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11.08.13 - Kainacher Bergmarathon

''Das Wandern ist des Läufers Frust...''

Einige Mitglieder des 100 Marathon Club Austria sind in Kainach schon gelaufen. Ich habe mir vorgenommen, heuer dort erstmals anzutreten. Eine gute Gelegenheit, das zumeist verwaiste Wochenendhaus in Neuberg/Mürz aufzusuchen, dort zu übernachten und am Renntag mit dem Auto über Bruck  in die ca. 130 km entfernte, rund 700 Einwohner zählende Gemeinde im steirischen Bezirk Voitsberg zu fahren. 

Die Kühle auf 800 m Seehöhe beschert mir einen guten Schlaf nach mehr als 30 Tagen mit über 30 Grad - auch des Nachts in unserer Wiener Dachwohnung. Der Handywecker läutet um 5 Uhr, ich gönne mir ein ausgiebiges Frühstück und fahre los. Zunächst zeigt das Navi eine Fahrzeit von 2 Stunden und 22 Minuten an, das würde sich kaum ausgehen, wenn die Startnummern nur bis 8 Uhr ausgegeben werden, wie auf der homepage des TUS Kainach angekündigt wird. Doch auf der Schnellstraße nach Bruck korrigiert das Gerät die Ankunftszeit, in ca. 1 ½ Stunden  werde ich in Kainach sein. Die Anreise ist dennoch etwas beschwerlich, sobald ich mich auf kurvenreichen, engen Landstraßen über hügeliges Gelände befinde. 

Unweit der Ausgabestelle parke ich meinen V70 ein, dessen Zahnriemen laut Serviceheft schon vor Kainach hätte ersetzt werden müssen. Die Werkstätte meinte, dass ich gut 1000 km weiterfahren könne, es wird schon nichts passieren. Nach der Abholung des Starterpakets mit der Nummer 38 – M4Y-Reporter Herbert Orlinger wäre mit 40 ins Rennen gegangen, wenn er nicht verletzt absagen hätte müssen – bleiben eineinhalb Stunden bis zum Start um 9 Uhr. Ich nutze die verbleibende Zeit  und spaziere im Ort mit schmucken Ein- und Mehrfamilienhäusern umher. In den Gärten blühen und duften allerlei Sommerblumen, mancher Balkon wird von Blumenkisten verziert, die mich an Tiroler Bergdörfer und an meine Oberkärntner Heimat erinnern – auch meine Mutter betreute zeitlebens Blumen in und um unser Haus.

 
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Es überrascht mich doch etwas, als ich einen Blick auf die Starterliste werfe, der 24. Kainacher Bergmarathon ist eine internationale Veranstaltung. Neben den Österreichern nehmen auch Läufer aus Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien,  den Niederlanden und Ungarn teil. Manche sind schon öfters hier gewesen.  Leopold Eigner, Marathon- und Ultraläufer aus Passion, tritt gar schon zum 5. Male in Kainach an. Auch Werner Kroer treffe ich auf der Straße, er ist wie ich heuer den Montafon Arlbergmarathon gelaufen und nimmt sich vor, diesmal in unter sechs Stunden zu finishen. Nach dem Riesengebirgsmarathon die Woche davor bleibe ich bescheiden  – die 44 Km in Kainach mit ca. 1800 m Höhenmetern möchte ich in 6:30 Stunden schaffen, zumindest aber unter der Schlusszeit von 7 Stunden bleiben. 

Erst eine Viertelstunde vor dem Start bequeme ich mich, den Laufdress anzuziehen. Mit einiger Routine schafft man das zwischen zwei geöffneten Autotüren, außerdem regt sich längst kein Mensch mehr auf, wenn er für einen Augenblick einen nackten Hintern sieht. Diesmal ziehe ich ein luftiges Singlet an, denn beim Montafon-Marathon schwitzte ich mit Langarmshirt und ¾-Laufhose in der Mittagssonne auch am Berg. Knapp vor dem Start bei prächtigem Wetter – sonnig, aber längst nicht so heiß wie die Wochen davor – knipse ich noch ein wenig, um die Stimmung unter den Läufern fotografisch festzuhalten. Der Ortspfarrer segnet alle Anwesenden, dann ertönt das Startkommando.  Ich stehe wie immer im hinteren Drittel des Feldes.

 
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Vorbei an der Dorfkirche geht es auf der asphaltierten Landstraße rund 2 km in Richtung Norden. Bereits nach 5 Minuten ist das Starterfeld schon weit auseinander gezogen. Hinter mir sind rund ein Dutzend Läufer und die Walker. Ein Feuerwehrauto quert die gesperrte Straße, die Strecke führt nun  über eine Wiese einige Hundert Meter steil aufwärts. Eine kleine Gruppe von Zuschauern beklatscht die Läufer/innen. Ich versuche auf dem schmalen Wiesenweg erst gar nicht zu laufen, sondern gehe wie mein Umfeld davor und dahinter schnellen Schrittes aufwärts. Mir fällt spontan das von Franz Schubert vertonte berühmte Gedicht  „Das Wandern ist des Müllers Lust“ ein  –  Teile des Textes oder auch nur einzelne Wörter lassen sich leicht abändern, die Melodie bleibt dieselbe. Ich pfeife es laut und ersetze das Wort  „Müller“ durch  „Läufer“ und führe gedanklich weitere Änderungen durch. „Das Wandern ist des Läufers Frust, das Wandern, das muss gar kein schlechter Läufer sein, ihm fällt halt sonst nix ein“.

