Im Karwendel gibt es ein besonderes Trailschmankerl. Von Scharnitz direkt hinter der deutsch-österreichischen Grenze führt der Trail durch das Karwendelgebirge bis nach Pertisau am Achensee. 2019 war ich schon einmal dabei, bin allerdings böse eingebrochen. Diese Wunde gilt es heuer zu heilen. Schaun wir mal.
Die Bergwelt des Karwendel ist wunderschön. Nicht umsonst ist dies eine meiner traditionellen Urlaubsregionen. So wird der Lauf wieder mit einem längerem Urlaub in der schönen Karwendelregion verbunden.
Unser Quartier nehmen wir wieder in Krün, bekannt durch den Besuch des ehemaligen US-Präsident Barack Obama mit Bundeskanzlerin Angela Merkel beim G7-Gipfel 2015. Ob er damals seine Mass Bier auf der Bank vor dem Rathaus wirklich getrunken hat? Ich werde 50 m entfernt in den Steirer Stubn jedenfalls noch eine trinken. Darauf komme ich noch zurück.
Donnerstag reisen wir an und schon am Freitag machen wir uns auf den Weg ins 15 Km entfernte Scharnitz. Hier gibt es ab 11 Uhr die Startunterlagen beim Parkplatz Länd P2 an der Hinteraustraße. Nachmeldungen sind übrigens schon lange nicht mehr möglich. Der Kultlauf ist schon seit Längerem mit 2.500 Teilnehmenden ausgebucht. Wir sind früh vor Ort und ich erhalte rasch meine Startnummer inklusive integriertem Zeitmesschip.
Wir nutzen das noch schöne Wetter und fahren mit dem Gästebus von Mittenwald herauf zum Lautersee, dank Gästekarte übrigens kostenlos. Dann bummeln wir noch ein wenig durch Mittenwald und es gibt am Eiskiosk von Haller ein Eis als Energieschub für morgen.
Samstag heißt es früh aufstehen. Um 3.45 Uhr klingelt der Wecker. Aber ein Kaffee muss sein. Beim Frühstück schaue ich immer wieder auf den Wetterbericht. Draußen ist es sehr windig, es regnet und es blitzt ordentlich. Eine Front zieht gerade über Scharnitz/Mittenwald hinweg. Um 5.15 Uhr sollen aber zumindest die Gewitter vorbei sein. Ich schnappe meinen Laufrucksack und fahre mit dem Auto nach Scharnitz.
Ein Shuttlebus bringt uns zum Start. Dort gebe ich einen Kleiderbeutel fürs Ziel in Pertisau auf. Von dort will ich für 15 € einen Shuttle zurück nach Scharnitz nehmen, falls ich nicht vorher bei Km 35 in der Eng aussteigen muss. Angesichts der für den Nachmittag prognostizierten Gewitter ein durchaus mögliches Szenario. Aber wir hoffen das Beste.
Per Lautsprecher wird am Startgelände gerade die Verschiebung des Starts um eine halbe Stunde auf nunmehr 6.30 Uhr verkündet. Ein weiser Entschluss. Es regnet noch immer und etliche Startende dürften sich noch auf Parkplatzsuche befinden. Ich mache es wie viele und stelle mich im benachbarten Feuerwehrhaus unter. Ein Dankeschön für die Feuerwehr für die unkomplizierte Unterbringung.
Im Feuerwehrhaus sucht auch Braunbär Bruno Schutz vor dem Regen. Bruno ist aber ganz friedlich und lässt sich gerne fotografieren.
Um 6.20 Uhr gehe ich in den nahen Startbereich. Noch ist kaum ein Läufer im Startkorridor. Ich ordne mich recht weit vorne ein. Ich will nicht wie 2019 ganz hinten stehen und mich durch das Feld der Marschierenden voran arbeiten müssen. Es hört auf zu regnen und ich ziehe meinen Regenponcho aus und stecke ihn in den Laufrucksack. Man weiß ja nie. Meine Ärmlinge lasse ich an. Es ist frisch, aber nicht kalt. Temperaturmäßig nicht schlecht zum Laufen.
Pünktlich um 6.29,50 Uhr wird von 10 runter gezählt und um 6.30 Uhr werden alle auf die Strecke entlassen. Die ersten Meter werden auf Straße gelaufen. Nach etwa 600 m steht die erste Steigung an. Eine Brücke führt uns über die Isar und gleich darauf geht es aufwärts. Dies löst bei mir sofort einen Gehreflex aus. Wenige Meter später hört die Straße auf und ein breiter Waldweg nimmt uns auf.
