Aberglaeubisch bin ich definitiv nicht, jedoch war die Zuteilung der Elite Startnummer 113 dieses Jahr beim Jungfrau Marathon schon etwas Spezielles (die Damen erhalten die Startnummern unter 100).
Nach meinem letztjaehrigen Effort in Interlaken mit Rang 10 als bester Schweizer und einer Endzeit von 3:15:35 wollte ich bei der diesjaehrigen Ausfuehrung erneut in die Top10 laufen und an der magischen 3:10er Marke kitzeln.
Bis auf meine Aufgabe vor zwei Wochen beim Berglauf Hoher Kasten in Bruelisau AR verliefen die letzten Trainingswochen sensationell: Auf dem Ergometer konnte ich fuer meine Verhaeltnisse hohe Wattzahlen druecken, auf dem Laufband bei Enggist Medical Fitness absolvierte ich schweißtreibende Intervalleinheiten in sehr hohen Tempobereichen und meine Dauerlaeufe wiesen eine Qualitaet wie noch nie zuvor aus. Also war ich positiv gestimmt, im Berner Oberland 2015 reuessieren zu koennen.
Nur eine entzuendete und aufgeplatzte Blase bereitete mir in der letzten Woche etwas Kopfzerbrechen, sowie Schmerzen und forderte meine medizinischen Verbindungskuenste am Wettkampftag.
Nichtsdestotrotz wagte ich mich am Samstag, 12. September mit erwaehnter Startnummer zum Startgelaende vor dem bekannten Viktoria Jungfrau Hotel in Interlaken. Wie jedes Jahr stieg die Vorfreude aufs Rennen und die Stimmung ins beinahe unermessliche. 4'000 andere Sportler nahmen an diesem Tag bei perfekten Laufbedingungen und blauem Himmel die 42.195 Kilometer mit 1'829 Hoehenmeter von Interlaken via Boenigen, Wilderswil, Zweiluetschinen, Lauterbrunnen, Wengen, Wengneralp. Wixi ueber die renommierte Moraene vor dem Ziel auf der kleinen Scheidegg in Angriff. Meine Nervositaet war fast beaengstigend. Ein gutes Zeichen aus Erfahrung. Endlich durfte ich wieder meine unzaehligen Trainingsstunden umsetzen und meine Leistungskapazitaeten zeigen.
Das Starterfeld beim weltweit bestbesetzten Bergmarathon las sich zudem auch exquisit und mir war klar, dass die Konkurrenz extrem stark sein wird. Weltmeister Vaccina aus Italien und sein Landsmann Rungger, Mekkonen aus Aethiopien, die Kenianer Michieka und Kosgei, Shaban (Bulgarien), Carrera (Mexiko), der amerikanische Vizeweltmeister Wacker, Aemisegger aus dem benachbarten Laendle, der Portugiese Costa und auch einige Toplaeufer aus der Schweiz (Wieser Patrick, Epiney Lucien, Schefer Christoph, Eggenschwiler Bernhard, Schwarz Iwan, Huerzeler Samuel, Krebs Ramon, von Allmen Konrad,....) waren im elitaeren Starterfeld vertreten. Leider musste mein "Dauerkonkurrent" und Freund Philipp Feuz bei seinem Heimrennen durch Lauterbrunnen aus gesundheitlichen Gruenden von einem Start absehen. Nochmals gute Besserung an dieser Stelle und ich freue mich auf ein naechstes Duell im neuen Jahr.
Um 08:57 Uhr erklang standesgemaess der Schweizer Nationalpsalm bevor die beiden Ehrenstarter Tadesse Abraham und Mujinga Kamboundji das nervoese Laeufervolk auf die Strecke liessen. Im Gegensatz zum Vorjahr war das Anfangstempo horrend. Mit einer gemuetlichen Wochenendschlenderei durchs touristische Interlaken wurde nichts. Die schnellen Flachlaeufer um Mekkonen, Wieser, Shaban, Wacker und der Kenia-Fraktion zerriss das Elitefeld binnen zwei Kilometern. Dahinter formierte sich eine Gruppe um die beiden italienischen Favoriten, dem Australier Green, Epiney und einigen anderen Athleten.
