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10.09.11 - Jungfrau-Marathon

In sengender Sonne kleine Brötchen gebacken

Die Stadt ist eines der großen Tourismuszentren des Berner Oberlands und verfügt über eine Infrastruktur von 60 Hotels mit ca. 4.100 Betten, 6 Jugendherbergen mit ca. 450 Betten, 8 Campingplätzen mit 1.045 Standplätzen sowie Ferienwohnungen mit ca. 1.000 Betten. Somit bietet dieses zwischen dem Brienzer und Thunersee (Inter-Laken = Zwischen den Seen) gelegene Touristenzentrum mehr Betten als es Einwohner (rund 5.400) hat.

Noch auf der ersten Runde wird eine Bruchsteinmauer von etlichen Herren gründlichst gewässert und die Jungs zur Strafe abgelichtet. Nach 3 km kommen wir noch einmal am Hotel Victoria-Jungfrau vorbei und erreichen bei km 6 Bönigen und damit den 260 m tiefen, vom Gewässer Aare durchflossenen, grün-blauen Brienzersee. Dieser ist 14 km lang, 2,8 km breit und einer der saubersten Seen der Schweiz. Auf dem Weg dorthin werde ich von einem Laufkameraden angesprochen und dieser ist doch tatsächlich einer meiner Mittäter vom Nürburgringlauf! Noch ist die Strecke bretteben, nichts deutet auf die kommenden Anstrengungen bergauf hin. OK, es wachsen jede Menge Berge ringsherum, aber noch weiß ich ja nicht, daß ich da hoch muß. Die erste von mehreren tollen Musikkapellen versüßt uns die Schweißtropfen, die in der Sonne bereits mächtig fließen. Auch erste megagroße Kuhglocken machen ordentlich Alarm, dieser Sound wird uns bis ins Ziel begleiten.

 
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Große Teile der ersten Hälfte sind asphaltiert, danach dominieren Naturpfade. Was also zieht man an die Füße? Quasi im letzten Augenblick habe ich mich für ultraleichte (220 g) Schuhe eines innovativen Herstellers entschieden und trage dazu erstmals auch Gamaschen, um Steinchen aus den Schuhen herauszuhalten. Beide Entscheidungen habe ich nicht bereut. Einen sehe ich am Start sogar in FiveFingers, ganz so mutig bin ich nicht.

Vollkommen flach bleibt es auch noch, als wir in Wilderswil die uralte Holzbrücke über den Fluß Lütschine überqueren. Diese ersten 10 km bringen wir in ca. 58 min. hinter uns. Mittlerweile haben wir einen Dreiviertelkreis gelaufen und schwenken jetzt auf fast geradem Weg in Richtung Lauterbrunnen ein, wo wir unsere Fans zum ersten Mal erwarten. Hinter Wilderswil erfolgt der erste kurze, aber ruppige Anstieg von etwa 60 Hm.

Hungern und dürsten brauchen wir auch nicht im Ansatz, man sorgt sich geradezu rührend um uns. Es gibt so viel, daß ich gar nicht alles nutzen kann. Gerne nehme ich Iso, Bouillon, später Cola und verdünne immer mit Wasser. Einmal nehme ich auch ein Gel, das mir gut bekommt. Das ge“sponser“te Iso findet zwar nicht gerade meine sensorische Zustimmung und schmeckt mir gesponsert, erfüllt aber seinen Zweck. Feste Nahrung wird im weiteren Verlauf auch angeboten, aber ich halte mich an Flüssiges, das rutscht besser und geht schneller.

In Gsteigwiler (km 12) und Zweilütschinen (km 15, wo sich die weiße und schwarze Lütschine vereinen), zwei winzigen Weilern, begrüßen uns jede Menge begeisterter Zuschauer. Der Schritt wird sofort dynamischer, der Rücken gerader und der Blick so was von entspannt. Die ersten Brunnen/Tröge mit herrlich kühlem Wasser können genutzt werden und erinnern mich stark an meinen Einsatz in Biel im letzten Jahr. Von dort habe ich sie fast als Lebensretter in Erinnerung. Ach ja, es ist ab und zu doch ganz nett, mit Unterstützung von außen zu laufen und nicht nur fast unbeachtet im Wald.

