... und die Legende lebt! Karwendelmarsch heißt sie. Das klingt erstmal etwas irreführend, ist aber der traditionelle Name. Damit fing alles an, vor Jahrzehnten. Nach einer Unterbrechung geht‘s wieder weiter, und alle werden glücklich. Ob Marsch oder Lauf, in den Zielzeiten macht das kaum einen Unterschied. Eine Klassestrecke in Superlandschaft mit optimaler Orga. Gehört einfach ins Pflichtprogramm. Traut euch!
Früh genug sollte man sich entscheiden: ein Limit von 2500 Teilnehmern Marsch und Lauf ist wirklich genug, Gedränge passt hier gar nicht hin. Bei der Verteilung der Startnummern ist viel los, der Parkplatz voll und die Schlange lang. Nur die Nummer gibt‘s, sonst nix. Alles andere erst beim Finish. Hat sich alles beruhigt, ist Scharnitz recht nett, der Parkplatz ruhig und die Isar rauscht nur so dahin.
Bis früh um 5. Ab da fallen die Starter in Scharen ein. Hektik an der Nummernabgabe, noch schlimmer vor dem Klo, endloses Warten. Um 6, es wird gerade hell, gibt der Böllerschuss den Start frei und ein Lindwurm legt los. So richtig schön bunt. Die lange Belichtungszeit macht die Dynamik deutlich: Vorn flitzen sie um die Kurve, während ganz hinten noch die Startlinie überquert wird.
Die Straße steigt an, wird zum Schotterweg. Breit ist er. Eigentlich. Trotzdem schaffen es die vielen routinierten Viererketten, ein Überholen unmöglich zu machen. Aber den meisten von ihnen geht rasch die Luft aus, sie fallen zurück und plötzlich ist Platz da. Der Wald ist auch beiseite gerückt und man sieht, wo man läuft: im Tal des Karwendelbaches.
Ein Traum. Links und rechts die Berge, hoch, die Spitzen von der Sonne beleuchtet. Der klare Bach. Die würzige Luft. Und ein weiter Blick. Es ist fast wie eine Parklandschaft mit Wiesen und Baumgruppen. Und der Weg wird flach, zum Einlaufen toll. Und rasch kommt der erste VP nach 9,5 km. Es empfiehlt sich sehr, aufzutanken, besonders, wenn so ein nettes Team dort wirkt. Denn bald geht es hoch...
2 bis 3 sind ja normal, 5-7 schon auffällig, aber am laufenden Band bemerkenswert: Berggazellen, sonnengebräunt und wohlgeformt. Eine Freude fürs Auge und lenkt schön von der Steigung ab... Noch ein Stück flach, dann erste Serpentinen. Das Tal wird von einem Querriegel abgeschlossen, oben das Karwendelhaus. Für die Fernwanderer auf dem E4 eine begehrte Station. Wie ein Schwalbennest an der Felswand wirkt es von unten. Der VP davor: alles Spitze, lecker und reichlich. Weiterlaufen nicht vergessen!
Auf einfachem, aber steinigem Weg abwärts zum kleinen Ahornboden. Ein richtig schöner Platz. Alte Bäume, eine fantastische Aussicht ringsumher, wieder ein toller VP mit Sanitätern. Heute haben sie zu tun, denn so mancher kommt blutend an, ist abwärts hingebrezelt. Tja, die Steine, die verflixten... Egal, Pflaster drauf und ab.
Ein Anstieg folgt. Im Schatten, unter duftenden Bäumen, mit Aussicht nach rückwärts, und teilweise richtig steil. Fies steil. Auch die e-biker steigen ab, das will was heißen. Hoch zur Falkenhütte, dem eigentlich höchsten Punkt der Strecke. Hier sind etwa 30 km geschafft und man selbst auch.
Intensive Pause. Erkunden, was es so an Köstlichkeiten so gibt. Mein Tip: Blaubeersuppe und Früchtebrot, mit Holundersaft runterspülen. Dann Kartoffelsuppe und Schnittchen. Probiert auch mal den Kräutertee!
Inzwischen steht die Sonne hoch, sind ja auch schon 5 Stunden vergangen. Hier über der Baumgrenze gibt‘s keinen Schatten mehr. Im gleißend-weißen Licht sollte man genau hingucken, wo die tückischen Steine liegen. Die mit den Verbänden um die Knie und Ellbogen wissen, was ich meine. Eine kleine Senke ist rasch durchquert und auf der anderen Seite ein Sattel erklommen. Hier Blick zurück! Das Panorama ist fantastisch! Technisch alles kein Problem, abwärts zur Eng aber wird‘s eng. Der Weg ist schmal und so manch ein Wanderer staunt über den regen Verkehr. Der Abstieg macht etwa 600 hm aus, am Stück. Das beißt in die Schenkel...
