Vor 500 Jahren muss es vor dem Frankenhausener Schloss wüst zugegangen sein. Es war die Zeit des Bauernkrieges. Die Mehrheit der Frankenhäuser Bevölkerung hielt zu den Aufständischen und so wurde das Schloss mit seiner Residenz- und Verwaltungsfunktion schwer beschädigt. So ist zu lesen, zu sehen ist heute davon nichts mehr. Aber 2025, das 500. Jahr nach der Niederlage des Bauernheeres um Thomas Müntzer vor den Toren Frankenhausens, wurde in der Region zum Denkjahr ausgerufen.
Seit Jahrzehnten gehört der Schlossplatz für ein Wochenende im April dem Kyffhäuser Berglaufverein und seinen Sportsfreunden. Der Schlossplatz ist fein herausgeputzt mit seinen hölzernen Hütten, der Tribüne, dem Zelt und den zahlreichen Imbissbuden. Passend zum hell in der Morgensonne schimmernden Grün des Schlossplatzrasens huschen die Organisatoren und Helfer in ihren hellgrünen Poloshirts und Jacken zwischen dem Zelt und den Buden hin und her. Rege Betriebsamkeit. Und die Vorfreude signalisierenden Adrenalinschübe haben die Helfer und die eintrudelnden Teilnehmer gleichermaßen.
Die Teilnehmer spüren die herzliche Hingabe der rund 200 ehrenamtlichen Helfer und Organisatoren und kommen in Vielzahl auch deshalb jedes Jahr gerne wieder. Die Veranstaltung mit ihren gesamt 2 500 Teilnehmern ist zwar rege, aber noch beschaulich. Ein vielmehr an Teilnehmern ist gar nicht gewünscht. „Bis 3 000 Teilnehmern würden wir für die Veranstaltung zulassen“, verrät Andreas Kirchner, der 1. Vorsitzende des Kyffhäuser Berglaufvereins. Organisatorische Veränderungen gibt es jedes Jahr ein paar kleinere, nachdem vor ein paar Jahren die Laufstrecken verändert wurden. So konnten sich in diesem Jahr die Kinder unter 16 Jahre nur bis sechs Tage vor der Veranstaltung für den 2 km Lauf kostenlos anmelden. Erstmals wird in diesem Jahr die Nachmeldung im Zelt digital vorgenommen.
Beschaulich bleibt es auch deshalb, weil die Veranstaltung mit 12 Rennen über die Disziplinen Laufen, Wandern und Mountainbike gut durchgetaktet ist. Klar wird es auf dem Schlossplatz und auf den Strecken auch mal eng und voll. Im Großen und Ganzen bleibt es aber erträglich, ja überwiegend halt beschaulich. Gelaufen kann über die Strecken von 2 km, 6 km, 13,5 km, 22 km und 42,2 km. Für die Kindergartenkinder gibt es einen Bambinilauf.
Den ersten Start haben natürlich die laufenden Marathonis. Sie brauchen für ihre 42,2 km mit den 700 Höhenmetern am längsten und starten um 8:30 Uhr in der Früh. Vorweg fahren ein Streifenwagen mit Blaulicht und ein Motocrossrad, denn bald geht es ins Gelände und da steigt der Streifenwagen aus. In der Stadt sperren die Feuerwehren sämtliche Zufahrtswege akribisch ab. Gleich auf dem ersten Kilometer, die Bornstraße hinauf, das erste Stimmungsnest vor einer Pension. Das sind die Cottbusser, die sich jedes Jahr hier einmieten, um zu laufen und zu feiern. Mit 70 Teilnehmern aus drei Vereinen, stellen die Cottbusser das größte Städte-Kontingent beim Kyffhäuser Berglauf.
Der Verfasser dieser Zeilen begibt sich zurück zum Schlossplatz, denn er hat nicht die Form für den Ganzen. So soll es heute der Halbmarathon mit seinen 450 Höhenmeter sein, welcher eine gute Stunde nach dem Marathon startet. Den Startschuss dafür gibt Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt höchstpersönlich ab. Auf den ersten und auf den letzten Kilometern verlaufen Marathon und Halbmarathon auf identischer Strecke. Der Halbe läuft zwar nicht zum Superlativ Kyffhäuser Denkmal hinauf, frequentiert aber eine Reihe anderer denkwürdiger Stätten, die für den Trailläufer zusätzliche Reize zu der auch so schon landschaftlich reizvollen und anspruchsvollen Strecke ausmachen. Gleich zu Beginn wartet der schiefe Turm der Oberkirche, das Wahrzeichen von Bad Frankenhausen, mit einem markanten Anblick auf.