Ich startete auch zuegig mit Kilometerabschnittszeiten um die 3:30, konnte und wollte die Verfolgung aber nicht bereits zu diesem Zeitpunkt aufnehmen. Zu viele Koerner haette ich verblasen, die mir bei der anspruchsvollen Strecke danach gefehlt hatten. Der Jungfrau Marathon, bekannt als sehr schneller Bergmarathon, zeichnet sich durch die Tatsache aus, dass die ersten 25.5 Kilometer bis nach Lauterbrunnen praktisch flach sind und nur etwa 250 Hoehenmeter aufweisen. Man muss also gute Rollerqualitaeten in der Flaeche an den Tag legen, bevor die Bergexpertise ausgespielt werden kann.
Schefer, Eggenschwiler, Aemisegger, Huerzeler und ich bildeten die naechste Verfolgergruppe. Ein aehnliches Szenario wie im Vorjahr, außer, dass Iwan Schwarz durch Samuel Huerzeler, dem Inferno Triathlon Gewinner 2015, ersetzt wurde. Eigentlich wollten wir den Halbmarathon in Lauterbrunnen bei einer Zeit um 1:20 passieren und etwas schneller angehen als im Vorjahr. Die Fuehrungsarbeit im Groupetto teilten wir uns auf, wobei ich schon den groeßten Teil des Pensums absolvierte und Aemisegger vor allem in den ersten Rampen das Tempodiktat an sich nahm.
Leider musste nach Wilderswil Huerzeler abreißen lassen, dafuer schloss der Amerikaner Cascio zu uns auf. Vor uns kaempfte Green bereits mit dem Rennrhythmus und seiner Muskulatur, ansonsten waren uns die ersten 12,13 Athleten außer Sichtweite enteilt. Diese passierten Lauterbrunnen bei 1:14-1.16, wir folgten in einem Sicherheitsabstand von knapp fuenf Minuten bei 1:21:25. Nach dieser Markierung galt es Kraefte fuer den Aufstieg nach Wengen zu buendeln, aber trotzdem nochmals knapp 4.5 Kilometer Laufstrecke in einer Schlaufe um Lauterbrunnen zu machen, was enorm kraefteraubend war.
Zu diesem Zeitpunkt zweifelte ich ernsthaft an meiner Zielsetzung. Meine Oberschenkel wurden bereits hart und ich hatte die gesamte Passage bis dahin keinen richtigen Laufflow gefunden und musste stetig kaempfen. Trotzdem nahm ich die erste richtige Steigung forciert in Angriff. Nur der Triesenbergler Aemisegger entschloss sich, mich zu begleiten, waehrend Eggenschwiler und Schefer sowie Cascio leicht abreißen ließen. Auch in diesem Aufstieg fuehlte ich mich nicht unwiderstehlich und schwaecher als im Vorjahr. Nur mit Anstrengung konnte ich das Rennen mit Aemisegger fortfuehren, der nun seine Staerke komplett ausspielte. Eventuell aber auch etwas zu sehr aufs Gaspedal drueckte. Bereits als wir Wengen erreichten merkte ich, dass er nicht mehr komplett rund lief.
Kurz vor dem Ausgang in Wengen ueberholten wir Green und versuchten nun das fuehrende Laeufer-Dutzend anzugreifen. Bei Kilometer 33 konnte Arbold jedoch meinem Schritt nicht mehr folgen und schnell tat sich eine Luecke auf. Nach ueber 2.25 Stunden Renndauer fuehlte ich das erste Mal an diesem Tag einen guten Laufrhythmus und dies bereitete mir enorme Freude und Lust auf die letzten harten Streckenpassagen. Zwar schmerzte ab diesem Zeitpunkt meine Blase am Fuß und ob meine Oberschenkelmuskulatur die Strapazen bis zum Ziel absorbiert, war mir ein Raetsel. Zu hart und angereichert mit Milchsaeure war speziell die linke Seite bereits.
