Bereits zum 24. Mal führt der von vielen Medien, Teilnehmern und auch von mir als einer der schönsten Marathons der Welt bezeichnete Lauf im Berner Oberland hinauf zur Kleinen Scheidegg unter dem berühmten Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau. Für manche Teilnehmer ist dies der Höhepunkt ihres Läuferlebens. Auch für mich hat dieser Berglauf eine ganz besondere Bedeutung. Wenn ich rückblickend sage, dass der Jungfrau Marathon 2006 mein gesamtes Leben auf eine vorher ungeahnte Weise beeinflusst hat, ist dies keine Übertreibung. Dazu erzähle ich später mehr. Jetzt stehe ich zehn Jahre nach diesem Wendepunkt in meinem Leben wieder am Start in Interlaken.
Bei seiner Premiere 1993 war dies der erste Marathon in den Alpen mit Start im Tal und Ziel auf dem Berg. Schon damals erreichten mehr als 1500 Teilnehmer das Ziel. Seit vielen Jahren starten bei dem immer frühzeitig ausgebuchten Marathon mehr als 4000 Menschen aus der ganzen Welt. 1829 Höhenmeter bergauf und 305 Höhenmeter bergab, daran hat sich seither nichts geändert. Etwas gab es bei meinem ersten Start noch nicht: Startnummernausgabe, Pasta- und Finisherparty finden nun im großen Zelt eines Tourneetheaters statt, idealerweise mit dem eisbedeckten Jungfraugipfel im Hintergrund.
Im Zelt kann man auf großen Bildschirmen Videos früherer Läufe bestaunen. An den Straßen hängen große Fahnen mit den Fotos aller bisherigen Sieger und Siegerinnen.
Am Freitagmittag gibt es hier schon einige kleinere Läufe. Insgesamt starten mehr als 1700 Läufer bei Pararace, Minirun, Minimarathon und Jungfrau-Meile.
Interlaken liegt zwischen Brienzer See und Thuner See und dient vielen Urlaubern als Sprungbrett nach Grindelwald und Lauterbrunnen, vor allem aber zur Bahn auf das Jungfraujoch, zum mit 3454 m höchsten Bahnhof Europas. Der Tourismus befindet sich in Interlaken in einem starken Wandel. 2015 ging vor allem durch den starken Franken die Zahl der Hotelgäste aus Deutschland um 24 % gegenüber dem Vorjahr zurück. Immer wichtiger wird nun die stark steigende Zahl asiatischer Besucher. Im letzten Jahr kamen 17 % der Hotelübernachtungen aus China/Hongkong und 13 % aus den Golfstaaten. Die Besucherzahlen aus den Golfstaaten haben sich in den letzten Jahren mehr als verzehnfacht. Gebetsteppiche und Kompass zur Bestimmung der Lage von Mekka, Restaurants mit Halal-Speiseangeboten, Werbeplakate mit arabischer Schrift - man muss sich umstellen.
Neben Nobel- und Mittelklassehotels spielt hier für den Tourismus auch eine außergewöhnlich hohe Zahl an Backpacker-Hostels eine große Rolle. Hier sieht die Nationenstatistik überraschend anders aus, denn mehr als 40 % der Hostel-Gäste kommen momentan aus Korea. Die faszinierende Kombination der beiden Seen und der großen Gletscher zieht viele internationale Reisende einer „Europa in 7 Tagen“ Tour an.
Der Startbereich liegt genau zwischen dem mondänen, über 150 Jahre alten Grand Hotel Victoria Jungfrau und der Wiese mit dem Zelt. Viele Zuschauer säumen die Strecke. Schon jetzt spurt man, dass es heute ein für September ausgesprochen hochsommerlich warmer Tag wird. Vor dem Start werden die Namen aller Teilnehmer, die heute Geburtstag haben, über Lautsprecher vorgelesen. Einige Gleitschirmflieger landen auf der Wiese, dann geht es pünktlich um 9 Uhr los.
Zuerst laufen wir eine 3-Kilometer Runde durch Interlaken. Die Stimmung auf und neben der Strecke ist hervorragend. Schon hier stehen viele Menschen mit Glocken am Straßenrand. Insgesamt werde ich heute wohl an einigen Dutzend Glocken und Treicheln aller Größen vorbei laufen. Aber auch sehr viele Musikgruppen unterschiedlichster Stilrichtungen säumen die Marathonstrecke.
Als ich etwa bei km 3,1 zum zweiten Mal über die Startlinie laufe, erzählt der Moderator gerade, dass die Spitzenläufer schon bei km 6 sind. Bald darauf höre ich vor mir ein Blasmusik-Orchester auf geniale Weise „Smoke on the Water“ interpretieren.
