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24.08.13 - Jesenicky-Marathon

Wenn Böhmen noch bei Öst‘reich wär …

….  kämen noch mehr Läufer her


Rund drei Millionen Sudetendeutsche lebten bis zu ihrer Zwangsaussiedlung nach dem 2. Weltkrieg im einstigen Böhmen, Mähren und Schlesien. Viele Berge und Orte tragen auch heute noch eine deutsche Zweitbezeichnung, so auch Ramzová (deutsch: Ramsau), der  Ausgangspunkt des 5. Jesenicky-Marathon.

Mit Ernst Fink fahre ich im Auto von Wien über Brünn rund fünf Stunden auf kurvenreichen, engen Straßen nach Ramzová. Der Ort  besteht aus einem Dutzend Häuser und gehört zur Gemeinde Ostružná im Okres Jeseník. Jeseník ist ca. 12 km entfernt, die gesamte Region ist ein Zentrum des Wintersports im Altvatergebirge (tschechisch: Praděd).

Ich habe ein Einzelzimmer in der Pension Neubauer (über booking.com) gebucht, der Juniorchef spricht gut Deutsch. Ernst und ich haben vor, am Samstag den von der Organisation um Petr Kroutil als sehr anspruchsvoll bezeichneten Jesenicky-Marathon von Ramzová nach Skřítek und am Tag darauf im 90 km entfernten Rychnov nad kněžnou ebenfalls einen Bergmarathon zu laufen.

Wir erfahren bei der Ausgabe der Startnummern am Renntag, dass es keinen Rücktransport vom Ziel in Skřítek zum Ausgangspunkt geben würde. Doch das stört uns nicht weiter, im Notfall würden wir einfach andere Läufer fragen, ob sie in die Gegend um Jeseník immerhin gut 30 km entfernt zurückfahren und uns mitnehmen können.

 
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Es sind rund 150 Läufer/innen registriert. Das Wetter ist geradezu ideal, es ist angenehm kühl, sonnig und trocken. Hektik kommt am Start nahe der Schiliftstation am 24. August 2013 um 10 Uhr keine auf, als Petr auf Tschechisch die letzten Instruktionen erteilt. Ernst und ich können kaum ein Wort zuordnen, außer  „prosim“ und die Zahlen von fünf abwärts: pět, čtyři, tři, dva, jedna, go. Dann geht’s los, Ernst startet in der Mitte des Feldes. Auf einem Waldweg führt der Kurs gleich aufwärts, bereits nach 300 m sind nur mehr zwei Läufer hinter mir.

Ich habe mir inzwischen angewöhnt, einen Bergmarathon oder Trailrun im Gelände auf unbefestigten Wegen, über Geröll, Wurzelwerk und anderen Erschwernissen aufwärts im Gehen zu bewältigen. Auf Asphalt tue ich mir leichter, da ist die Trittsicherheit gegeben. Das auf der Website für Informationszwecke vom Veranstalter eingefügte Höheprofil macht deutlich, was die Läufer/innen auf den ersten 5-6 km erwartet: Ramzová liegt auf 778 m Seehöhe, die erste Labestelle am Šerák (deutsch: Hochschar) befindet sich auf 1350 m. 

Die Steigung erschwert ein zügiges Gehen, es ist so steil wie etliche Aufwärtspassagen im Riesengebirge, wo Ernst und ich einige Wochen davor gelaufen sind. Daher konzentriere ich mich diesmal nicht auf andere Läufer, sondern nur auf mich. Einer geht konstant 20 bis 30 Meter vor mir, er hat  Mühe, auf den steinigen Weg voranzukommen. Ein kleiner Bach ist zu überqueren, wenig Sonnenlicht dringt durch den dichten Mischwald. Große Steine mitten am Wanderweg erschweren das Gehen, Felsformationen so groß wie im Riesengebirge stehen wie stumme Wächter links und rechts des Weges. 

Endlich wird der Almboden erreicht, ich erblicke blühende Goldruten und langblättrige Weidenröschen. Die Schönheit der Natur ist für mich ein wesentlicher Grund fürs Trailrunning. Fast jede Pflanze ist ein Heilkraut. Wer sich wie ich mit Heilkräutern ein wenig beschäftigt hat, assoziiert damit eine mögliche Heilwirkung – Goldruten-Tee gilt als harntreibend, das langblättrige Weidenröschen wird in manchen Ländern für die Schnapsbrennung verwendet.

