Wer kennt schon den kleinen Ort Les Diablerets in den Waadtländer Alpen, auf der Südseite des Col du Pillon? Das Bergmassiv des Diablerets überragt das Ormont-Tal in Richtung Genfer See mit dem beliebten Gletscherskigebiet Glacier 3000, das diese Bergwelt erschließt. Mit dem Namen „Les Diablerets“ (le diable, der Teufel) werden auch Geschichten aus dem Mittelalter überliefert, bei denen das kleine Dorf ein gefährlicher, vom Teufel besessener Ort gewesen war. Doch das ist zum Glück Geschichte.
Heute kommen viele Wanderer und genießen die wunderschönen und anspruchsvollen Bergwege. So auch die Trailläufer, die beim Humanitrail am vergangenen Wochenende um den Ort Les Diablerets die einsame Bergwelt eroberten. Es gab zwei Wettkämpfe zur Auswahl: Les Diablerets mit 55 Kilometer und 3500 Höhenmeter und Les Diablotins mit 27 Kilometer und 1600 Höhenmeter.
Die Ultrastrecke ging über zwei etwa gleich lange Runden, eine Schleife in Richtung Wallis/Rhonetal und eine zweite Schleife unterhalb des Diableretsmassivs mit Start/Ziel und Halbzeit in Les Diablerets. Identisch zur ersten Runde des 55 km-Ultras war dann der 27 km-Lauf. Daneben gab es für die Kleinsten noch drei Wettkämpfe Les P´tits Lutins über drei, zwei und einen Kilometer Länge.
Die Homepage des Humanitrails, geschmückt mit den bunten Fahnen in den Bergen Nepals, erinnert eher an eine Einladung zu einem Himalaya-Abenteuer. Und so ist auch die Veranstaltung eng gekoppelt mit Projekten in Nepal, bei denen Patenschaften für nunmehr 75 benachteiligte Kinder übernommen werden. Neben dem Startgeld kann jeder Trailläufer noch eine Spende für diese Patenschaften entrichten. Dawa Sherpa, Gewinner vieler großer Trails, ist als Botschafter dieser „Solidarität der Berge“ bei der Veranstaltung anwesend.
Bereits am Vorabend des Laufes konnten wir im Kongresszentrum die Startnummer abholen. Mit einer Unterschrift unter einer Liste mit der Pflichtausrüstung war auch dieser Teil für den Veranstalter unkompliziert abgeschlossen.
Ich hatte mir die 55 Kilometer und 3500 Höhenmeter für den morgigen Samstag vorgenommen. Dieser Wettkampf startete bereits um 6.15 Uhr am Place des Congrès in Les Diablerets (1163 m) und brachte uns zuerst auf asphaltierten Nebenstraßen talauswärts. Kaum hatten wir die Hauptstraße überquert, befanden wir uns auf einem steilen Wiesenhang, der uns zum Tête des Meillerets (km 5/1939 m) hinaufführte.
Nach dem Meillerets blieben wir auf etwas mehr als 1900 m, um über einen felsigen, zum Teil mit Ketten gesicherten Gradweg von einem Kilometer Länge unser Trailkönnen unter Beweis zu stellen. Ein schnelles Vorankommen war hier kaum möglich, wenn wir ja verletzungsfrei durchkommen wollten. Bis zur ersten VP am Lac des Chavannes (km 11,5/1692 m/nur Getränke) verloren wir dann auf steilen Singletrails und matschigen Wiesenwegen etwa 500 Höhenmeter.
Der zweite Anstieg war dann der 2112 m hohe Grand Chamossaire. Zum Glück waren wir so früh am Morgen gestartet, so dass die Sonne noch nicht ihre volle Kraft entwickelt hatte. Trotzdem waren die steilen Anstiege sehr schweißtreibend. Zuerst ging es durch niedrige Sträucher, später über kahle Wiesen. Auf dem Chamossaire konnten wir dann einen herrlichen Rundblick auf das Bergpanorama mit dem Dents du Midi im Wallis, dem wolkenfreien Mont Blanc-Massiv und dem Diablerets-Massiv genießen. Auch der Genfer See war unter einer Dunstwolke erkennbar.
Über steile Skiwiesen ging es dann auf direktem Weg hinunter zur ersten großen VP Bretaye (km 15/1780 m). Doch zuerst mussten wir den Lac de Bretaye umrunden, bevor wir uns mit der üblichen Trailverpflegung stärken konnten. Am Col de Bretaye (1806 m) ging es weiter in Richtung Col de la Croix. Hier endete auch die Zahnradbahn, die im Sommer die Wanderer oder Spaziergänger aus Villars und im Winter die Skifahrer hinauf in die Berge bringt.
Nach etwa 5 Kilometer erreichten wir den Col de la Croix (1752 m), bevor wir über teils steile, wurzelige teils breite Wanderwege in Richtung Les Diablerets zurück liefen. Glücklicherweise waren hier die meisten Wege im schattigen Wald, so dass die Sonnenstrahlen uns nicht zu sehr erhitzten. In Les Diablerets kamen wir dann durch das Start- und Zielgelände, wo eine weitere VP (km 27/ 1163 m/ Zeitlimit 11.30 Uhr) aufgebaut war. Hier hatten wir auch Halbzeit mit etwa 27 Kilometern, bevor wir uns auf die zweite Runde begaben.