Auf einer Lichtung vor einem Heustadl spielt ein Anwohner auf seiner Ziehharmoniker eine rasante steirische Polka. Ich mag Volksmusik, sie ist Teil meiner Kindheit. Sie erinnert mich an meine ländliche Herkunft und bildet einen willkommenen Kontrast zum Großstadtleben. 

Bald darauf kommen wir wieder auf eine asphaltierte Straße, auf der man abschnittsweise im Laufschritt gut vorankommt. Ich wundere mich über eine Durchfahrtsverbotstafel – auch für Radfahrer! Ob das dem Ökotourismus nicht zuwiderläuft?

Wird es zu steil, dann gehe ich wie vor mir ein Pärchen mit dem offiziellen Logo der österreichischen Apothekervereinigung  –  darüber steht „Schutzengel“.  Bald ist Kilometer 5 auf der als Lipizzanerweg bezeichneten Strecke erreicht. Rund 500 Meter weiter  – wie meine GPS-Uhr zeigt – folgt die erste Labestation, wo drei Helfer Wasser, Iso, Cola, Bananen und Riegelstücke bereithalten.

 
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Ich bleibe nicht stehen, sondern nehme einen Plastikbecher Wasser, den ich zu einem Drittel mit Iso mische sowie einen weiteren Becher mit Cola und versuche im Gehen zu trinken.  Das Apothekerpärchen kann sich etwas absetzen, ich versuche ihnen zu folgen. Hinter mir kommen auf Sichtweite ein halbes Dutzend Läufer nach, einer marschiert trotz Verbots mit Walkingstöcken, die ihm aufwärts gewisse Vorteile verschaffen. Bei einer Kontrolle hätte man ihn zumindest verwarnen müssen, so marschiert er mir eifrig nach.

Die Wegmarkierungen in Gelb sind gut erkennbar.  Als wir aber bei einem großen Steinbruch vorbeikommen, werde ich unschlüssig – geht es nach links oder rechts? Infolge eines steilen Sichtwinkels erblicke ich das Pärchen vor mir plötzlich nicht mehr. Doch eine attraktive Wanderin mit großem Rucksack kommt mir entgegen und sagt laut „Bravo“. Ich antworte, dass ich ja auch nur gehe wie sie, worauf sie meint, dass sie auf dem Weg ins Tal bisher nur gehende Läufer gesehen habe. Daher schnell nachhetzen, damit ich wieder den Anschluss finde. 

Bald darauf folgt wieder eine Wegabzweigung, wo die Markierung der Laufstrecke nicht gleich erkennbar ist. Würde der mit Stöcken hinter mir marschierende Mitstreiter mich noch sehen, wenn ich plötzlich einen Zahn zulege? Vielleicht wäre ich ihn sogar für einige Zeit los, wenn er die falsche Abzweigung nimmt? Ich sollte später von ihm erfahren, dass er bereits das zweite Mal in Kainach läuft und den Kurs gut in Erinnerung hat. Auch angehende Fährtenleser tun sich leicht, wenn sie auf der Strecke weggeworfene Trinkbecher liegen sehen. Bald erreiche ich die 10-km-Marke in der Nähe des Mandlkogels, etwas später folgt die zweite Labestelle, wo ich kurz verweile.

 
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Der mit verblühten Disteln und Goldruten umsäumte Wanderweg durch den Wald führt nach rund zwei Kilometern auf Almboden. Ein steiniger Wanderweg, der auch für Fahrzeuge resp. Zustelldienste  genutzt wird, führt aufwärts. Ich bin sehr überrascht, dass nun plötzlich der Mann mit den Wanderstöcken in Begleitung einer Läuferin auf mich zukommt, als ich eben dabei bin, die Landschaft zu fotografieren. Und jetzt versuchen die beiden mich zu überholen. Das gelingt ihnen bis zu einer Abwärtspassage, auf der ich sie wieder einhole. Dann beginnt ein Anstieg zur Zeißmannhütte auf fast 1600 Meter Seehöhe, wo auch der Staffelwechsel erfolgt und eine Labestation eingerichtet ist.

Komischerweise werde ich immer nach meiner Startnummer gefragt, wo sie doch gut erkennbar auf einem Band fixiert ist. Als Chip haben wir eine Art Scheckkarte erhalten, die auf der linken Seite in Hüfthöhe mit zwei großen Sicherheitsnadeln zu befestigen ist. Doch nur beim Start und jetzt bei Kilometer 14 wird die Elektronik aktiv, bei den Labestellen schreiben die Helfer die Startnummer und die Durchgangszeit auf – und verlesen sich bei mir gleich zweimal: Ich sage inzwischen ungefragt „Nummer 38“.

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