Die Eng - ein Tal, von Deutschland aus zu erreichen. Mit Parkplatz, ein beliebtes Ziel für die Tagesgäste, schließlich kommt man hier ohne große Anstrengung zu einem tollen Blick. Viele hören hier auf. Weil es so geplant war oder es nicht mehr geht. 35 km. Eine beachtliche Leistung. Für den Abtransport ist vorgesorgt.
Wer noch kann und will, darf zur Binsalm hoch. 30 min steht auf einem Schild. Die brauchen wir auch, denn es ist verflixt steil. Oh, Mann. Aber im Schatten unter Bäumen. Das geht. Ab und zu plätschert kaltes Wasser am Weg, eine willkommenen Kühlung. Und wenn man glaubt, es geht nicht mehr, kommt der nächste VP daher. Bio vom Berg ist ja das Motto. Joghurt aus Sterzing, in drei Geschmäckern. Und alles andere sowieso. Wenn man im Ziel schwerer ankommt als man loslief, das ist Legende!
Bis zum Ziel kommt aber noch ein Schmankerl, genannt Gramai Hochleger. Kaum hat man die Almhütte verlassen, sieht man die Bescherung: etwa 250 hm, in schönen Serpentinen bis zur Baumgrenze. Die bunten Wanderläufer stapfen in einer Polonaise hoch. Schweigend und schnaufend. Wer umfällt, bleibt zurück. Keine Gnade. Die Rettung hat oben einen Außenposten bemannt. Ich bemerke das erst, als ich eine Stimme höre: „Noch 10 Meter". Ob Höhe oder Strecke rätsele ich noch, da geht‘s schon wieder bergab. Und diesmal endgültig.
500 m runter, vorerst. Auf wildem, kurvigem Weg, steil und rutschig. Loses Geröll liegt rum, vorsichtig! Aber schön. An der Hütte wartet der Bademeister. Aus Datenschutzgründen habe ich den Kopf nicht fotografiert. Voller Behagen gießt er allen einen Bottich Eiswasser über den Schädel. Wer flüchtet, wird mit dem Schlauch verfolgt. Bis zur Hütte, da lauern die Masseure. Eine Stärkung gibt‘s aber auch, keine Sorge. Nass und zufrieden kann man nun die letzen hm vernichten.
Fast unten, dann ein Schild: Noch 9 km. Wir sind aus dem Gröbsten raus. Weit öffnet sich das Falzturntal vor uns, umwerfend: die Berge, die Schutthänge, der Wald. Ein Weg wie ein Bachbett voller Geröll führt uns 5 km abwärts, nicht ganz einfach. Erst wieder Schotter, dann Asphalt.
Ein VP kommt noch, die sind bester Laune und haben noch alles. Tip hier: Abkühlen! Denn ab hier kocht es. Die Luft steht. Kein Windhauch im Wald, Sonne satt. Der Asphalt glüht von unten. Und es ist flach, abwärts merkt man kaum. Da bricht so mancher ein.
Immerhin, nur 3 km dauert die Quälerei. Der letzte km ins Ziel liegt schon in Pertisau, es geht gut abwärts, für einen Schlussspurt genau das Richtige. Aber Vorsicht- die Straße hat Verkehr und so manch ein Fahrer will nicht weichen. Schlecht rangieren können die auch gut. Medaille, Finisher-Präsent (Hauttonikum, Fußbalsam und ein Stirnband), dann die Duschen suchen. Reichlich Gewühl überall. Die Siegerin tauchte mit riesigem Kranz um den Hals kurz auf. Die Busse für die Rückfahrt füllen sich langsam, die Fahrt zurück nach Scharnitz dauert etwa 1,5 Stunden. Genug Zeit, um die herrlichen Eindrücke nochmal Revue passieren zu lassen.
Fazit
Unbedingt machen! Wer mal ins Ultramilieu reinschnuppern will, wäre hier genau richtig. Ein echter Berglauf, alpin mit allem, was dazugehört. In fantastischer Landschaft. Aber auch anspruchsvoll. Kondition sollte schon sein. Lasst die Legende leben...