Als ich danach Schritt fuer Schritt auf Michieka aus Kenia, Wacker aus den USA und den Portugiesen Costa auflief, wuchsen meine Kraefte und gestaerkt durch isotonische Getraenke ueberholte ich alle drei Topathleten. Keiner konnte mir folgen. Bereits da zeigten sich in unmittelbarer Naehe Epiney & Rungger mit Ihren auffaelligen gelben Shirts. Ein Ergebnis in den Top10 war zum Greifen nah. Den Schlussaufstieg ueber die Moraene schoss ich foermlich hoch. Vergessen waren die Leiden der letzten Stunden, aber ehrlich gesagt freute mich schon auf die warme Dusche und ein kuehles Bier im Ziel.
Kurz darauf war es um Epiney geschehen, der mir fair alles Gute fuer die letzten drei Kilometer wuenschte. Mit diesem Antrieb im Ruecken, entdeckte ich vor mir auch schon Kosgei (KEN), der nur noch langsam die Moraene hochging. Frenetisch feuerte mich das Publikum an und hatte Freude daran, nach Wieser aus Aadorf einen weiteren Schweizer so weit vorne verfolgen zu koennen. Waehrend ich Kosgei schnell hinter mit ließ, erwies sich Rungger als harter Gegner im steilen Gelaende. Er rettete 25 Sekunden gegenueber mir ins Ziel. Dafuer ueberholte ich beim Peak auf der Moraene noch den Mexikaner Carrera, der voellig am Ende mit seinen Kraeften war und sich von Kraempfen geplagt auf den Weg Richtung Ziel begab.
Der letzte Kilometer vor der kleinen Scheidegg weist etwas Gefaelle auf und ich forcierte nochmals enorm, drueckte massiv aufs Tempo, denn moeglichst attraktiv sollte meine Endzeit sein und ich wollte mir nicht im Ziel die Frage stellen, ob ich alles gegeben habe. Mit einer Kilometerabschnittszeit von knapp ueber drei Minuten erreichte ich das Zielband in der jubelnden Zuschauermenge als Overall Sechter und Kategoriendritter in einer tollen Zeit von 3:13:02. Erschoepft sank ich zu Boden und genoss den Erfolg, die Kulisse und die Stimmung ....atemberaubend! im wortwoertlichen Sinn.
Kurz danach waren einige Interviews, Fotos und der Austausch mit den anderen Finishern an der Reihe, bevor ich mir das alkoholfreie Bier und die warme Dusche auf 2'250 Metern ueber Meer goennte. Eine Dul-X Massage vom Massagedienst gehoert natuerlich nach solchen Efforts auch zum Standardrepertoire.
Ich bin stolz auf meine erbrachte Leistung und den sensationellen 6ten Rang. Auch die Zeit ist gut, habe ich doch meine PB um ueber 2.5 Minuten verbessert. Jedoch bin ich ueberzeugt, dass die 3:10er Barriere knackbar ist fuer mich bei idealem Rennverlauf. Kein Problem aktuell: Nehme ich doch an, dass der groesste Schweizer Marathon auch 2016, 2017, etc. stattfinden wird.
In 3:02 gewann der WM Vierte Shaban aus Bulgarien das Rennen. Knapp hinter ihm reihten sich Mekkonen (ETH), Vaccina (ITA) und als bester Schweizer Paedi Wieser ein. Gratulation von meiner Seite an die aufgefuehrten Spitzenathleten aber natuerlich jedem Finisher des beliebten Jungfrau Marathons vor der schoensten Kulisse der Welt.
In zwei Wochen versuche ich in der Heimat im Wartau SG den Gauschla Berglauf zu absolvieren, bevor zum Saisonende die Tour de Tirol und der Doppelevent Transruinalta Trailmarathon / Transviamala Erlebnislauf anstehen.
Ausführlicher Laufbericht von Andreas
mit vielen Bildern von der gesamten Strecke
Bild-Impressionen vom
23.Jungfrau Marathon
Männer
1. Mustafa Shaban, BUL-Sungurlare 3:02.36,8
2. Mekonnen Birhanu, ETH-Adis Ababa 3:03.51,8
3. Vaccina Tommaso, I-Pavia (PV) 3:04.08,8
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6. Birchmeier Ralf, SUI Buchs SG 3:13.02,9
Frauen
1. Camboulives Aline, F-St Jorioz 3:28.43,2
2. Deme Eshetu Meseret, Plan-les-Ouates 3:32.00,9
3. Berchtold Conny, Spiez 3:33.29,9
4099 Finisher