Der Weg führt zumeist aufwärts. Ich gehe die Anstiege konsequent von Beginn an. Etliche Läufer sortieren am Wegrand ihre Kleidung. Regenkleidung wird ausgezogen und eingepackt. Der Veranstalter schreibt übrigens keine Pflichtausrüstung vor. Ich habe aber Regenschutz immer im Rucksack dabei.
Die Laufstrecke durch das Karwendeltal führt zumeist entlang des Karwendelbachs. Es ist ein Teil der Via Alpina. Ein Fernwanderweg von Triest bis Monaco mit 5000 km Wanderwegen in acht Ländern mit über 300 Etappen, das nenne ich einen klangvollen Namen und eine Aufgabe.
Vor uns liegen 2.281 m Aufstiege, auch nicht ohne. Rechts des Karwendelbaches tun sich zum Teil mächtige Schutthänge auf. Viele Schuttreisen sind noch aktiv wie unschwer zu erkennen ist. Hier ist ordentlich was in Bewegung, nicht nur laufmäßig, auch schuttmäßig. An den Hängen verziehen sich Nebelschwaden nach oben. Von Sonne ist noch nichts zu sehen.
Am Schafstallboden ist nach 9 Km die erste Labestation (Verpflegung, VS) erreicht. Es gibt diverse Getränke und auch was zu knabbern. Ich greife zu. Das Frühstück ist lange her und der Magen knurrt. Hier greife ich nur Kekse, später werden es leckere Käse- und Salamibrote sein. Dazu Riegelstücke, lecker.
Kurz nach der VS kommt rechts ein imposanter Wasserfall herunter. Er ist nicht der einzige, den wir heute zu sehen bekommen. Wir passieren eine Engstelle des Karwendeltales. Links lassen wir den Turnwald liegen und laufen an der Angeralm vorbei.
Auf einmal tut sich der Blick hinauf zum noch weit entfernten Karwendelhaus (1.771m) auf. Da müssen wir hinauf. Puh, wird anstrengend. Aber wir können immer noch im Schatten laufen, es ist dank noch fehlender Sonne noch kein Hitzelauf. Hinter der Angeralm geht es in Kehren durch Wald aufwärts. Nur noch aufwärts. Es ist Schluss mit dem Wechsel Laufen-Gehen. Ich gehe nur noch. Rechts liegt ein Wildfütterungsbereich. Jetzt ist aber nix los. Gefüttert wird hier nur im Winter.
Weiter oben tun sich erste Fernblicke auf die zurückgelegte Laufstrecke auf. Dazu kommt die Sonne heraus und das macht sich sofort durch steigende Temperaturen bemerkbar. An einer Alm mit kleiner Kapelle geht es knapp unterhalb des Karwendelhauses weiter Richtung Kleiner Ahornboden. Erst noch weiter aufwärts, dann einige Km hinab. Welch ein Spaß.
Vorher heißt es noch an der VS Karwendelhaus zugreifen. Hier genehmige ich mir das erste Schnittchen. Schön finde ich, dass an den VS nicht nur die schon gelaufenen Km, sondern auch die noch zu laufenden Km angegeben werden. Das erspart einem das Rechnen.
Nach der VS sind noch wenige letzte Höhenmeter zu bewältigen. Oben wartet das Jochkreuz und ein Fahrzeug der Bergrettung auf Kundschaft. Eine Kuh stellt sich besonders fotogen zur Schau. Da muss ich rasch ein Foto machen.
Der Weg hinab vom Hochalmsattel ist gut zu laufen – und macht Spaß. Nach all der Plackerei aufwärts tut es richtig gut, wieder abwärts zu laufen. Trotz all des Regens in der Nacht ist die Strecke übrigens trocken und gut zu laufen. Samuel überholt mich beim Abwärtslaufen. Er könnte gut der jüngste Teilnehmer des Laufes sein.
Ich laufe zügig bergab, aber nicht so schnell wie früher. Mein lädiertes Knie lässt dies leider nicht mehr zu. Der Abstieg zieht sich über mehrere Km und wir verlieren einige hundert Hm.
Und dann laufen wir auf den Kleinen Ahornboden (1.399m) mit seinen Bergahornbäumen zu. Die im Weg stehenden Kühe verhalten sich kooperativ und lassen uns gelangweilt durch. Eine VS bietet Stärkung und ich schaue zurück auf die Berge des Karwendels. Hoch oben thront mit der Birkkarspitze (2.749m) der höchste Gipfel.
Über einen kleinen Bach geht es zu einer großen Schuttreise. Auf der anderen Seite nimmt uns ein schmaler Waldweg auf. Immer stetig ansteigend führt uns dieser durch den Sauisswald zur Ladizalm (1.573m). Die letzten Meter zur Ladizalm laufen wir auf breitem Wirtschaftsweg. Auf diesem geht es auch durch die Alm und dann steil aufwärts zum nächsten Ziel, der Falkenhütte. Die ist schon weit oben zu sehen.