Vor der Oberkirche rechts ab in die Frauenstraße weiter hinauf, rechts am Friedhof und links am Hohlweg Blutrinne vorbei. Diesen Hohlweg soll vor 500 Jahren, vom Weißen Berg aus, das Blut der aufständischen Bauern hinabgeflossen sein. Wie konnte es nur soweit kommen?
Der Bauernkrieg war auch die Zeit von Thomas Müntzer und Martin Luther. Beide waren sie Kirchenleute, beide wollten sie die Welt verändern und beide freundeten sie sich an. Doch im Jahr 1525 bekam die Freundschaft einen Knick.
„Martin, unserer Freundschaft wegen, sag dich nicht von uns los!“ Der Bauernführer Thomas Müntzer trat in seiner ärmlich Priesterkutte mit den beschmutzten Stiefeln fest und fordernd vor den in feiner Augustinerrobe gekleideten Reformator Martin Luther.
„Du gehst zu weit, Thomas.“ Luther verschränkte, nach Worten suchend, die Hände vor der Brust. „Nicht radikale Gewalt, sondern Besonnenheit und fester Glaube bringen uns unserem Ziel nahe.“
„Ist unser Ziel noch das Selbige, Martin?“
„Glaube fest an Gott, so werden dir deine Sünden vergeben und du wirst nach deinem Tod in Gottes Himmelreich aufgenommen!“
„Der Glaube allein reicht doch nicht. Es zählt doch auch die Tat. Der heilige Geist ist in uns und führt uns zur rechten Tat.“
„Auch wenn die Tat neue Sünde ist, Thomas?“
„Wo ist dein rechter Glaube hin, Martin? Wir wollten doch gemeinsam die sündigen Pfaffen und die adlige Obrigkeit abstrafen, ja wollten sie absetzen. Die Pfeffersäcke werden doch nicht des festen Glaubens willens Besitz und Reichtum mit den armen Leuten teilen. Sie werden uns weiter knechten. Kämpfe mit uns, Martin, um unser aller Fryheit in Gottesnamen!“
Umsonst. Luther sagte sich von Müntzer los, was dazu beigetragen haben mag, dass der Bauernaufstand niedergeschlagen wurde.
Wir laufen auf Schotter- und Wiesenwegen weiter mit wachsendem Steigungspotential hinauf. Nach drei Kilometern sind wir auf über 250 Höhenmetern angelangt und genießen es auf einem Wiesenweg am Flugplatz nach Udersleben hinab zu laufen. Bei Kilometer sechs unten im Dorf am Osthang des Kyffhäuser Gebirges angelangt gibt es die erste Getränkestelle. Nette Bewirtung und kleine Stimmungsnester durch die Einwohner am Streckenrand motivieren uns weiter.
Aber jetzt geht es richtig los. Auf steinigem Trail führt es steil hoch ins Kyffhäuser Gebirge. Malerische Obstbäume gleiten mit ihren gerade aufsprießenden Knospen den schweren Weg. Auf den nächsten vier Kilometern haben wir 250 positive Höhenmeter erklommen und sind über 400 Meter hoch. Da ist die Verpflegungsstelle an der Wegekreuzung Seebersbrunnen hoch willkommen. Drei Kilometer weiter biegen wir am Gietenkopf rechts ab und blicken über das „Langes Tal“ hinüber zum Kyffhäuser Denkmal. Die meisten Trail Läufer stoppen hier für ein Selfie.
Auf dem überwiegend befestigten Rennweg läuft es sich in leichten Wellen gut weiter bis zur Verpflegungsstelle der Bundewehr am Ententeich. Hier treffen Halbmarathon- und Marathonstrecke zusammen. Das heißt, die etwas schnelleren Marathonis überholen die langsameren Halbmarathonis. Die Verpflegung mit Tee, Cola und Obst ist jetzt nochmal angebracht, denn gleich folgt eine noch aus dem alten Marathon-Strecksortiment bekannte kurze aber knackige Trail Passage zum Wegepunkt Dreiforststein hoch. Ist die Passage geschafft muss man erstmal durch-, bevor man aufatmen kann. Die letzten sieben Kilometer läuft es fast nur noch bergab. Auf geschotterten „Schwarzem Weg“ durch das „Kalte Tal“ bis zum „Tilledaler Steg“ durch den Gebirgswald. Am Tilladaler Tor die letzte Verpflegung. Wer möchte kann sich vier Kilometer vor dem Ziel ein Bierchen gönnen.