Gleich darauf laufe ich für kurze Zeit am Ufer des Brienzer See. Einige Minuten später führt die Strecke am Ufer der Lütschine entlang. Zwei Mal überqueren wir rustikale, überdachte Holzbrücken. Bisher ist die Strecke noch völlig eben.
Als meine Freundin und ich vor zehn Jahren hier starteten, war der Jungfrau-Marathon unser erster Lauf, bei dem es auch viele Höhenmeter zu bewältigen gab. Damals waren wir schnelles Laufen in der Ebene gewohnt, hatten aber sehr viel Respekt vor den 1800 Höhenmetern Aufstieg. Heute ist es für mich genau umgekehrt. Nach vielen großen Ultratrails bin ich längere und steilere Aufstiege gewohnt. Mehr als 12 km auf flachem Gelände bin ich schon lange nicht mehr gelaufen. Tempotraining hat Seltenheit. Auf der ersten Streckenhälfte muss ich mich daher für meine aktuellen Verhältnisse nun sputen, um im Zeitlimit zu bleiben.
Ab Wilderswil geht es erstmals für kurze Zeit etwas steiler bergauf, doch bald folgen wieder einfachere Streckenabschnitte.
Die Stimmung in den Dörfern ist sehr gut, nach wie vor mit vielen Glocken und Musikern und Anwohnern, die auch nach 24 Jahren noch begeistert die Läufer anfeuern. Auch in Gsteigwiler fühlen wir uns sehr willkommen. Blumengeschmückte Gärten, schöne Holzhäuser, Obstwiesen - noch ist die Umgebung nicht besonders alpin, aber manchmal erkenne ich die Jungfrau vor mir. Über jeden Meter im Schatten bin ich schon jetzt froh. Die vielen Brunnen am Wegrand werden häufig zur Abkühlung genutzt.
Bei Zweilütschinen treffen die Schwarze Lütschine aus Grindelwald und die Weiße Lütschine aus Lauterbrunnen zusammen. Wir folgen dem rauschenden Wasser der Weißen Lütschine, manchmal auf breiten Wegen, zwischendurch auf Trails. Bald erreiche ich Lauterbrunnen, wo wieder sehr viele Zuschauer und Angehörige von Läufern auf uns warten.
In dem von Eiszeitgletschern tief ausgeschliffenen Tal ragen die Felswände rechts und links bis zu 600 m hoch steil auf. Direkt bei Lauterbrunnen fällt der Staubbachfall 297 in die Tiefe. Dieser Anblick inspirierte Goethe bei seinem Besuch 1779 zu seinem „Gesang der Geister über den Wassern“. Ganz andere Geister sorgen heutzutage hier für Schlagzeilen sehr tragischer Art. Lauterbrunnen wurde in den letzten Jahren unter anderem als "Welthauptstadt des Basejumping” berühmt. Mit einem Wingsuit, einem Anzug, bei dem unter den Ärmeln kleine "Flügel" eingenäht sind, springen sie oberhalb der Felsen ab und öffnen erst im letzten Moment ihren Fallschirm. In den letzten Jahren forderte dieser Trendsport alleine hier im Tal mehr als 40 Todesopfer.
Ein Glück, dass ich nur Läufer bin! Die erste Streckenhälfte liegt hinter mir, aber bisher nur etwa 300 Höhenmeter Aufstieg. Obwohl ich das hohe Tempo nicht gewohnt bin, läuft es wie geplant. Mich irritiert nur, dass der 6.30er Zugläufer, dem ich beim Start mit etwa 100 m Abstand gefolgt bin, längst weit vor mir verschwunden ist. Durch meine Fotostopps konnte ich den Anschluss nicht halten, müsste ihn aber längst wieder eingeholt haben. So langsam bin ich doch gar nicht! Dann überholt mich der 6:00 Zugläufer und die Sache ist geklärt. Ich bin dem 5.30er nachgerannt, nicht dem 6.30er. Kein Wunder, dass mir das zu schnell wurde.
Eine Weile laufen wir ins Tal hinein, dann kurz bergab zum Fluss, an dessen Ufer wieder in Richtung Lauterbrunnen zurück.
