Dieses Jahr konnte der Karwendelmarsch sein 10. jähriges Jubiläum feiern. Immer am Samstag des letzten August-Wochenendes treffen sich die Teilnehmer um 6 Uhr am Startpunkt in Scharnitz, um wahlweise 35 km (nur für Wanderer) oder 52 km (für Läufer und Wanderer) zurückzulegen. Bei 35 km ist bei der Eng Alm Finish, bei 52 km geht es bis nach Pertisau am Achensee, was auch das eigentliche Hauptziel ist.
Neben der sportlichen Herausforderung stehen dabei der Schutzcharakter des Karwendel-Gebietes sowie die Gesundheit von Mensch und Natur im Vordergrund. An den Labstationen werden den Teilnehmern reine Bio-Produkte zur Stärkung gereicht und nach getaner Arbeit erhalten die fleißigen Teilnehmer wohltuende Tiroler Steinöl-Produkte zur Regenerierung der müden Füße.
Zum Jubiläum war der Marsch bereits im Frühjahr ausgebucht, die Teilnehmerzahl ist auf 2.500 begrenzt. Es gibt aber eine Startplatzbörse, über die verletzte oder verhinderte Teilnehmer ihren Startplatz anderen Interessenten anbieten können. Mit einer Umschreibegebühr von 10 Euro hat man so die Chance, doch noch an einen Startplatz zu kommen.
Der Karwendelmarsch ist eine echte Legende. Es gibt ihn bereits seit 1969, damals noch vom Tiroler Skiverband organisiert. Nur zur Erinnerung: Der Swissalpine, über Jahre hinweg der Bergultra schlechthin, feierte 17 Jahre später Premiere. Dann verschwand der Karwendelmarsch und wurde 10 Jahre später von Markus Tschoner, Tourismusdirektor der Olympiaregion Seefeld, wiederentdeckt und zusammen mit seinem Bruder Martin, Tourismusdirektor vom Achensee, 2009 neu aufgelegt.
Die wichtigsten Details der Strecke sind, dass der Marsch insgesamt 2.281 positive Höhenmeter aufweist (bis zur Eng ca. 1.800 Hm) und dass der höchste Punkt bei 1.903 Hm am Binssattel/Gramaisattel erreicht wird. Unterwegs gibt es 9 Labestationen, die ein perfektes Angebot zur Stärkung der Teilnehmer bereithalten.
Meine Teilnahme war sehr kurzfristig. Wirklich fit bin ich aber wegen meiner „Dauerbaustelle Knie“ in keinster Weise. Trotzdem fand ich über die Startplatzbörse kurz vor Terminschluss noch einen Startplatz in der Kategorie Marsch, konnte auch noch sehr günstig ein Zimmer ergattern und den offiziellen Rücktransport nach Scharnitz mittels Bustransfer organisieren. Damit war klar, ich muss in Pertisau ankommen, auch weil der Gepäcktransport nur dorthin angeboten wird.
Eine Zeitvorstellung hatte ich aber schon, weil ich die Strecke schon kannte, von meinem letztjährigen Einsatz als reiner Wanderer. Ich wollte unbedingt schneller sein als die letzten Läufer und nicht derjenige mit der roten Laterne. Sollten alle Stricke reißen, dann komme ich eben als Wanderer im Ziel an. Dabei ist aber der Cut in der Eng nach 8:30 Stunden zu berücksichtigen, der ist aber auch als reiner Wanderer machbar. Man sollte aber nicht bummeln. Auch in der Wanderklasse laufen nicht wenige, die Zeit wird dort ebenfalls mittels Chip erfasst. Und es gibt eine Rangliste wie bei den Läufern, nur keine Altersklassenwertung. Im Prinzip also egal, wenn einen nur die Nettozeit interessiert. Stöcke dürfen Wanderer und Läufer benutzen.
So fuhr ich also am Freitagabend schon hin, verpasste aber um 10 min die Abholung der Startunterlagen, was bis 19.00 Uhr möglich war. So blieb mir nichts anderes übrig, als am Samstag sicherheitshalber noch eine halbe Stunde früher aufzustehen, um sie dann rechtzeitig zu bekommen.
Die Nacht war sehr unruhig, irgendwie fand ich keinen rechten Schlaf, es war aber nicht die Aufregung. Glücklicherweise hatte ich den Wecker schon auf 4.00 Uhr gestellt, länger liegenbleiben hätte nichts gebracht.
Es gibt neben der Startnummer das berühmte Heft für die Stempelzeichen, die bei vollständigem Ausfüllen eine schöne Erinnerung sind und am Ziel einen berechtigen, sein Finishergeschenk in Empfang zu nehmen.
Wettertechnisch war von Freitagabend bis kurz vor dem Start Regen angesagt, danach trocken und erst am Nachmittag wieder einsetzender Regen gemeldet. Ich kann jetzt schon sagen, genauso war es. Ziemlich frisch, wenig bis gar keine Sicht und der Regen kam auch (tja, das betraf nur die Teilnehmer, die länger als ca. 8 Stunden unterwegs waren.
Ich war mir aber ziemlich sicher, dass es bei den Rekordtemperaturen der Vorwochen deutlich mehr DNF´s gegeben hätte, auch wenn es heuer nicht gerade wenige waren. Es hat wohl doch einige im Dauerregen zerbröselt. In meinem Zustand waren mir die kühlen Temperaturen auf jeden Fall deutlich lieber, die Berge hatte ich letztes Jahr bei Traumwetter ja gesehen.
