Startschuss, ich lasse einen Brüller los, auf geht’s, ohne Kamera. Das Feld stürmt los wie bei einer Stampede, ich bin sofort am Ende des Feldes. Der Parcours verengt sich, doch ohne Gedränge geht es nach rund 50 Meter einen aufgeschotterten Abhang hinunter. Nach einem weiteren kurzen Stück biegen wir rechts auf einen Acker ein, leicht bergauf. Der Untergrund ist schmierig. Bei jedem Schritt rutsche ich trotz Spikes ein wenig nach hinten weg. Ich habe zwar am Schuh drei lange Nägel, aber die geben mir jetzt nicht so viel Halt, wie ich mir wünschen würde.
Auf dem Ackergelände müssen wir zwei Schleifen drehen, immer leicht bergauf und bergab. Gerade im Kurveninneren ist der Untergrund rutschiger. Also was tun? Die Kurven kratzen und hart am Trassierband laufen oder in der Mitte des Kurses, wo es in den Kurven gleich ein paar Meter weiter sind.
Nach etwa 500 Meter mündet die Laufstrecke in einen Fahrweg ein, der auf dem Sportgelände endet. Wir müssen dann nach links abbiegen. Fünf kurze, kraftvolle Schritte und dann haben wir die Böschung erklommen. Nach weiteren zehn Metern wartet ein kniffliges Stück. Es geht länger hinunter und der Untergrund ist rutschiger als zuvor. Beim ersten Rennen sind da einige auf dem Hosenboden runter. Hier ist es genau wie auf dem Acker. Im Kurveninneren der tiefe Modder, in der Mitte des Kurses einigermaßen Grip aber den längeren Weg. Immer aber heißt es „höögschte Konzentration“, nur nicht rutschen und wenn doch, dann versuchen sich abzufangen. Oben verlangsame ich mein Tempo, versuche in der Mitte des Kurses zu bleiben und lasse es dann im unteren Drittel des Gefälles „laufen“.
Das Gefälle endet, der Untergrund wir zunehmend griffig und nach einigen Metern mündet der Kurs nach rechts auf einen ansteigenden Schotterweg. Eine knappe Minute geht es bergan, dann befinden wir uns wieder auf dem Ackergelände mit dem schmierigen Untergrund. Zwei Rechtskurven, dann wartet die zweite knifflige Stelle: Eine Böschung hinunter mit etwa fünf Höhenmeter, dort hat man extra für uns einen Rollrasen verlegt. Der schaut jetzt im zweiten Meisterschaftslauf schon arg ramponiert aus. Auch hier muss man konzentriert hinunterlaufen, nicht dass es einem am Ende des Gefälles auf die Schnauze haut. Ich komme gut hinunter, die erste Runde ist geschafft. Ich muss mich rechts halten, die zweite Runde wartet.
Viele Läufer sind nicht hinter mir, vielleicht drei, vier. Einige sind auf meiner Höhe, zwei vom Gastgeber und zwei aus dem niederbayerischen Ruhstorf. Mal sind die vorne, dann kann ich wieder einen schnappen. Es wird zäh. Hätte ich doch nur längere Nägel in den Schuh geschraubt. Jetzt ist es dafür definitiv zu spät. So vergeht eine Runde nach der anderen. Während sich ein Ruhstorfer nach vorne aus dem Staub macht, kann ich den zweiten und einen Läufer vom Gastgeber in der vorletzten Runde in die Schranken weisen und hinter mir lassen. Hoffentlich geben die nicht auf, ich wäre dann Letzter. Das ist mir auch schon passiert.
In der letzten Runde verfestigt sich meine Platzierung, vor mir ein Ruhstorfer, knapp 100 Meter vorne, uneinholbar und nach hinten ist nichts zu hören. Zieleinlauf, total fertig, kein Effekt vom Höhentraining und dennoch happy, als ein Teilnehmer an der Deutschen dabei gewesen zu sein. Meinen Freund Albert Walter danke ich besonders, denn er leidet, ist verletzt und kann als M70-Läufer nur zuschauen. Es hätte bei der Titelvergabe ein gewichtiges Wort mitgesprochen. Jetzt hat er meinen Lauf als Fotograf begleitet.
Nach einer kurzen Erholung an der Verpflegungsstelle kommt die Kür. Ich darf die restlichen Rennen beobachten, fotografieren, mit anderen Läufern ratschen. Sehr gut gelöst haben die Indersdorfer die Siegerehrungen, die nicht nur pünktlich, sondern im Wechsel in der Halle und im Freien stattfinden. Artur Schmidt moderiert fachkundig Lauf für Lauf und holt sich dann jeweils die Sieger kurz nach der Zielankunft zu sich ans Mikrophon.
Mein Auslaufen beschränkt sich auf eine kleine Besichtigung des Ortes, der knapp 10.000 Einwohner zählt und der bereits im Jahr 972 urkundlich erwähnt wurde. Die frühere Marktkirche St. Bartholomäus wurde zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls unter Bischof Abraham von Freising genannt. Die heutige Kirche steht auf einen wenig anderen Standort, wurde aber auch schon um das Jahr 1200 hier errichtet. Die Kirche kann leider nicht besichtigt werden, ein Schild besagt „Renovierungsarbeiten“.
Dafür ist die Kirche Maria Himmelfahrt des Klosters geöffnet. 1128 wurde die erste Klosterkirche zu Ehren Maria und der Apostel Petrus und Paulus geweiht. Die prächtige Innenausstattung weist Elemente aus dem Rokoko (Fresken von Matthäus Günther und Georg Dieffenbrunner) und Gotik (schmale Innenräume, die die Kirche innen höher erscheinen lassen) aus. Die neun Altäre, die Kanzel und die Orgel machen dieses Gotteshaus zu einem der prächtigsten nördlich von München.
Wirtschaftlich steht die Gemeinde gut da, denn der Großraum München bietet viele Arbeitsplätze und die Anbindung der Metropole ist bestens. Zurück am Wettkampfgelände finden zum Ende des langen Tages die schnellsten Rennen statt. Das Rennen der Frauen gewinnt Corinna Harrer und das der Männer Langstrecke Manuel Stöckert. Und einen Moment des Schreckens muss ich auch durchmachen. Ich fotografiere die Ergebnisse meines Rennens und muss im Display der Kamera feststellen, ich bin Letzter, worauf mir das Wort mit „Sch“ auskommt. Doch der zweite Blick zeigt einen Seitenumbruch, drei in meiner Klasse sind hinter mit notiert. Also vierter. Von hinten!
Für Gäste, Sportler und Einheimische klingen die Deutschen Cross-Meisterschaften mit einem Festabend unter dem Motto „Zamghogd und aufgspuit“ aus.
Wer jetzt mal in einen Cross hineinschnuppern möchte, der Laufkalender wird im Herbst 2015 wieder einige Möglichkeiten bieten.
Ergebnisse unter http://www.cross-dm-2015.de/images/content/pdf/ErgebnislisteGESAMT.pdf
02.03.13 | Hinein in Schnee und Dreck |
Anton Lautner |