Durch die Straßen von Les Diablerets verließen wir dann auch schon wieder den Ort, dieses Mal in Richtung Diablerets-Massiv. Die nächsten drei Kilometer waren eher hügelig, bevor wir dann den steilen Anstieg auf den Le Drudy in Angriff nahmen. In engen steilen Kehren ging es gnadenlos auf direktem Weg hinauf, dieses Mal aber in der prallen Mittagssonne. Der einzige Trost war, dass wir so auf kürzestem Weg den Kulminationspunkt des Drudy (VP/km 35/2022 m/nur Getränke) erreichten.
Über uns erhob sich die mächtige Felswand des Diablerets. Ein weiß-blau markierter Pfad schlängelte sich nun etwas unterhalb der Felswand entlang. Manchmal waren wir gefangen zwischen den steilen Felsklippen auf der einen Seite und dem Abgrund auf der anderen Seite. Da war nun volle Konzentration und gute Trittsicherheit gefragt, teilweise waren die Wege abgerutscht oder in einem schlechten Zustand. Doch nach etwa 4 Kilometer war auch dieser Streckenabschnitt Geschichte. Bald ging es über meist breite Wege hinunter zur VP am Col de Pillon (km 42/1546 m) zwischen Gsteig/Gstaad und les Diablerets.
Nur noch 13 Kilometer trennten uns vom Ziel in Les Diablerets, aber dieser Teil sollte uns noch einmal bis aufs letzte fordern. Zuerst war der Anstieg auf den letzten und höchsten Berg La Palette (km 46/2150 m) recht moderat. Doch das sollte sich am Ende eines Schleppliftes schnell ändern. Über eine Bergflanke ging der steile Felsenpfad mehr oder minder senkrecht nach oben. Nur einen Kilometer lang, aber dieser Kilometer erschien uns unendlich. Keine Pause wurde uns gegönnt und die Nachmittagssonne brannte erbarmungslos.
Auf dem Gipfel des La Palette konnten wir dann einen Rundblick genießen. In Richtung Norden war das Berner Oberland zu sehen, rechts von uns das Diableret-Massiv und links von uns die bevorstehende Bergflanke auf unseren Weg ins Ziel. Hinter uns lag der Bergrücken des Grand Chamossaire, den wir morgens unter die Füße genommen hatten und der Drudy, der auf der zweiten Runde auf dem Programm stand.
Eigentlich war der Platz auf dem Gipfel richtig schön zum Verweilen, eine leichte Brise wehte uns kühle Luft ins Gesicht. Doch dies war ein Wettkampf und keine Wanderung und wir wollten noch im Zeitlimit im Ziel ankommen. So entschieden wir uns schnell fürs Weiterlaufen, steil den Berg hinunter über viele Felsstufen bis zur nächsten kleinen VP in Isenau (km 48/1855 m).
Noch einmal sollte es etwa 200 Höhenmeter ansteigen, bevor wir im Sturzflug nach Les Diablerets laufen durften. Der einzige Trost war, dass wir den kürzesten Weg hinunter ins Tal nahmen. Unsere Beine schmerzten von den steilen Abstiegen über Felsen, staubige Pfade und Wiesenwege. Glücklicherweise kamen die Häuser von Les Diablerets schnell näher und das bedeutete, dass auch das Ziel nicht mehr weit war. Im Ziel wurden wir gebührend begrüßt und zu unserem Finish beglückwünscht. Allerdings gab es weder Medaille noch Finishershirt, um möglichst viele Gelder für die Nepalprojekte zurückzuhalten.
Insgesamt war der Humanitrail ein sehr familiärer Trailevent in der einmalig schönen Bergwelt rund um Les Diablerets. Die Auswahl der Wege und Pfade war sehr anspruchsvoll, die laufbaren Streckenabschnitte waren gezählt und konnten nur mit voller Konzentration gelaufen werden. Die Kontrollposten und die Helfer an den Verpflegungsstellen waren überaus freundlich und hilfsbereit. Die auf der Strecke gut verteilten VPs waren mit der typischen Trailverpflegung reichlich ausgestattet. Die Streckenmarkierung war immer eindeutig angebracht, zum Start um 6 Uhr waren sie noch zusätzlich Leuchtstreifen versehen.
Bei den beiden Trailstrecken waren insgesamt mehr als 500 Teilnehmer am Start, wobei sich die Mehrzahl der Teilnehmer für die kürzere Distanz entschieden hatte. Das Ziel über 55 Kilometer erreichten dann 125 Läufer (17 Frauen und 108 Männer), über 27 Kilometer finishten insgesamt 348 Läufer (118 Frauen und 230 Männer).
Ein Lauf, den ich im nächsten Jahr wieder mitmachen möchte!