10 Jahre „Tour de Tirol“ feiert man heuer in Söll am Wilden Kaiser. Zum Jubiläum gibt es wieder einige Neuerungen, die besonders mir, als bekennenden Trailliebhaber, außerordentlich gut schmecken sollten. Nachdem im Vorjahr bereits der Halbmarathon durch den 23 Kilometer langen Pölven Trail ersetzt wurde, hat man heuer besonderes Augenmerk auf die Königsdisziplin, den Kaisermarathon am zweiten Tag der Serie gelegt.
Runter vom Asphalt, ist die neue Devise für den Marathon, ausgeben vom Tour-de-Tirol-Cheforganisator höchstpersönlich. Die Veranstalter mit den beiden Hauptverantwortlichen Martin Kaindl und Dieter Aufinger setzen auf mehr Trail. „Die Strecke quer durch die Skiwelt Wilder Kaiser bis ins Ziel Hohe Salve wurde kosmetischen Korrekturen unterzogen und explizit an den Asphaltpassagen spürbar verändert“, steht zumindest einmal so geschrieben. Ich kann aber zudem auch auf dem Streckenplan beim Aufstieg zur Hohen Salve eine deutliche Veränderung der Streckenführung ausmachen.
Als am Abend Martin Kaindl beim Streckenbriefing für den Marathon noch die Aussage trifft: „Wer auf Asphalt laufen will, muss sich ins Auto setzen und Söll verlassen, wir laufen heuer fast nur noch auf Trails und Bergwegen“, habe ich große Hoffnung, dass mehr als nur ein paar kosmetische Eingriffe vorgenommen wurden. Er spricht sogar von insgesamt etwa 20 Kilometern, die ersetzt wurden. Das wird dann ja eine richtige Trail du Tirol.
Das hört sich doch wirklich gut an und damit ist man auch auf dem richtigen Weg, finde ich. Da werden mir jetzt natürlich die Straßenläufer nicht so ohne weiteres zustimmen, die beim alten Kurs auf überwiegend Asphalt in der ersten Hälfte noch richtig Tempo bolzen konnten. Mich machen die Streckenänderungen jetzt richtig neugierig und darum bin ich ja auch her gekommen. Dazu habe ich natürlich auch noch was gutzumachen. Eigentlich wollte ich bereits im Vorjahr die Premiere des Pölven Trail unter die Sohlen nehmen, daraus wurde aber wegen streikender Muskeln nichts. Aber heuer ist er fällig.
Etwas unterhalb des Marktplatzes ist das große Festzelt aufgebaut und wer noch was von seinem Equipment vergessen hat, oder neues benötigt, auf der überschaubaren Messe findet sich eigentlich alles. Wer Wert auf Alternativ-Training legt, kann sich am Stand vom Sponsor Scott heiße Bikes ansehen. Wow, 12.900 Euro kostet so eine Triathlon-Kohlefaser-Rennmaschine. Da bleibe ich doch lieber beim vergleichsweise kostengünstigen Laufsport.
Los geht`s bereits am Freitag mit dem Söller Zehner. Meinen allergrößten Respekt genießen Etappenläufer, die sich jeden Tag auf’s Neue mit müden Knochen den Herausforderungen stellen. Meine Sache ist das nicht unbedingt und ich hab mich streckenmäßig mit dem Prolog der Tour auch nicht wirklich beschäftigt. Gedanklich bin ich eigentlich eher darauf fixiert, den Söller Zehner sausen zu lassen. Dazu kommt, dass ich nicht allzu wild bin, einen schnellen und flachen 3-Runden-Kurs am Vorabend eines Marathons zu absolvieren. Ach, sch… drauf, das Wetter ist herrlich, beste Stimmung vor Ort und es ist Jubiläum, ich starte.
Seit Wochen sind alle 500 Teilnehmerplätze für die Gesamtwertung ausgebucht, nachmelden kann man sich nur noch als Einzelstarter. Die Anmeldezahlen gehen also nach oben. Und noch eine gute Nachricht gibt es von Veranstalterseite zu melden, auch die nächsten 10 Jahre ist die Durchführung der Tour de Tirol gesichert. Gemeinde. Tourismusverband und auch die Bergbahnen ziehen gemeinsam an einem Strang und freuen sich auf eine Fortsetzung.
Um 18 Uhr erfolgt traditionell der Start zum Auftakt der Tour. Martin Kaindl erklärt uns noch, wie wir zu laufen haben. Bei noch strahlendem Sonnenschein geht‘s in die erste Runde. Nach zweihundert Metern im Ort geht es bereits leicht ansteigend Richtung Pölven, dem Hausberg von Söll. Ab Ortsrand wird es immer heftiger. Ja hoppala, da hätte ich mich doch etwas mehr für den Kurs interessierten sollen, die Steigung ist nicht von Pappe. Die ersten fallen bereits in den Wanderschritt.
Nach dem ersten Kilometer verlassen wir die Teerstraße und biegen ab in einen leicht abschüssigen schmalen Waldweg. Aber nicht lange, dann geht’s wieder aufwärts. So sind auf den ersten zwei Kilometern immerhin fast 100 Höhenmeter zu bewältigen. Klingt nach nicht sonderlich viel, ist aber auf dem kurzen Abschnitt nicht zu verachten. Und es sind auch kurze Trailabschnitte darunter, das hätte ich eigentlich am allerwenigsten erwartet und macht mir richtig Spaß. Am höchsten Punkt biegen wir in einem Waldabschnitt nach links ab und es geht wieder den Hang hinunter. Der letzte Kilometer der Runde hinein nach Söll führt uns wieder auf Asphalt. Es ist nicht sonderlich steil, so kann man es bis zum Zieldurchlauf richtig fliegen lassen. Wir müssen die überdimensionale Erdingerdose umrunden und haben somit die erste Runde nach genau 3,3 km geschafft.
Mein Vorurteil, hier auf einem flachen Straßenkurs laufen zu müssen, muss ich natürlich revidieren, das ist wirklich eine nicht zu unterschätzende, schöne Hügelrunde. Am Anfang von Runde zwei werde ich bereits vom Führenden und Vorjahressieger Robbie Simpson aus GB überrundet. So viele Spitzenläufer wie noch nie sind heuer am Start. Da sind Patrick Wieser und Urs Jenzer aus der Schweiz, der zweimalige Eiger-Ultra-Trail-Sieger, dazu der Bulgare Shaban Mustafa, aktueller Jungfrau-Marathon-Gewinner und Jasmin Nunige um ein paar zu nennen. Das sind alles feinste Berglauf- und Trail-Asse und beweist, dass die Richtung bei der Tour de Tirol stimmt.
Mitte Runde drei wird es langsam dämmrig. Bei meinem Zieleinlauf ist es dann bereits finster, das hat auch etwas. Feier, Siegerehrung und Racebriefing für den Kaisermarathon finden anschließend im Festzelt statt. „Locker bleiben, have fun“ gibt uns Martin Kaindl für den morgigen Tag auf den Weg.