Wir verlassen den Wald und laufen auf einem Feldweg durch eine Obstplantage. Noch stehen die meisten Bäume nicht in der Blüte. Rechter Hand fällt das Panoramamuseum in des Läufers Blick und wir sind wieder bei Thomas Müntzer. Ein riesiges Rundgemälde über den Bauernkrieg, von dem Maler Werner Tübke in den 80’er Jahren des letzten Jahrhunderts erschaffen, ziert die Innenwände des runden Gebäudes. Die als erste deutsche Revolution in die Geschichte eigegangenen Ereignisse des deutschen Bauernkrieges, prägten und prägen die Region Bad Frankenhausen. Vor allem das kämpferische Streben nach Freiheit lassen Thomas Müntzer und das Bauernheer noch heute in einem denkwürdigen Licht erstrahlen. Und das obwohl Müntzer als radikal und kompromisslos galt. Das kampfunerfahrene Bauernheer hatte gegen die Söldnerarmee des Adels keine Chance.
Wir laufen den steilen Schlachtberg hinunter, wir müssen zum einen auf die jetzt hier pilgernden Wanderer und auf den brüchigen Steinweg achten. Und doch verweilen wir ein paar Augenblick in Gedanken 500 Jahre zurück. Hier wurden von 8 000 aufständischen Bauern 5 000 erschlagen. Schlachtberg, Blutrinne und dann im Ort der Thomas Münzer Weg, den wir hinablaufen. Die Namen sind Erinnerung, waren und sind denkwürdig bis in unsere Tage. Was war und was bedeuten Freiheit damals und heute? Was und wofür lohnt es sich wie zu kämpfen? Was haben und was wollen wir? Was wollen wir bewahren?
Viele Fragen können aufkommen, wenn man sich mit Thomas Münzer und dem Bauernkrieg beschäftigt. Wie auch immer, der Weg aus der Geschichte führt in die Gegenwart, die auch wieder Geschichte sein wird. Im Großen wie im Kleinen. Und da schreibt auch der Kyffhäuser Berglauf eine Geschichte. Dass wir heute über das Kyffhäuser Gebirge laufen, würde Müntzer sicher als freiheitliche Errungenschaft ansehen.
Und so laufen wir am Solewasser-Vitalpark vorbei, kommen in den Kurpark und lassen den Anger-Platz rechts liegen. An dessen alter Grundmauer prangt heute ein Schild in altdeutscher Schrift: „Der große Denker, Prediger und Revolutionär Thomas Müntzer fiel am 15. Mai 1525 nach der Schlacht bei Frankenhausen im Hause am Anger Tor in die Hände der Fürsten.“ Müntzer wurde tagelang gefoltert und am 27. Mai 1525 enthauptet. Sein Haupt wurde auf einer Stange aufgespießt.
Wir laufen auf den letzten paar hundert Meter an der Kyffhäuser Therme vorbei und unter Applaus und Moderation unter dem Zielbogen auf dem Schlossplatz ein. Wir erhalten die Finisher-Medaille, gratulieren uns gegenseitig, laben uns am Finisher-Buffet, fühlen uns glücklich und frei.
Später genießen wir Erbsensuppe, Fischbrötchen oder Waffeln. Nicht zu vergessen die Thüringer Bratwurst vom Grill. Der Kyffhäuser Berglaufverein hat wieder eine Klasse Veranstaltung geliefert. Am Abend im Festzelt wird im öffentlichen Rahmen gefeiert. Da zündet sich denn Nichtraucher Andreas Kirchner eine Zigarre an. Das ist die persönliche Zeremonie des Chefs, die er zelebriert, wenn beim Kyffhäuser Berglauf alles geklappt hat. Bei den Musikeinlagen darf das Rennsteiglied nicht fehlen. Da laufen denn viele Mitglieder des Kyffhäuser Berglauf Vereins traditionell mit, denn heute waren sie aus organisatorischen Gründen am Mitlaufen verhindert.
Und auch die denkwürdigen Feierlichkeiten zum 500. Jubiläum der Bauernschlacht gestaltet der Kyffhäuser Berglaufverein in diesem Denkjahr mit. So ziehen sie am 11. Mai kostümiert und mit historischem Wagen beim „500 Jahre Müntzer-Zug nach Frankenhäusen“ mit. Im September soll die Bauernschlacht mit 1 000 Komparsen nachgestellt werden. Als nächstes aber gibt es in Bad Frankenhausen nochmal einen Lauf. Am 3. Mai 2025 wird es einen Hindernislauf geben, den Teag-Legend of Cross. Sein Motto: Lauf um deine Fryheit!
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