Mit Blick auf die imposanten Wände der Laliderer Spitze steige ich bergan. In diesen 900m hohen senkrechten Wänden wurde Alpingeschichte geschrieben. Ich konzentriere mich auf den Aufstieg zur Falkenhütte. Damit habe ich genug zu tun. Wir verlassen den breiten Weg und wechseln auf eine steilere direkte Variante hinauf zur Falkenhütte.
Ich steige merklich langsamer bergauf als vorhin zum Karwendelhaus. Aufgrund meiner Knieverletzung kann ich halt nicht mehr so viel und so intensiv trainieren wie ich gerne möchte. Das rächt sich nun. Ich werde immer schlapper, schaffe es aber in der Sonne schwitzend hinauf bis zur VS an der Falkenhütte (1.848m).
Hier haben wir schon mehr als 30 km geschafft. Ich greife wieder ein Schnittchen und mache mich auf den Weg zum Hohljoch (1.794m). Das ist in der Ferne gut zu sehen, auch der schmale Pfad dorthin unter den hohen Wänden. Gottlob ist zumindest ein Teil der Strecke im Schatten.
Nach einem Stück auf breitem Wirtschaftsschotterweg wechseln wir auf den Pfad. Dieser führt durch Gestein und es ist Obacht geboten. Leicht kann man hier umknicken oder an einem Felsen anschlagen oder gar abwärts in Bewegung geraten. Das Auge sollte mitlaufen.
Ich laufe kaum noch. Beim Schlussanstieg zum Hohljoch muss ich richtig beißen. Aber ich schaffe auch diesen Anstieg. Der nun folgende lange Abstieg zur Engalm schafft jedoch mich – und zwar völlig. Auch bei dieser Passage ist große Vorsicht ob des Untergrundes und der Steilheit geboten. Ich laufe nur wenige kurze Strecken. Zu meiner Freude gibt es einige kleinere Bächlein und Rinnsale und ich kann meinen Kopf kühlen.
Der Abstieg zieht sich. Ich leide unter der Hitze, habe Motivationsprobleme und bin kaputt. Einen „normalen“ Marathon könnte ich ja noch beenden , aber die Km 52 nach Pertisau? Und das mit dem Hammeranstieg von der Engalm auf den Binssattel und dem folgenden langen Abstieg nach Pertisau? Nein. Das traue ich mir heute nicht zu.
So laufe ich nach fast 6.30 Std. durch den Bogen au der Engalm und melde mich vom Lauf ab. Das kann man ganz offiziell machen. Man erhält einen Beutel (u. a. mit einem schönen Stirnband) und eine Medaille. An der VS stärke ich mich und dann schaue ich nach den Shuttlebussen. Ein Bus fährt direkt für 17 € nach Scharnitz. Ich hole ein Ticket und warte im Schatten bis der Bus voll ist und abfährt.
Ein wunderschöner Tag geht zu Ende. Anders als geplant, aber der Entschluss zum Ausstieg an der Engalm ist richtig. Auch wenn somit die Wunde von 2019 noch offen bleibt.
Die Quälerei auf den letzten Streckenabschnitten hat mich auch noch zu einem weiteren Entschluss kommen lassen. Nach 17 Jahren ist dies mein letzter Laufbericht für marathon4you.de und trailrunning.de. Verletzungsbedingt kann ich nicht mehr so trainieren wie es nötig wäre, um meine selbstgesteckten Anforderungen an einen Laufbericht zu erfüllen.
Es war eine wirklich schöne Zeit mit interessanten Erlebnissen. Ich danke allen Lesern für die Anregungen und die tollen Begegnungen. Insbesondere danke ich Klaus Duwe für seine Geduld mit mir und seinen unermüdlichen Einsatz. Mir wird was fehlen.
Übrigens:
Wie schon 2019 wird am Sonntag die erste Regenerationsphase wieder mit dem besten Krustenbraten weit und breit abgeschlossen. Es geht in die Steirer Stubn in Krün. Es gilt hierbei unverändert zu beachten: Nicht nur Plätze reservieren, sondern unbedingt auch den Krustenbraten! Sonst kann man dort sitzen, bekommt aber keinen Braten mehr.
Fazit
Anspruchsvoller, bestens organisierter Bergultra in wunderschöner Landschaft. Sehr zur Nachahmung empfohlen. Zu Recht wirbt der Veranstalter mit dem Spruch: Die Legende lebt!
Sieger
Frauen
Alexandra Grimbs 4.58,14 Std.
Männer:
Toni Seewald 4.04,07 Std.