Triesenberg (1234) km 17 ist ein Einwanderereort der Deutschschweizer aus dem Wallis. Walliserdeutsch besitzt nicht nur eigene Wörter, vor allem die Grammatik ist perfekt, die Deklinationsvielfalt entspricht noch dem Althochdeutschen. Hier wird der Genitiv auch noch in der Umgangssprache gesprochen. Eine Überschrift wie „Frühling entlang dem Rheinsteig“ wie neulich in einem Laufportal gelesen, wäre das Todesurteil.
Bis Silum (1469m ) haben wir nun 1000 Höhenmeter überwunden und schauen einen Kilometer tief hinab ins Rheintal. Auch wenn der alte Vater hier in ein enges Bett gezwängt wurde, so ist seine millionenjahrelange Arbeit an den Bergen deutlich sichtbar. Liechtenstein kann man greifen, spüren, riechen und leben. Liechtenstein ist anders, du stehst hier oben in der Sonne, breitest die Arme aus und kannst das ganze Land umarmen.
1868 wurde das Militär aufgelöst, zu teuer. Die Politik garantierte das Überleben des kleinen Staates, sogar durch zwei Weltkriege. Das Schloß des Fürsten braucht keine Bewachung, Regierungsbunker gibt es nicht. Und leider auch nur ein Bergrestaurant auf unserer Laufroute.
Anfänglich fotografiere ich mit viel Aufwand die kleinen Blüten des kleinen Enzians und erste Schneefelder, ohne auch nur zu ahnen, dass es noch härter und noch schöner werden wird.
Dreihundert Höhenmeter hinab nach Steg (1303) km 25, im Saminatal, Ziel für die Halbmarathonläufer PLUS. Wer diese Strecke geschafft hat, der hat Startgeld und Kondition gut investiert. Ausblicke auf Alvier, Säntis und im Osten zum Ochsenkopf und Gamsbart und nach Süden zum Valüntal mit Naafkopf, Grauspitz und Falknis.
Für uns Marathonläufer geht es weiter ins Valorschtal. Großer Bogen weit um das Zielgebiet herum. Der Weg ist das Ziel, ist wunderschön und ziemlich warm. 26-29 Grad, auf den Schneefeldern aber traumhaft kühl.
Valorsch (1380). Hier auf der Schaaner Alp erzählt man sich eine schaurige Geschichte: Aus Langeweile fertigten die Senner eine Puppe aus Lumpen, fütterten sie, sprachen mit ihr, schlugen sie. Kurz vor dem Alpabtrieb fing die Puppe an zu sprechen: „Alle, bis auf einen dürfen ins Tal.“ Beim Abtrieb schauten die Hirten zurück und sahen die Haut des dagebliebenen Sennen auf dem Dach der Alphütte ausgespannt. Die Puppe sass daneben und lachte.
Niemand lacht jetzt, es ist ein harter Aufstieg, aber einer der schönsten der Welt. Zarte Krokusse wachsen auf dem Grau des Winters. Ich stopfe mir Schnee unter die Kappe und lege mich auf die kühlenden Schneefelder.
Sassförkle (1771 m) ist ein kleiner Bergübergang von Sass nach Gutschg, dort hinauf führt uns der Lauf über die steile Strecke. Die drei Kapuziner sind Felsköpfe, die ausschauen wie drei Mönche. Das Licht, die Luft, die Freiheit, ja, die Freiheit! Ich lache laut und die Helfer wissen, was ich meine, klopfen mir auf die Schulter, bieten an, Fotos zu schießen. Doch wie kann man dieses alpine Hochgefühl, Krönung eines harten Marathonlaufes wiedergeben?
In dem kleinen See spiegelt sich der Schönberg (2104 m), kleine pechschwarze Fische schimmen darin und wecken den Darwin in mir. Es könnte sich um eine Lachsart handeln, eine Überwinterung in dem kleinen See auf dieser Höhe kann ich mir nicht vorstellen.
Der Lauf hinab ins Tal von Malbun macht Spass, verflogen ist die Luftnot von eben. Viele Spaziergänger verteilen lobende Worte.
Km 37, unter mir das Ziel, ich horche nach den Namen, die der Sprecher aufruft und höre die Zielzeit 4:55. Ich habe also noch 2 Stunden Zeitlimit für die letzten 5 Kilometer.
Sareiserjoch, hier ist der Pass zum Voralberg. Kurz vor der Grenze, noch in Liechtenstein, fand man letztes Jahr zehn mittelalterliche Alphütten. Das wäre eigentlich nichts besonderes, aber wegen dieses Fundes wird die Geschichte Liechtensteins nun umgeschrieben.
Die letzten sind auch die schönsten Kilometer. Das Tal bildet eine Arena und durch diese laufen wir nun in einem weiten Bogen. Es ist die schönste Arena der Welt. Sonne, kleiner Enzian und großer, wild fiepende Murmeltiere, Licht, Leben und blendender Schnee, immer hart an der Grenze zwischen Eis und blühendem Leben. Kein einfacher Weg, viele Steigungen aber in einer wunderbaren Landschaft, die ich eine Stunde lang geniesse. Ein herrlicher Marathon geht zu Ende, gekrönt mit alpinen Schönheiten.
Männer
1. Wieser Patrick, 1979, CH-Aadorf 3:07.40,4
2. Kovacs Adam, 1986, H-Eger 3:12.54,0
3. Heuberger Bruno, 1971, CH-St. Margarethen TG 3:13.47,5
Frauen
1. Nunige Jasmin, 1973, CH-Davos Platz 3:39.28,7
2. Zimmermann Denise, 1975, CH-Mels 3:47.46,5
3. Wiesmair Stefanie, 1982, D-Pfungstadt 3:48.09,6
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