Die Tour de Tirol beginnt für uns mit einer wahren Tortur, der Anfahrt nach Österreich am 3. Oktober. Bedingt durch den Feiertag, ist halb Deutschland auf der Straße. Glücklich der Blechlawine entkommen, wird es knapp für die Abholung der Startunterlagen.
Die Tour besteht aus drei Disziplinen. Zuerst kommt heute um 18 Uhr der Söller Zehner, ein 10 km Lauf mit 255 HM. Morgen folgt dann der Kaisermarathon mit 42 km, 2165 HM und Bergankunft. Dann am Sonntag erstmals der 23 km lange Pölven Trail mit 1200 HM, der gleichzeitig die österreichische Speedtrail-Meisterschaft ist.
Der Ortskern des „schönsten Blumendorfs Europas“, wie sich Söll seit letztem Jahr offiziell nennen darf, gleicht einer Sportarena. Anmeldung, Taschenaufbewahrung, Marathonmesse und Zielverpflegung sind dicht an dicht an der Straßenseite gegenüber eines überdimensionalen aufblasbaren Autos. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich dies als Hüpfburg für die Kleinen. Mitten auf dem Marktplatz steht eine riesige Videoleinwand.
Wir treffen Heidemarie, die Gewinnerin des Startplatzes für die Tour bei Marathon4you. Sie war schon einmal bei der Tour dabei und musste damals aber wegen des schlechten Wetters den Kaisermarathon beim Hexenwasser beenden. Ihr großer Wunsch ist es, einmal auf die Hohe Salve zu laufen.
Um 17 Uhr 30 wird es im Startbereich lebendig. Musik und Moderator künden vom bevorstehenden Start. Die Tour wird offiziell mit einem Kanonenböller eröffnet. Beim Briefing lauschen über 500 Läufer gespannt den Einführungen. Das Ganze wird auch noch ins Englische übersetzt, schließlich sind hier 23 Nationen vertreten. In Anlehnung an Michael Buffers legendären Schlachtruf vor großen Boxkämpfen, verkündet nun eine Stimme aus dem Off das erste Rennen der Tour de Tirol über den ganzen Platz. Elektrisierende Musik lässt Adrenalin schießen. Punkt 18 Uhr geht es los.
An vielen Zuschauern vorbei verlassen wir den Startbereich. Im Hintergrund liegt das Kaisergebirge in der Sonne. Es geht rechts in die erste Steigung. In einer steilen S-Kurve führt die Straße nach oben. Hier erwarten uns Helfer mit Getränken. Auf Schotter geht es im Wald bergab. Es wird flacher und lichter, dann müssen wir wieder bergauf.
Wir kommen auf eine kleine Straße. Die Helfer weisen den Weg. Zu unseren Füßen liegt Söll in der untergehenden Sonne. Das Gefälle ist prima, sehr gut geeignet um Tempo zu machen. Wir laufen an einer kleinen Kapelle vorbei auf die Ortsmitte zu. Zuschauer stehen Spalier und feuern uns an. Es geht wieder in den Startbereich, um eine riesige Erdinger-Dose herum und auf die zweite Runde. Hier gibt es nochmals Getränke und den Wechsel der Staffeln.
Eine Runde hat 3,3 km und laut Ausschreibung 85 Höhenmeter. Auf meiner zweiten Runde kommen an der langen ersten Steigung bereits die Führenden von hinten. Das bringt einige Hektik ins Feld, denn man will ja die schnellen Hasen nicht behindern. Immer mehr Läufer kommen von hinten. Im Wald wird es inzwischen schon ganz schön dunkel. Kleinen Lampen entlang der Strecke zeigen den Weg. Aber Unebenheiten sind schwer auszumachen und man läuft daher doch eher mit Gefühl.
Als es wieder bergab geht, habe ich ein Aha-Erlebnis. Ich dachte immer, ich könne ganz gut abwärts laufen. Aber alle, die mich hier überholen, fliegen förmlich hinunter. Als ich im Zielbereich meine zweite Runde vollende, sind die Ersten schon lange fertig. Jetzt wir es ruhiger auf der Strecke. Um mich herum sind alle etwa gleich schnell. Bergab nehme ich nochmal Tempo raus. Auslaufen heißt hier meine Devise. Das Wochenende hat erst begonnen und ein Zeitverlust auf dem Zehner ist besser zu verkraften als ein Einbruch beim Marathon.
Im Ziel gibt es Erdinger alkoholfrei, Wasser, Iso und Obst. Nach dem Duschen und Umziehen, schauen wir kurz bei der Siegerehrung auf dem Marktplatz vorbei. Auch andere Zuschauer haben sich eingefunden. Gewonnen hat der Brite Robbie Simpson in einer Zeit von 34:05 vor dem Ungarn Adam Kovacs und Gerd Frick aus Südtirol. Bei den Frauen dominierten die beiden Ungarinen Timea Merenyi und Simona Staicu vor Kathrin Götz aus der Schweiz.