 
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Die erste Wasserstelle ist nur mehr geschätzte 200 m Luftlinie entfernt. Der Läufer vor mir in schwarzen 2/3-shorts und Langarmshirt nutzt das ebene Gelände und macht einen Zwischenspurt. Wenig später komme ich auch dorthin, mit Wasser und Iso aus Kanistern ist die Versorgung eher bescheiden. Hinter mir kommt niemand mehr nach, mag sein, dass wir beide die Nachhut bilden.  Nun geht es eine Zeitlang abwärts, da mache ich zumeist Boden gut – ich überhole den „man in black“ und liege nun vor ihm.

Bald darauf steigt die für den Marathon ausgewählte Wanderroute  wieder an, ziemlich steil sogar, sodass ich mit meinen 90 kg Körpergewicht nur langsam vorankomme. Mein Kontrahent bleibt auf Distanz. Es kommen uns mehr und mehr Wanderer vom Kepernik (tschechisch: Keprnik,  1423 m) herunter entgegen, rund 100 Höhenmeter müssen wir nun noch bewältigen. Entlang des Wanderweges wachsen Latschenkiefern, die Baumgrenze ist erreicht. Ich trete kurz aus, der „schwarze Mann“ zieht vor. Nun beginnt eine mehrere Kilometer lange Abwärtspassage auf einer breiten Schotterstraße. Jetzt kann ich endlich Gas geben. Ich laufe konstant eine 5er-Zeit, also 12 km/h – mein Kontrahent hat keine Chance, ich sollte ihn erst wieder im Ziel sehen.

In der Ferne unten im Tal erblicke ich die nächste Labestelle. Dort stehen zwei weitere Läufer in Partnerlook mit grünem Shirt.  Als Kind waren meine Augen so scharf, dass ich aus 1 km Entfernung die Uhrzeit am Kirchturm in meinem Heimatdorf ablesen konnte. Ich trage auch mit bald 60 Jahren keine Brille, daher bleibt mir wenig verborgen.

An der Labestelle Červenohorské sedlo, die knapp bei km 13 mehr als 7 km von der ersten entfernt ist, wird nun mehr geboten: Neben Wasser und Iso in Bechern werden Bananen- und Schokostücke, Müsliriegel und Magnesiumtabletten ausgegeben. Ein Freund von mir ist Arzt – er behauptet, dass 100 mg nicht ausreichen würden, um den Körperbedarf nach einer großen Anstrengung zu decken, daher bleibt eine Tablette wirkungslos.

Als ich ankomme, sind die beiden  „senior runners“ schon gelabt und traben los. Ich male mir in Gedanken aus, ob und wann ich sie beim folgenden Zwischenanstieg schnappen könnte. Doch sie fangen plötzlich auf der gut befestigten Schotterstraße trotz leichter Steigung zu laufen an. Ich denke nicht daran, ihr Tempo zu gehen, so bleibe ich etwas zurück. Bald darauf erblicke ich einen „abgerissenen“ Vordermann, dem offensichtlich die Luft ausgegangen ist. Er hebt den rechten Arm und winkt mich vorbei, als ich zum schnellen Gehen ansetze.

 
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Die Gegend um den Bergsattel Červenohorské sedlo ist ein Naturschutzgebiet, viele Wanderer sind auf der fast 25 km langen, grün markierten Route am Samstag unterwegs, die auf die Läufer zukommen. Entlang des Weges am Gebirgskamm von Hrubý Jeseník befindet sich ein Torfmoor. Auf Tafeln wird darauf hingewiesen, dass man die Moorwiesen nicht betreten darf.

Es geht nun längere Zeit aufwärts, steile Passagen folgen auf Flachstücken. Ich nicke den Wanderern zu, die in dieser Phase des Marathons immer von oben nach unten unterwegs sind, während ich meinen lauten Atem unterdrücke, um den Schein zu wahren, dass ich in sportlicher Manier so gut es halt geht über Stock und Stein auf dem steinigen Untergrund zielstrebig hinauf zur Berghütte Švýcárna marschiere. Doch die Anstrengung lohnt sich – die beiden „old  boyz“ in Grün machen schlapp, einen grüße ich freundlich mit „dobrý den“, der andere liegt 20 Meter davor rücklings auf der Moorwiese und streckt sich.

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Informationen: Jesenicky-Marathon
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