Und siehe da, kurze Zeit später haben wir die Passhöhe (1490 m) erreicht, natürlich mit Verpflegungsstelle. Damit haben wir schon über 1100 Höhenmeter hinter uns. Der Blick öffnet sich auf ein schönes Tal. Unten die Ortschaft Steg mit dem Zielgelände des Halbmarathons. Einige unserer Mitläuferinnen legen jetzt richtig los. Mir ist Julie Graham aus Großbritannien aufgefallen, mit der wir die vergangenen Kilometer gekämpft hatten. Sie gibt Gas und wird am Ende 9 Minuten schneller sein als wir.
Nun geht's den angenehmen Pfad bergab und da zeigt sich, dass die Regel „wahre Trailläufer erkennt man am Bergablaufen“ stimmt. Wir sind noch etwas unbeholfen, haben Angst auszurutschen. Aber das wird sich im Laufe der Zeit ändern. Am Beginn eines Straßenstücks rechts ein kleiner Tunnel, durch den Radler die Passhöhe abschneiden können. Ein neuer Autotunnel ist noch ein Stück unterhalb davon gebaut worden. Wunderschöner Blick auf die Ortschaft Steg und drei blaue Bergseen. Kurz vor dem Halbmarathonziel bekommen die beiden Notärzte, die uns auf ihren Mountainbikes die ganze Zeit begleitet hatten, etwas zu tun. Der einzige Kreislaufzusammenbruch der ganzen Veranstaltung muss betreut werden. Die Angst, dass man Probleme bekommt und einem keiner hilft, ist völlig unbegründet. Es gibt sehr viele Streckenposten, die auf die Läufer aufpassen.
Bei km 25 werden die Marken und Modelle unserer Schuhe „erkennungsdienstlich“ erfasst. Ein Helfer identifiziert exakt Marke und Modell und ruft es dem Kollegen zu. Ich bin beeindruckt von so viel Sachkenntnis, denn meine Schuhe sind längst nicht mehr im Handel.
Bei der Gelegenheit möchte ich gleich noch meine Erfahrung mit den fixpoints-Magneten für die Startnummer kundtun, die ich seit Düsseldorf teste: Sie halten wirklich sehr gut. Ich bleibe dabei.
Am Ziel des Halbmarathon Plus (25,4 km) ist natürlich viel los. Sogar wir werden mit Namen begrüßt. Gesamtsiegerin bei den Frauen wird hier in 2:16:15 Stunden Britta Müller, die zur Altersklasse W50 zählt.
Für uns beginnt also nun der Genussabschnitt, wie uns der Liechtensteiner Läufer versicherte. Ach ja, wir sind inzwischen seit gut drei Stunden unterwegs, haben noch vier Stunden Zeit für die restlichen 17 Kilometer und „nur“ ca. 600 Meter müssen wir noch hoch.
Jetzt erst mal an einer großen Kuhherde vorbei, bei der gerade ein lautes Muhen zu hören ist. Die Forststraße zieht sich langsam steigend dahin. Wir werden das Bergmassiv aus Drei Kapuziner, Schönberg und Stachlerkopf umrunden. Zusammen mit unseren Mitläuferinnen und -läufern sind wir in einem Wechsel von Gehen und Laufen. Bei dieser Steigung könnte man mit etwas Training sicher auch kontinuierlich laufen, aber wir sind ja Genussmenschen und wollen nichts überstürzen. Die Blumen blühen, nur den versprochenen Enzian haben wir noch nicht gesehen.
Der Forstweg geht bis Güschglehötta (km 32) weiter. Ab hier kommt der für mich landschaftlich schönste Teil: Wir müssen einen Trail steil bergauf, am Rande der Baumgrenze. Es riecht nach Latschenkiefern. In stiller Läuferschlange steigen wir bergauf. Nach 20 Minuten sind wir 200 Meter höher, einen Kilometer weiter und erreichen eine der zusätzlichen Getränkestellen. Gott sei Dank, denn es ist auch hier oben sehr warm und mein Getränkekonsum enorm.
Auch an den ersten Restschneefeldern kommen wir vorbei. Unsere höchste Stelle haben wir auf dem Sass Förkle mit fast 1800 Metern erreicht. Nur noch acht Kilometer. Ich genieße die Verpflegungsstelle, koste auch mal eine Bouillon (sehr salzig, also gut für den Sportler). Energy-Gel gibt es auch an mehreren Verpflegungsstellen. Auf einmal sehe ich Judith in der Ferne winken. Da muss ich mich wohl beeilen. Interessant das Gefühl in den Beinen, wenn man wieder zu laufen anfängt. Ich donnere die Forststraße hinunter. Judith hat wohl ihre Angst vor einem Ausrutschen aufgegeben und legt ein flottes Tempo vor. Ein Streckenposten schickt uns links auf den nächsten Wanderpfad.