Ab km 25,5 kommt ein Abschnitt, der mich vor zehn Jahren sehr gefordert hat. Heute dagegen ist es genau das, was ich am meisten liebe - ein steiler Aufstieg. 500 Höhenmeter auf nur sechs Kilometern, da ist Wandern statt Laufen angesagt. Die Serpentinen werden von vielen "Die Wand" genannt. Deshalb läuft seit Jahren in entsprechender Lautstärke Pink Floyds "Another Brick in the Wall" als Endlosschleife und motiviert auch die Teilnehmer, die hier erschöpft am Geländer lehnen oder auf dem Boden sitzen.
Dann ist diese erste große Anstrengung geschafft. Kurz geht es sogar wieder zum Erholen bergab. Dann folgt ein mäßiger Aufstieg nach Wengen. Hinten im Tal glänzt der Gletscher des Breithorn im Sonnenlicht. Fast alle Gipfel sind wolkenfrei, nur das Schilthorn, auf das im August ein wunderschöner Halbmarathon ab Lauterbrunnen und ein äußerst harter Triathlon ab Interlaken führen, versteckt sich.
Inzwischen ist es sehr warm, fast zu warm zum Laufen. Es fällt mir schwer, voran zu kommen. Sogar an leichten Steigungen, die ich eigentlich laufen könnte, marschiere ich. Das hohe Anfangstempo und die Temperatur machen mir schaffen. Ein Glück, dass in Wengen sehr viele Zuschauer am Streckenrand stehen und uns anfeuern, denn zu diesem Zeitpunkt würde ich mich am liebsten in den Schatten setzen und ausruhen. Meine kleine physische Krise, die mich fünf Wochen bremst, schlägt nun voll durch. Doch Aufgeben wäre in solch einer traumhaften Umgebung ein unverzeihlicher Fehler! Es warten noch so viele wunderschöne Kilometer auf mich, da muss und will ich unbedingt weiter.
Wengen hat im Winter etwa doppelt so viele Urlauber wie im Sommer. Das Lauberhornrennen zählt zu den spektakulärsten Skirennen Europas. Der Ort ist komplett autofrei, kann also nur zu Fuß oder mit der Bahn erreicht werden. Im August 2005 war Wengen nach zwei kleinen Erdrutschen sogar komplett von der Außenwelt abgeschnitten, auch Strom, Telefon und Mobilfunknetz fielen zwei Tage lang aus. Touristen konnten nur mit Hubschrauber den Ort verlassen.
Mit Blick auf die Gletscher der Jungfrau geht es weiter bergauf. An jeder Verpflegungsstelle trinke ich mindestens einen Becher, meist sogar zwei. Bouillon ersetzt das herausgeschwitzte Salz, dazu freue ich mich über Cola, feste Nahrung will mein Magen heute nicht akzeptieren.
Einige Zeit folge ich einem Weg, der im Winter eine herrliche Rodelpiste ist, auf der man von der Kleinen Scheidegg nach Wengen sausen kann. In der Ferne sehe ich die eisigen Gipfel von Mittaghorn, Grosshorn, Breithorn und Tschingelhorn.
Es macht mir Spaß, anhand der Bekleidung die Herkunft der Läufer zu erraten. Die ganze Welt scheint hier vertreten zu sein. Menschen aus 62 Nationen laufen hier heute, darunter 60 % aus der Schweiz und 15 % aus Deutschland. Der Anteil der Frauen, der 1993 bei 10 % lag, beträgt heute 24 %. 46 % der Teilnehmer laufen hier zum ersten Mal. Vier Läufer kommen sogar auf 26 Teilnahmen, sie starteten beim 10. und 20. Jubiläum, wo der Jungfrau Marathon Samstag und Sonntag gelaufen wurde, an beiden Tagen.
Nun zweigt unsere Route rechts in den Wald ab, durch den wir eine Weile mit nur wenig Aussicht laufen. Dann erblicke ich Mönch und Jungfrau vor mir, bald auch den Eiger. Beim Wixi beginnt der alpine Teil der Strecke. Vor uns die als UNESCO Naturerbe geschützte Eiger-Mönch-Jungfrau-Region, steigen wir auf immer steileren Trails hinauf. Alphornbläser und Fahnenschwinger lenken uns von der Anstrengung ab. Die Gesichter mancher Läufer scheinen vor Begeisterung zu leuchten, in anderen lese ich völlige Erschöpfung, bei mir vereinen sich beide Zustände zu einer euphorischen Kraftlosigkeit.
