Grüezi miteinand! Ehrfürchtig und, ich gebe es zu, ein wenig neidisch habe ich in den letzten Jahren die Berichte über die zahlreich absolvierten alpinen Bergläufe in aller Herren Länder gelesen und die phantastischen Bilder bewundert. Aus der Mitte Germaniens ist man aber leider nicht mal gerade so eben ins Hochgebirge gefahren und so habe ich meinen ersten Einsatz bei einem alpinen Marathon Jahr um Jahr herausgeschoben. Natürlich liegt mir (auch und gerade) der K 78 in der Nase, aber der Klaus meinte in seiner fürsorglichen Art, es sei sinnvoll, erst einmal kleinere Brötchen zu backen.
Die Jungfrau ein kleines Brötchen? Bestimmt nicht, zumindest nicht für mich. Gut, 26 km bei bis dahin 300 Höhenmetern bereiten mir kein wirkliches Kopfzerbrechen, aber deren 1.500 auf den folgenden 16 km, die dazu noch einige Bergabpassagen enthalten, sind alles andere als ohne. Zwar habe ich nicht erst einmal in einem Wettbewerb mehr als 2.000 Höhenmeter bergauf und –ab hinter mich gebracht, aber noch nie so viele Höhenmeter am Stück. Daher bin ich bereit zu neuen Heldentaten!
Meiner Lieblingsübung folgend, nutzen Elke und ich den Lauf zu einem einwöchigen Urlaub und nehmen erst einmal für drei Tage Quartier in Luzern am Vierwaldstätter See. Dort eingetroffen, zeigt sich die Richtigkeit unserer Entscheidung: Es ist einfach traumhaft schön. Hotel und Restaurant direkt an der Reuss und mit Blick auf die holzgedeckte Kapellbrücke, ein Gedicht. Die trotz vorhandenen Aufzugs täglich mehrfach zurückgelegten 82 Treppenstufen zum Zimmer sind ein prima Zusatztraining. Wie der Zufall es will, hat der aktuelle Merian Luzern und den Vierwaldstätter See als Thema und so konnten wir uns auch ganz gezielt vorbereiten.
Leider verliert Luzern derzeit seine deutschen Gäste, was aber nicht an der Stadt als solcher liegt. Jahrzehntelang waren die Schweizer stolz auf ihre starke Währung - nun wird die massive Aufwertung des Franken zum Fluch: Tourismus und Exportindustrie klagen über massive Einbußen. Der Franken hat seit Januar 2010 kontinuierlich an Wert zulegt, im laufenden Jahr gegenüber dem Euro sogar mehr als 20 Prozent.
Die Schweiz war zwar schon immer ein teures Reiseziel, aber sie droht zu einer Luxusdestination zu werden. Um fünf Prozent ist der Umsatz eingebrochen, sagt Jürg Schmid vom Verband Schweiz Tourismus, derzeit profitiere man bislang auch hinsichtlich des nächsten Winters aber noch von länger zurückliegenden Buchungen. Inzwischen kostet ein Restaurantbesuch in Luzern schnell 50 Euro pro Person - und damit das Doppelte wie in Deutschland (Gericht ab 30 sfr, Pizza/Pasta ab 20 sfr). Diese Preise führen dazu, dass es sich deutlich weniger Deutsche leisten können und wollen, nach Luzern kommen. Die Zahl der Übernachtungen sank im Vergleich zum Vorjahr um fast zehn Prozent, noch kann Luzern die Verluste allerdings dank der wachsenden Beliebtheit bei asiatischen Gästen kompensieren. Und die lauern unübersehbar an jeder Straßenecke in Bataillonsstärke. Auch weibliche Vollvermummte sieht man an jeder Straßenecke.
Wir genießen den Schweizer Sommer, der dem Deutschen zunächst in nichts nachsteht, so gut es geht und machen das Beste daraus. Auf der Strandpromenade in Richtung Verkehrshaus/Lido läßt es sich gut joggen und die Luzerner Altstadt ist mit u.a. ihren bunten Häusern, der Kapellbrücke und der Stadtbefestigung sehr attraktiv. Das geschlossene Souvenirlädchen auf der Kapellbrücke verrät uns endlich, was ein Co-Autor so unter der Woche treibt (s. Foto).
Erstaunt stellen wir fest, daß es die Luzerner auch ohne Kriegsschäden geschafft haben, trotz aller Schönheiten grauenhafte Bausünden zu begehen, die unsere Augen an etlichen Stellen auf das heftigste beleidigen. Beispielhaft sei der 1971 abgebrannte Hauptbahnhof genannt, von dem nur das Hauptportal erhalten ist, der Rest wurde komplett abgerissen. Das Ergebnis bedecken wir besser mit dem Mantel der Liebe. Natürlich besuchen wir auch das Willi Tell-Heiligtum in Küssnacht und gehen durch die berühmte Hohle Gasse. Die Altstadt von Zug beeindruckt uns mit einer geschlossenen Bausubstanz, überwiegend aus dem 18. Jahrhundert. Am Bootsanleger stehen viele Volieren im Freien und der Begriff „Zug-Vögel“ bekommt eine völlig neue Bedeutung.
Nach einem läuferfreundlichen opulenten Käsefondue am Vorabend verlegen wir am Dienstag unser Hauptquartier zum Jungfrau-Marathon nach Lauterbrunnen ins östliche Berner Oberland, hier haben wir uns in ein nettes Hotel mit Blick auf den berühmten Staubbach-Wasserfall eingemietet. Lauterbrunnen hat den Vorteil, auf der Hälfte der Laufstrecke und damit Fan-günstig zu liegen, denn auch die Bahn von Interlak-ch-en (Start) zur Kleinen Scheidegg (Ziel) führt hier durch. Wir haben vor, in den nächsten Tagen die letzten 16 km des Marathons schon einmal wandernd zu erkunden, falls das Wetter mitspielt. Erfreulicherweise ist die Strecke ganzjährig komplett mit weißen Wegmarkierungen ausgeschildert, wie mir das Sekretariat des Jungfrau-Marathons vorab freundlich mitteilt.
Nach dem Motto „Jetzt oder nie“ jagt uns die Vermieterin des wieder traumhaften Wetters wegen sofort aufs Jungfraujoch mit exklusivstem Blick auf das Schweizer Dreigestirn Prinz, Bauer und Jungfrau. Oder so ähnlich (Hinweis für Nicht-Karnevalisten!). Mit der Zahnradbahn auf 3.454 m Höhe gefahren, genießen wir bei 2° und strahlendem Sonnenschein am Ende im T-Shirt die Wärme und das unvergleichliche Ambiente. Top of Europe, so nennen es die Schweizer, und so fühlt man es auch fast. Eishöhle, Aussichtsplattform, allerlei Aktivitäten – wir sind vollkommen begeistert, kaum daß wir angekommen sind.