Weitere 200 Höhenmeter durch das Steinige Bühel sind zu bezwingen, bevor wir zwischen dem Wannenkopf (1941 Meter) zu unserer Rechten und dem Warther Horn (2256 Meter) links ein wenig Luft holen können. Dann wartet ein kurzer Stich nach oben, bevor wir dann gefällig die Bergstation der Steffisalpbahn (1884 Meter) erreichen. Zwei Wanderer höre ich noch lange lachen, als sie meine Blumen auf meinem früher lockigem Haar entdecken. Wir haben neun Kilometer hinter uns gebracht, an der dritten der sechs Tankstellen wird eifrig zugegriffen.
Einige Liftanlagen sind hier zu sehen, die zum Skizirkus Warth gehören. Genau im Norden sind unter uns Hochkrumbach und der Hochtannberg zu sehen. Dahinter dominiert jedoch der 2533 Meter hohe Widderstein. Jenseits des markanten Berges geht es ins Kleinwalsertal und in Verlängerung nach Oberstdorf hinab. An der Krumbacher Alpe (1936 Meter) schaut die Frau Wirtin aus dem Fenster.
Auf die jetzt im Süden gelegene Karhorngruppe (Warther Horn 2256 Meter, Karhorn 2416 Meter und Auenfelder Horn 2292 Meter) führt ein markierter Steig, auf den jedoch Klettereinlagen warten. Die Karhorngruppe ist ein Teil des Lechquellengebirges. Der Name ist vielleicht dem einen oder anderen kein Begriff, doch bezeichnet er richtigerweise die Gegend: Hier entspringt der junge Lech. Ähnlich wie bei der Donau die Brigach und Breg den Strom zu Weg bringen, bilden der Formarinbach und der Spullerbach den Lech, der in Lechsend gar nicht weit weg von meiner Heimat in die Donau mündet.
Übrigens, wer etwas Zeit hat, kann den Lechweg begehen. 120 Kilometer von der Quelle beim Formarinsee bis hin zum Lechfall bei Füssen sind zu erwandern. Höhepunkt ist neben dem Quellgebiet die Hängebrücke über die Höhenbachtalschlucht bei Holzgau. Begehbar ist die als Leading Quality Trail klassifizierte Strecke ab Mai, die ersten beiden Etappen ab der Quelle ab Mitte Juni.
Beim Saloberkopf erreichen wir mit knapp über 2000 Meter den höchsten Punkt des Rundkurses. Über 200 Höhenmeter verlieren wir bis Kilometer 12, hier wechselt laufend der Untergrund. Nicht nur Wanderwege, sondern Graswege und Trailpassagen erfordern Konzentration und einen sicheren Schritt. Einige Läufer springen hinab wie die Gämsen, einigen anderen geht der Stift. Ich bewege mich ungefähr dazwischen.
An der Unteren Auenfeldalpe wartet nicht nur die übliche Streckenverpflegung, sondern eine Werbetafel preist Bauernhofeis, Sachertorte und Zwetschkenstreusel an. Mein Interesse gilt jedoch dem kühlen Getränk im Wassertrog. Durch einen Trick beim Helfer kann ich mir einen Becher Bier schnorren. Joe hätte wahrscheinlich gleich in den Kasten gegriffen oder sich einen Maßkrug bringen lassen. Auf einem Motivationsschild heißt es dann dreisprachig „Agasa, Auf geht’s und Let's Go“. Die Beine, ein wenig alk-trunken, entwickeln nach Minuten eine höhere Drehzahl. Kein Wunder, die Tendenz wird gefällig. Den ersten Radfahrer kann ich überholen, mit seinem Schaltfehler ist es ein Kinderspiel. Kurz zuvor stößt der Fitnesstrail auf den unsrigen.