Weit oben erkenne ich das fast flache Wegstück, das den höchsten Punkt der Marathonstrecke anzeigt. Nur noch drei Kilometer bis zum Ziel. Aber zuvor muss ich noch DAAAA! hinauf. Vor zehn Jahren hätte ich nicht gedacht, dass solche Aufstiege für mich irgendwann Routine werden würden, dass 1800 Höhenmeter Etappenziele auf sehr viel längeren Strecken sein würden und Trails wie diese Moräne mein bevorzugter Laufuntergrund sein könnten. Aber heute fühle ich mich wie damals, nein, sogar noch langsamer. Damals versuchte ich auf der Moräne langsamere Läufer zu überholen, heute bin ich froh, wenn ich nicht überholt werde. Es ist anstrengend! Sehr anstrengend! Aber auch unglaublich schön! In dieser Umgebung wird jede Spur der Erschöpfung durch den grandiosen Anblick der alpinen Wucht ausgeglichen.
Als ich 2006 hier gemeinsam mit meiner Freundin hinauf stieg, kannte ich solche Trails nur von Wanderungen in den Alpen, nicht aber als Laufstrecke. Aber schon beim allerersten Mal begeisterte uns das Berglaufen so sehr, dass wir bald darauf fast nur noch bei Wettkämpfen mit vielen Höhenmetern starteten. Nie hätte ich damals aber davon geträumt, wie weit mich diese an dem Tag erwachte Leidenschaft bringen würde. Den zuvor für uns fast unmöglich schweren Jungfrau-Marathon zu bewältigen, war der Höhepunkt des Jahres. Schon am Ziel wussten wir, dass wir in Zukunft öfter in den Alpen laufen wollen. Dass für mich in den nächsten zehn Jahren über 50 Ultratrails folgen sollten, darunter beim UTMB 165 km nonstop um den Mont Blanc oder 185 km nonstop auf wunderschöner, aber anspruchsvoller Strecke um Menorca, hätte ich nicht geglaubt. Trailrunning und Ultratrails sind der Mittelpunkt meines Lebens. Es ist keine Floskel, wenn ich aus vollem Herzen sage, dass der Jungfrau-Marathon 2006 mein Leben ganz enorm veränderte. Das war mehr als nur ein Wettkampf für mich. Das war eine Tür, die sich nicht nur zu einer sportlichen Erweiterung, sondern zu einem völlig neuen Lebensstil öffnete.
Und heute, zehn Jahre später, bahnt sich allmählich eine weitere Entwicklung an. In diesem Jahr finde ich wieder zunehmend Freude auch an kürzeren Distanzen und "muss" nicht mehr so oft dem aktuellen "immer höher, immer härter, immer weiter"-Trend folgen. So wunderschöne Events wie der Jungfrau-Marathon haben für immer einen Ehrenplatz in meinem Herzen.
Stau auf der Moräne - wie immer. Das gehört dazu. So kann man besser die Aussicht genießen und muss nicht ständig den Blick auf den Weg vor den Füßen richten. Man sollte glauben, dass ich nach inzwischen genügend Erfahrung habe, um klassische Anfängerfehler zu vermeiden. Dazu gehört die Regel, dass man neue Ausrüstung vor einem Wettkampf ausprobieren sollte. Heute laufe ich erstmals mit einem nagelneuen Brustgurt für die Kamera. In ein Seitenfach passen Speicherkarte und Ersatz-Akku exakt hinein. So exakt, dass ich nun drei, vier Minuten immer stärker fluchend herumfummle, bis ich endlich an den Akku komme.
Der Dudelsackspieler auf der Moräne gehört zum Jungfrau-Marathon wie das Brandenburger Tor nach Berlin. Aber es ist nicht mehr Roman Käslin, der damals Annette und mir schottische Melodien vorspielte. Nach Käslins Tod 2010 übernahm ein anderer die ehrenvolle Aufgabe.
Vor einigen Wochen hing ein eisiges Damoklesschwert über der Streckenführung. Ein großes Stück eines Hängegletschers am Eiger drohte abzubrechen. Einige gefährdete Wanderwege wurden vorsorglich gesperrt. Für den Jungfrau-Marathon hätte es dann eine Alternativstrecke ohne die Moräne gegeben. Zum Glück stürzten die etwa 20.000 Kubikmeter Eis aber bereits Ende August ab.
Bei km 41 erreiche ich auf 2205 m den höchsten Punkt der Strecke. Nun geht es auf den letzten 1,2 km 110 m bergab. An einer steilen Felsstufe reichen uns Helfer ihre Hände. Das Ziel ist in Sicht. Ich renne steil hinab. Noch einmal geht es ein paar Meter bergauf. Im Fallboden-Speichersee spiegelt sich das Wetterhorn über Grindelwald. Dann folgt der letzte, wunderbare Abstieg. Die Lage des Zieles trägt sicher auch zu den Glücksgefühlen der Finisher bei. Egal wie erschöpft man sich eben noch die Moräne hinauf gekämpft hat - die letzten paar hundert Meter kann jeder wieder rennen und kommt dann mit einem tollen Sprint an, statt sich müde über die Ziellinie zu schleppen. Einfach nur Klasse!
