Die ersten flachen 10 Kilometer dienen zum Warmwerden. 1,5 km legen wir auf der Schaaner Landstraße zurück, dann geht’s rechts ab, runter an den Rheindamm. Erst noch unterhalb des Walls, nach 5 km dürfen wir dann rauf mit Sichtkontakt auf den unten fließenden Rhein, der auch die Grenze zur Schweiz darstellt. Anfangs tröpfelt es noch mit Unterbrechungen aber bald fängt es schon richtig zum regnen an. Bei km 6 spricht mich Marianne an: Ist den Klaus heute nicht da? Den treffe ich sonst immer hier. Heute muss sie mit mir vorlieb nehmen, Klaus sorgt für fotografische und vielleicht ja auch seelische Unterstützung einer ganzen m4y-Autoren-Armada in Biel.
Über einige Treppenstufen geht’s hinein ins „Städtle“ Vaduz. Gerade mal 5.000 Einwohner zählt der Hauptort des kleinen Fürstentums. Insgesamt wird das „Ländle“ von 35.000 Menschen bewohnt, davon sind ein Drittel Ausländer. Hauptsächlich Schweizer, Österreicher, Deutsche und Italiener. Amtssprache ist Deutsch und bezahlt wird in Schweizer Fränkli, natürlich werden auch Euros genommen. Erst durchqueren wir noch die Fußgängerzone mit einigen jugendlichen Anfeuerern, aber dann ist es auch schon vorbei mit dem Einlaufen, der erste saftige und lange Anstieg beginnt.
Von unten fällt schon seit einiger Zeit, immer wieder mal mein Blick auf Schloss Vaduz, das mehr wie eine Ritterburg aussieht und eine der Hauptattraktionen und das Wahrzeichen von Liechtenstein darstellt. Beim Schauen von außen wird es auch bleiben, für uns sowieso, aber auch für alle Besucher des Fürstentums. Auf einem Schild am Wegesrand kann ich lesen: Keine Besichtigung! Der Fürst will seine Privatsphäre wahren und seine Ruhe haben. Weil hier aber auch nicht hinter jedem Eck ein Paparazzi lauert, kann er sich relativ unbeschwert bewegen, auch ohne Bodygard und Polizeischutz.
Nach 12 km stehen wir direkt vor den Toren der ca. 800 Jahre alten Burg, wo auch eine Getränkestelle aufgebaut ist. Mit Ausblicken ins Rheintal kann ich heute nicht dienen, aber aufmerksame und regelmäßige m4y-Leser werden feststellen, zum ersten mal gibt es das Schloss auf Laufberichtbildern unverhüllt zu sehen. Wenn ich schon nicht mit tollen Landschaftseindrücken dienen kann, dann habe ich wenigstens die ersten exklusiven Bilder ohne Gerüst und Kran zu bieten. Ab hier legt der Regen noch mal eine Schippe zu, doch glücklicherweise führt der Weg etwa einen Kilometer weiter direkt von der Teerstraße auf einen schmalen Trail in den Wald, so dass ich noch etwas verschont werde. Aber mich beschleicht ein erneutes Dèjá-vu aus den vergangenen Wochen im Regen.
Aber dann müssen wir doch wieder raus aus dem schützenden Gehölz auf die Fahrstraße. Für meine Kamera habe ich aber vorsichtshalber ein Plastiktütchen mitgenommen und in die verschwindet sie dann auch für die einige Zeit. Die Waldistraße führt uns wieder in rustikaleres Terrain. Die Berge sind leider vollkommen verhangen und immer wieder kommt für meinen Geschmack deutlich zuviel Nass vom Himmel. Mein Shirt klebt mittlerweise nur noch an mir und wäre eher geeignet für eine Teilnahme an einem Wet-T-Shirt-Contest. Orientierung und Aufnahme von Landschaftseindrücken sind leider vollkommen Fehlanzeige. So hätte ich mir meine erste Bergtour in diesem Jahr eigentlich nicht vorgestellt.
Was wirklich sehr positiv zu bewerten ist, ist die hervorragend zu laufende Strecke. Ich hatte mich im Vorfeld noch erkundigt, welcher Schuh denn am besten geeignet ist? Magic gab mir den Tipp, auf die Trailschuhe zu verzichten, allenfalls bei viel Regen darauf zurückzugreifen. So habe ich mich letztendlich für die leichten Rennschlappen entschieden und bin auch absolut glücklich mit der Wahl. Nur bei ganz wenigen Passagen wären Trailschuhe angebracht gewesen.
Ziemlich genau bei der Halbmarathondistanz erreichen wir den höchsten Punkt dieses ersten 11 Kilometer langen, kräftezehrenden Anstiegs. 1.065 absolvierte Höhenmeter zeigt meine Uhr auf einer Höhe von 1.557 m ü. NN an. Spürbaren Hinweis auf die Anstrengungen bieten mir meine dicken Oberschenkel. Bei den jetzt folgenden Bergab-Stücken muss ich mich erst wieder an normales Laufen gewöhnen, wahrscheinlich auch Indiz für deutlich zu wenig Bergtraining im Vorfeld. Fühlt sich jetzt bei mir in etwa so an wie bei einem Triathleten, beim Wechsel vom Radfahren zum Laufen.
Bis zum Saminasee geht es auf den nächsten 3,5 km tendenziell abwärts, aber nicht durchgehend. Es gibt auch mal flachere Stücke und kleinere Anstiege, aber endlich wieder eine andere Belastung für die Beine. Am See erwartet uns eine weitere V-Stelle und kurz darauf haben die Halbmarathon PLUS-Läufer kurz nach dem 25-er Schild ihr Ziel erreicht. Für uns geht es schon vorher rechts ab, wieder einen Anstieg hoch. Nur für kurze Zeit lichten sich die Wolken etwas und geben mehr von der Landschaft preis.
Ab km 26 beginnt der zweite Anstieg der Strecke, anfangs noch mit kürzeren Flach- und auch gelegentlichen Bergabstücken. Bis Saasförkle auf 1.796 Höhe sind wieder 500 Höhenmeter zu bewältigen. Zum Sehen gibt’s leider bis auf das kurze Stück Wegstrecke vor einem, eigentlich nichts mehr. Die einzige optische Abwechslung zum dicken Nebel bieten mir einige Kühe, die unseren Weg kreuzen und ich daher schon fast als Highlight auf meine Speicherkarte banne. Wenigstens hat es aber aufgehört zu regnen. Obwohl mein Shirt wahrscheinlich einen Liter Wasser aufgenommen hat, ist es in kürzester Zeit wieder fast trocken. Eigentlich habe ich ja ein Ersatzshirt in meiner Gürteltasche, den Wechsel kann ich mir jetzt aber sparen. Heftig zur Sache geht es auf dem Abschnitt von km 32 bis zur Verpflegungsstelle am Saasförkle bei km 35. Ein steiler Singletrail führt uns im Gänsemarsch mit einer Sichtweite von vielleicht 20 – 30 m nach oben. Meine Oberschenkel nehmen das nicht gerade wohlwollend zur Kenntnis.