Ich habe drei Läuferinnen vor mir, die sich ein halsbrecherisches Rennen liefern. Wobei alle Bergab-Passagen auch für Ungeübte wie mich sehr gut zu laufen sind. Man kann nun das Tal um Malbun sehen. Viele Menschen sind im Ziel zu erkennen. Man hört die Namen der Finisher, denn die auf einem hohen Kran montierten Lautsprecher beschallen das ganze Tal.
Am Friedenskirchlein (Gottesdienst Samstag 17:30 Uhr) sind wir ganz nah am Ziel, müssen aber noch um den Malbuner Talkessel laufen. Auf was ich nicht so richtig eingestellt bin, sind die lockeren 100 Höhenmeter, die wir auf den nächsten zwei Kilometern zu bewältigen sind. Ein letzter Mal Blick auf die schneebedeckten Berge um uns herum.
Ab Kilometer 40 dann eine Forststraße bergab. Unsere schnellsten Kilometer. Super zu laufen, genau das richtige Gefälle. Die letzten 400 Meter dann auf der Ortsstraße. Röbi hat mit dem Fernglas bereits unsere Nummern erkannt und kündigt uns als nächste Finisher an.
Wirklich schön. Bevor man zum Stehen kommt, wird einem schon der Chip (italienisches Modell, aber gut befestigt) von der Startnummer entfernt. Hey, ich bin doch noch gar nicht ganz da. Es gibt vielerlei Getränke, Obst und Riegel. Jeder Finisher erhält ein gutes Mizuno-Funkionsshirt mit dezentem Aufdruck. Schlecht zum Angeben. Statt einer Medaille gibt es eine nette kleine Kuh von Swarovski aus der Sammelserie „the lovlots“, deren Wert alleine schon die Startgebühr übersteigt.
Im Ziel sehen wir noch die Gewinnerin Jasmin Nunige aus Davos. Sie war mit 3:34:59 zwei Stunden und 10 Minuten schneller als wir und hat den Marathon zum dritten Mal gewonnen. Bei den Herren wird ihr Landsmann Patrick Wieser zum vierten Mal Sieger mit 3:03:59. Für Judith reichte es in ihrer AK diesmal (bei weitem) nicht zu einem Platz unter den ersten drei. Die Schwedin Gretel Utter aus dem Bus hingegen hat mit 6:27:26 den ersten Platz in der W 65 belegt.
Im Zelt gibt es Getränke, Speisen und Kuchen zu (für Liechtensteiner Verhältnisse) günstigen Preisen. Wir lassen den Lauf in der Sommersonne bei einem alkoholfreien Bier ausklingen.
Unser Fazit:
Klaus' Empfehlung war sehr gut. Der LGT Alpin Marathon ist zwar ein anspruchsvollen Bergmarathon, aber ohne ausgesetzte Stellen und mit meist guten Wege und Trails und daher gerade für Umsteiger oder Neulinge ohne große spezielle Vorbereitung gut zu meistern. Wer einen flachen Marathon zwischen vier und fünf Stunden läuft und sich nicht unter Druck setzt, kommt bestimmt ins Ziel. Sieben Stunden Zeitlimit sind sehr moderat.
Die Laufberichte der letzten Jahre auf Marathon4you haben mir bei der mentalen Vorbereitung auf meinen ersten Lauf im Gebirge sehr geholfen. Und um diese Erkenntnis bin ich reicher: Wer bei einem Bergmarathon wirklich schnell sein will, muss wohl doch häufiger das Bergauflaufen trainieren...
Sonst noch:
- Auch bei trockenem Wetter sollte man mit gutem Schuhwerk (am besten Trailschuhen) starten
- Startgeld von 75 Euro ist wirklich gut angelegt.
- Die öffentlichen Busse können am Veranstaltungstag mit der Startnummer kostenlos genutzt werden. Die Busse fahren auch in die Bergregion sehr häufig!
- Dieses Jahr gab es keine Pasta-Party. Die Preise sind schon höher als in Deutschland. Schnäppchenjäger wie ich gehen leer aus.
- Komfortables Duschzelt im Zielbereich
- Viele sehr nette Einheimische
- LGT ist der Hauptsponsor: Die Bank ist ein Unternehmen des Fürstenhauses von Liechtenstein.
- Nationalitäten: 82 Liechtenstein, 327 CH, 143 D, 36 A, 10 NL...
Marathon-Sieger
Männer
1, Wieser Patrick, CH-Aadorf 3:03.59,3
2. Birchmeier Ralf, CH-Buchs SG 3:13.05,2
3. Vogt Josef, FL-Balzers 3:27.02,5
Frauen
1. Nunige Jasmin, CH-Davos Platz 3:34.59,2
2. Staicu Simona, H-Mogyoród 3:49.04,4
3. Rexhäuser Stefanie, D-Pfungstadt 3:49.36,7