2006 liefen meine Freundin und ich Hand in Hand durchs Ziel. Das Finisherfoto dient seither als Namensschild am Eingang unserer Wohnung. Leider konnte Annette aus beruflichen Gründen dieses Mal nicht mitkommen.
Ich höre später von vielen Teilnehmern, dass sie mit dem ungewöhnlich warmen Wetter heute Probleme hatten, aber Berglauf-Weltmeisterin Martina Strähl stellt trotzdem einen neuen Streckenrekord auf (3:19.15,2). Bei den Männern dagegen bleibt nach wie vor der Rekord von Jonathan Wyatt aus dem Jahr 2003 (2:49:02 Stunden) bestehen.
Da die Veranstalter des Jungfrau-Marathon ein Zeichen setzen wollen, gibt es in diesem Jahr erstmals für Spitzenläufer Dopingkontrollen. Gut so!
Gleich hinter der Ziellinie bekomme ich die Medaille, alkoholfreies Bier und eine Flasche mit Iso. Bisher war alles 100 Prozent super. Doch nun kommt der Moment, an dem sich plötzlich sehr viele Männer wie im falschen Film fühlen. Das Finishershirt ist PINK! Allzu leicht kann man es mit der Einheitskleidung der momentan so populären Frauenläufe verwechseln. In Pink werde ich ganz bestimmt nicht zum Lauftreff gehen. Obwohl mir jetzt gerade „A Boy named Sue“ von Johnny Cash einfällt.
Ich setze mich an Den Hang und schaue mir 90 Minuten lang den Trubel von oben an. Viele Läufer, viele Angehörige und noch mehr Touristen. Hier ist einfach was los. 1840 wurde auf der Kleinen Scheidegg das erste Hotel eröffnet, das Bellevue. 1896 entstand daneben das Hotel des Alps. 1929 wurden beide Hotels durch einen Saalanbau zum Bellevue des Alps verbunden. 2011 wurde es als "Historisches Hotel des Jahres" ausgezeichnet. Bereits 1893 wurde die Bahnstrecke von Lauterbrunnen über die Kleine Scheidegg nach Grindelwald eröffnet. 1912 war dann nach 16 Jahren Bauarbeiten auch die neun Kilometer lange Strecke von hier bis hinauf zum Jungfraujoch fertig, die in vielen Tunnels durch den Eiger führt, unterwegs aber an zwei spektakulären Aussichtspunkten anhält.
Zum letzten Mal war ich auf der Kleinen Scheidegg bei der Premiere des Eiger Ultratrail, als ich hier gegen Mitternacht ankam und Eiger und Jungfrau im schwachen Licht der Nacht grau vor mir schimmerten. Keine Touristen, keine Bahnen, nur Stille! Auch ein faszinierendes Erlebnis! Am frühen Abend komme ich wieder in Interlaken an. Als ich im Programm gelesen hatte, dass am Samstagabend im Zelt eine Party mit Liveband stattfindet, zweifelte ich daran, dass nach so einem anstrengenden Marathon noch genügend Leute tanzen wollen. Doch dann treffe ich einige Freunde, und zwei Stunden heizen wir auf der Tanzfläche ohne Pause durch, denn die Band, Mr. Ray´s Class, sorgt wirklich für beste Laune. Ein perfekter Abschluss eines herrlichen Tages!
Der Jungfrau-Marathon gehört in die Biographie eines jeden Marathoni! Jeder, der es bis zur Kleinen Scheidegg schafft, hat eine großartige Leistung erbracht, auf die man stolz sein kann. Wer nach diesem Lauf Lust auf noch größere Herausforderungen hat, der findet auf marathon4you und vor allem auf trailrunning.de viele Anregungen für weitere Abenteuer. Doch egal, was alles an neuen Strecken angeboten wird, ich werde zum Jungfrau-Marathon immer wieder gerne zurückkommen, seine Schönheit ist unsterblich.
Frauen (984 Klassierte)
1. Martina Strähl 3:19.15,2
2. Michelle Maier 3:30.22,4
3. Aline Camboulives 3:39.38,2
Männer (3096 Klassierte)
1. Robbie Simpson 3:00.11,7
2. Birhanu Mekonnen 3:05.33,6
3. Stephan Wenk 3:06.17,2