kann mich nicht erinnern, daß es mir nach einem Lauf mal so gut gegangen wäre. Hätte man mir im Ziel gesagt: „Jetzt hängst Du noch 11,1 km dran und machst den Marathon voll!“, es wäre machbar gewesen. Welch ein Laufwochenende liegt nun hinter uns: Alleine 13 Langstreckenläufe und Marathons sind auf marathon4you.de gelistet, da fiel die Auswahl wirklich schwer. Aber so ist das halt an einem DER Frühjahrsmarathonwochenenden (welch ein Wortungetüm!). Aber wir laufenden Schreiberlinge haben uns gut verteilt, wie Ihr unschwer feststellen könnt.

Einen weiteren Höhepunkt, so die Ausrichter weiter, erlebe der Läufer nach dem Zieleinlauf beim Empfang der Medaille. Das ist wohl normalerweise so, aber leider muß die ausgeschriebene Medaille diesmal nachgesandt werden, die sind nämlich vulkanausbruchbedingt irgendwo hängen geblieben. Zum Trost gibt’s ein Schokolädchen. Der Sieger und die Siegerin erhalten übrigens jeweils einen Siegerkranz. Nach der Ernährungserstversorgung (es gibt Wasser, Tee und Obst) kann man wählen, ob man sich direkt ins Getümmel der Bewunderer stürzt, erst den Kleidersack abholt oder eine Massage beansprucht.

Für die letzten Läufer haben die Macher dann noch einen ganz netten letzten Hinweis: Für einige sei der Weg das Ziel. Sie hielten sich deshalb sehr lange auf der Strecke auf und genössen die Landschaft. Sie seien nur daran erinnert, dass um 16.30 Uhr Zielschluss sei. Das hieße nicht, dass dann der Sinn aufhöre, sondern nur, dass dann keiner mehr die Zeit messe und die Versorgungsstände zusammengeklappt würden.

5.345 Läufer(innen) werden im Ziel gezählt, neben einigen zusätzlichen Wanderern und Walkern scheint es doch bei uns Läufern einige Ausfälle gegeben zu haben. A propos Walker: Achim Achilles, aufgepaßt! Kurz vor dem Ziel überhole ich eine geschlossene Formation seiner geliebten „Stockenten“ (Nordic Walker). Diese bewegen sich, man höre und staune, diszipliniert HINTEReinander! Liebe Leute, so vertragen wir uns. Und das sage ich ihnen auch später im Ziel und ernte strahlende Gesichter.

Irgendwie scheint mich Heinrich von Kleist gekannt zu haben, wenn er, meinen derzeitigen Zustand, Heimreise und künftige Vorhaben vorausahnend, sein Werk „Die Hermannsschlacht“ wie folgt beendet:

Ihr aber kommt, Ihr wackern Söhne Teuts,
Und laßt, im Hain der stillen Eichen,
Wodan für das Geschenk des Siegs uns danken! –
Uns bleibt der Rhein noch schleunigst zu ereilen,
...
Und dann – nach Rom selbst mutig aufzubrechen!

Bildgalerie von Markus Pitz:

 
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Ich kann nur resümieren: Der Lauf ist wirklich toll und m.E. ein unbedingtes Muß für jeden Langstreckler. Und wer von den Puristen jetzt sagt: „Nee, Unterdistanzen sind nicht mein Ding, dafür schnüre ich doch die Schuhe nicht!“, dem sei gesagt: Selbst schuld. Für alle anderen sang es Udo Lindenberg schon vor 34 Jahren: „Und seh’n wir uns nicht in dieser Welt, dann seh’n wir uns in Bielfeld!

Teilnehmerzahl und Mindestalter:
Auf 7.000 Läufer und Wanderer beschränkt. Regelmäßig bereits Anfang des Jahres ausgebucht, daher frühzeitige Anmeldung erforderlich. Mindestalter: 16 Jahre.

Streckenbeschreibung:
Nicht zu unterschätzender welliger Punkt zu Punkt-Kurs auf unterschiedlichsten Untergründen über 31,1 km und +515/-710 Höhenmeter vom Hermannsdenkmal (Detmold) zur Sparrensburg oberhalb der Bielefelder Innenstadt. Teilweise sehr eng.

Rahmenprogramm:
Kostengünstige Übernachtungsmöglichkeit in einer Sporthalle in Bielefeld, kleine Marathonmesse, leckere Kuchen.

Auszeichnung:
Medaille, Urkunde aus dem Internet. Funktions-Shirt gegen Bezahlung. 

Logistik:
Startnummernausgabe im Gymnasium am Waldhof, Bielefeld. Transport zum Start in Bussen. Hinter dem Ziel findet man Duschzelte. Eine weitere Duschmöglichkeit besteht in der Sporthalle des Gymnasiums am Waldhof. 

Verpflegung:
4 Versorgungsstellen bei km 8,3, 13,5, 18,4 und 26,2 km. Angeboten werden temperiertes Wasser ohne Kohlensäure, Tee, Apfel-, Apfelsinen- und Bananenstücke. Etliche zusätzliche Wasserstellen und viele private Verpflegungsstationen.

Zuschauer:
Völlig landschaftslaufuntypisch. Sehr großes Interesse, echte Begeisterung und fast durchgehend, auch im Wald. Glanzlichter sind die Panzerstraße, Oerlinghausen und die letzten beiden km. Über diesen Zuspruch würde sich so mancher Stadtlauf freuen. Natürlich ist das heute aber auch vom Wetter deutlich begünstigt worden.

 

Informationen: Hermannslauf
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