Auf den nächsten Kilometern warten noch einige Gegenanstiege wie der zur Gaisbüelalpe und aus dem Einschnitt des Kitzbaches heraus. Mit Uwe Dittrich komme ich ins Reden. Der Clubfan aus Nemberch (für Nichtversteher: Nürnberg) fürchtet schon die neue Saison. Denn als Clubberer musst du leidensfähig sein. Aber als Langstreckler und Marathoni hat man beste Voraussetzungen. Denn da geht auch nicht alles auf Anhieb.
Bei der letzten Tankstelle sehe ich zwei Buben, die sich nicht trauen, einen Getränkebecher vom Tisch zu nehmen. Einer greift dann doch beherzt zu, als ich den beiden ein Rest-Noagerl schenke. Die Zuschauer lachen und ich mache mich auf das letzte Wegstück.
Wir durchlaufen Oberlech, mitunter führt der Rückweg steil hinab. 300 Höhenmeter geht es auf die letzten drei Kilometer hinunter. Und das letzte Stück hinunter nach Lech ist der Endspurt der Teilnehmer des „Weißen Rings“. Was das ist? Nun, eine Skirunde rund um Lech, die mit der Rüfikopfbahn beginnt. Die Runde erstreckt sich über mehrere Lifte und Abfahrten und umfasst insgesamt 22 Kilometer mit 5500 Höhenmeter. Wer dazu Lust hat, sollte sich sputen, denn die 1000 Plätze sind meist ausgebucht. Partick Ortlieb hält den Streckenrekord mit knapp 45 Minuten. Ist für den Alpinsportler eine geile Sache. Den Gesamtsieg kann dann der Vorsprung eines Sesselliftes ausmachen, so knapp wird das entschieden. Infos unter www.derweissering.at.
Ab der Rud-Alpe geht es quasi im Zielsprung nach unten, so steil geht es hinab. Unten drehe ich mich um, und sehe einige Läufer auf dem ansonsten geraden Weg in Serpentinen laufen. Das letzte Stück führt dann durch das Ortsgebiet am Lech entlang. Wir überqueren die Hauptstraße und nach wenigen Augenblicken renne ich unter dem Zielbogen hindurch.
Nach der kurzen Trinkpause sammele ich noch einige Bilder im Zielbereich. Kurzweilig wird die Zeit mittels Moderation und Livemusik bis zur Siegerehrung überbrückt. Mit 280 Teilnehmern wurde erneut ein Teilnehmerrekord aufgestellt. Und diese positive Entwicklung wird weitergehen, so meine Prophezeiung. „Heute hat alles gepasst, wie der Tupfen auf dem i,“ so Veranstaltungsleiter Michael Junginger. Ich bin auch hochzufrieden mit meinen 2.32.49 als Neunter in der Herren-Plus-Klasse. Diese Altersklasse beinhaltet die alten Säcke, die keine Ruhe geben können, hahaha.
Eigentlich müsste ich noch einen Tag in Lech dranhängen. Aber.: In Sonthofen wartet der zweite Teil meines Berglaufwochenendes. Deshalb ein paar zusätzliche Bilder aus Lech. Wer nächstes Jahr den Höhenhalbmarathon plant, kann gleich noch ein Laufcamp in den Tagen zuvor besuchen. Vielleicht wieder mit Sabine Reiner, die nicht nur heute die Frauenwertung für sich entschieden hat, sondern bereits viele internationale Erfolge feiern konnte. Unter anderem wurde sie letztes Jahr beim Jungfrau-Marathon Zweite und darf sich Vize-Weltmeisterin im Berglauf (Langdistanz) nennen.
Ergebnisse Höhenhalbmarathon:
Frauen:
1. Sabine Reiner AUT 1.46.58
2. Andrea Feuerstein-Rauch AUT 2.00.10
3. Susanne Gölz GER 2.06.58
Männer:
1. Bruno Heuberger SUI 1.35.46
2. Marco Sturm GER 1.40.32
3. Stefan Keckeis AUT 1.43.57