Nach dem Start um 6.00 Uhr ging es mehr oder wenig von 964 Hm Starthöhe nur leicht ansteigend in die Karwendeltäler auf einem schottrigen Weg zur ersten Labestation Schafstallboden nach ca. 9,5 km. Ich lief einfach mal los, für den Anfang sollte die Restkondition hoffentlich reichen. So kam ich dort eigentlich noch ziemlich gut an und war schon darüber froh. Die nächste Station war das Karwendelhaus bei ca. 18 km, irgendwo bei km 15 habe ich dann mit dem Laufen erstmal aufgehört, ich musste mir ja alles gut einteilen und der Anstieg auf knapp 1.800 Hm war lauftechnisch nicht zu realisieren, obwohl der Weg bis dahin einfach war. Allerdings blies kurz vor dem Erreichen der Station ein gnadenlos kalter Wind, der mich erstmal dazu bewog, eine zweite Schicht anzulegen.
Das Verpflegungsangebot am Karwendelhaus war bestens, wie auch an alle anderen Stationen. Vor allem war der warme Tee gefragt. Die nächsten 6 km ging es wieder runter zum kleinen Ahornboden. Downhill ist zwar Gift für mein Knie, aber mit etwas angezogener Handbremse habe ich es einfach ein wenig laufen lassen, ich bereue das ja immer erst nach dem Lauf. Der kleine Ahornboden ist landschaftlich sehr beeindruckend, das ist meine Lieblingsstelle. Leider konnte man im Gegensatz zum letzten Jahr nur wenig sehen, somit fiel auch das Beobachten der Gemsen aus, die man dort mittels Fernrohr in den steilen Berghängen beobachten kann. So blieb es bei einem kurzen Stopp, um dann bei km 30 auf die derzeit geschlossene Falkenhütte aufzusteigen, die auf 1.848 Hm liegt.
Die denkmalgeschützte Hütte wird gerade generalsaniert und wird erst Anfang 2020 wieder ihre Pforten öffnen. Dazu wird eine Stromleitung (Ökostrom) aus der Eng über 6 km zur Hütte verlegt und auf die Stromerzeugung per Dieselaggregat kann zukünftig verzichtet werden. Dazu wird die Heizung auf Bio-Flüssiggas umgestellt und das Nebenhaus muss brandschutzrechtlich abgerissen und neu aufgebaut werden. Das Haupthaus wird komplett umgebaut. Viel Arbeit somit in der Naturregion Karwendel.
Nach einem Abzweig kann man sehen, wie sich die Läufer- und Wanderschar den Berg hinaufzieht. Für mich war es ziemlich zäh und ich musste kurze Stopps einlegen. Oben angekommen, war es lausig kalt, ich habe Tee, warme Suppe sowie Käse- und Wurstbrote in mich reingestopft - Hauptsache Energie. Anschließend geht es wieder 5 km mit einem kurzen Zwischenanstieg per Downhill runter in die Eng (großer Ahornboden), welche für Wanderer nach 35 km eine Ausstiegsoption an der Verpflegungsstation sein kann.
In der Eng ist immer sehr viel los, da es eine Mautstraße von Hinterriss hierher gibt und es gleichzeitig ein Zwischenziel ist. Nur wer dort bis um 14.30 Uhr (nach 8,5 Stunden) ankommt, darf die restliche Strecke in Angriff nehmen. Ich war nach ca. 6,5 Stunden dort, hatte also 2 Stunden bis zum Curt. Das stimmte mich sehr optimistisch, wusste ich doch, dass jetzt mein Lieblingswegstück (oder eher mein letztjähriger Alptraum) zum höchsten Punkt der Strecke bevorstand. Schnell noch zwei Becher köstlichen Heidelbeerschleim zur Motivation reingeschüttet und dann „aufi“.
Schon das erste Zwischenziel mit Verpflegungsstation Binsalm auf 1.502 HM ist stetig ansteigend, das ist mit meinem Fitnesszustand lauftechnisch nicht zu bewältigen. Zusätzlich setzte dort dann der Regen ein. Es blieb nur die Regenjacke, da es doch ziemlich heftig war. Nach der Binsalm wusste ich alles noch vom letzten Jahr, man sieht die Strecke und beim Gehen durch die Latschen habe ich wieder vor mich hin geflucht, da es gefühlt kein Ende nahm. Man sieht das Zelt der Bergwacht erst kurz vor dem Sattel auf 1.903 Hm und weiß dann, jetzt ist es geschafft. Über 12 km geht es von nun an nur noch nach unten ins Ziel. Unter normalen Bedingungen sicher easy, aber nicht bei den Regenbächen, die bis zum Gramai Hochleger den Berg hinab flossen. Es war die reinste Schlammwüste, man musste höllisch aufpassen. Meine Schlappen waren aber richtig geil, hatten super Grip, im Gegensatz zu dem Schuhwerk vieler anderer Läufer. Die Schuhe krallten sich in den Schlamm und alles blieb heil.
Bis ins Ziel nach Pertisau gab es noch zwei Labstationen, die Gramaialm bei ca. 44 km, bis dahin ist es auch noch tlw. steil, rutschig und schlammig gewesen, aber bei ca. 42 km habe ich mit dem Laufen eingesetzt und das bis zum Ziel auf den letzten 10 km durchgehalten. Die letzte Station, die Falzturn Alm bei km 48 ist nur noch wegen des Stempels wichtig.
Auf Fotos hatte ich wegen Nässe, Kälte und Sicht schon seit der Binsalm verzichtet, ich wollte es nur noch laufen lassen. So konnte ich noch viele Teilnehmer überholen. Woher die Energie kam? Keine Ahnung, ich war einfach im Flow. Der Regen war mir schnuppe und so lief ich glücklich ins Ziel und hörte den Ansager meinen Namen aufrufen. Auf die Medaille bin ich richtig stolz, die habe ich mir verdient, auch mit der Zeit bin ich happy. Wer weiß, wie oft ich so was mit meinem kaputten Knie überhaupt noch machen kann.