Mittlerweile ist das Tal enger geworden und die Felswände scheinen sich immer mehr zu uns zu verschieben. Sollte da doch noch etwas Bergmäßiges auf uns warten? Lange laufen wir jetzt an der weißen Lütschine auf teilweise schmalem Weg entlang. Schön zwar, jedoch an einigen Stellen recht eng, so daß doch einige Male Staus entstehen. Man trägt es überwiegend mit Fassung, wie ich sehe. Einerseits ist es natürlich doof, weil der Vorwärtsdrang unnötig gebremst wird. Wenn man aber sieht, welch teils wahnwitziger Aufwand, insbesondere im letzten Streckendrittel, betrieben werden muß, wird klar, daß das nur über eine hohe Teilnehmerzahl zu finanzieren ist.

Klasse ist die parallel verlaufende Bahn. „Hopp, hopp, hopp!“ tönt es vielstimmig immer wieder von den Fahrgästen. Viele, auch unsere Fans, nutzen sie, um die nächsten Begegnungspunkten zu erreichen. Zwischendurch kommt mal ein Wiesenpfad, aber der ist gut zu laufen. Ein paar weitere Buckel sind jetzt zu nehmen, aber auch die bereiten kein Kopfzerbrechen, obwohl der eine oder andere Teilnehmer jetzt bereits geht. Fehlplanung, Selbstüberschätzung, frühe Verletzung?

 
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Immer wieder passieren wir kleine Brücken und erreichen fünf km weiter bei km 19,6 den Bahnhof „unseres“ Marathondorfs Lauterbrunnen (max. zulässige Zeit: 2:25 Std.). Hier feuern nicht nur Elke und Anita (am Hotel) ihre Helden bereits das zweite Mal an, sondern das ganze Dorf steht scheinbar Kopf. Tour de France-Gefühl. Das soll ein Landschaftslauf sein? Wahnsinn! Durch und hinter Lauterbrunnen machen wir eine flache, 6 km lange, U-förmige Ehrenrunde durch das Lauterbrunnental, das auch „Tal der 72 Wasserfälle“ genannt wird. Maria, eine unserer guten Geister aus dem Hotel, steht beim Schwammstand bei etwa km 20,5 und freut sich über ein bekanntes Gesicht ein Loch in den Bauch. Und dann auch noch ein so gut aussehendes… Auf Höhe des Campingplatzes Lauterbrunnen, am Abend Schauplatz der neben Interlaken zweiten großen „After Run Party“ wird an der Halbmarathonmarke die Zeit genommen. Mit knapp 2:04 Std. liege ich ganz gut in der Planung, die Hitze, die Staus und die vielen Fotostopps bleiben natürlich nicht ganz ohne Folgen.

Schräg gegenüber unserer Herberge stürzt der Staubbachfall zu Tal. Staubbach ist die Bezeichnung für einen Sturzbach mit so starkem Gefälle, daß das Wasser sich durch die schnelle Fließgeschwindigkeit und den unregelmäßigen Fluß beim Auftreffen auf Steine oder felsigen Untergrund in einen Nebel aus feinen Wassertröpfchen, gewissermaßen in Staub, auflöst. Unser Staubbachfall ist mit stolzen 297 m Höhe der zweithöchste Wasserfall der Schweiz und im Sommer über eine Felsengalerie zugänglich. Johann WOLFGANG von Goethe verfasste dort auf seiner zweiten Schweizer Reise den „Gesang der Geister über den Wassern“, den wiederzugeben ich Euch an dieser Stelle erspare. Da habt Ihr jetzt aber Schwein gehabt.

Nach dem Campingplatz überqueren wir auf schmalen Fußgängerbrücken, die wir in den Tagen vorher schon abgejoggt sind, die Weiße Lütschine sowie den Trümmelbach und kommen am Hubschrauberlandeplatz der „Air Glacier“ (Rundflüge) vorbei, wo der kleine Klaus im vergangenen Jahr fast einen gekapert hätte und nur mit Mühe wieder herausgezerrt werden konnte. Eine knappe halbe Stunde, nachdem wir das Dorf erreicht hatten, sind wir wieder in Lauterbrunnen zurück. Am Horizont läßt sich das Jungfraumassiv zum ersten Mal erahnen und deshalb ist jetzt nach Unterquerung des Bahnviadukts auch endgültig Schluß mit lustig.

 

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