Einmal mehr stand die Alpenmetropole Chamonix vom 22. bis 25. Juni im Mittelpunkt eines anspruchsvollen Trailwettkampfes, dem Marathon du Mont Blanc. Im Schatten des mächtigsten Bergmassivs der Alpen mit seinem höchsten Gipfel, dem 4810 m hohem Mont Blanc trafen sich an diesem Wochenende laufbegeisterte Sportler, um sich von dieser einzigartigen Bergwelt verzaubern zu lassen. Die Marathonmesse auf dem Place du Mont Blanc präsentierte alle nennenswerten Hersteller von Trailequipment und war ein wichtiger Treffpunkt während der viertägigen Veranstaltung, die von Freitag bis Sonntag verschieden lange Wettkämpfe angeboten wurden.
Vor knapp 40 Jahren trafen sich bereits begeisterte Trailläufer zum Cross du Mont Blanc über 23 km auch hier in Chamonix. Erst 2003 wurde eine weitere Distanz, der Marathon und ein Jahr später die 10 km-Strecke und der MiniCross über 3 km hinzugefügt. In den vergangenen Jahren ergänzte man den Event mit dem KM Vertical und dem 80 km du Mont Blanc. Ganz neu ist 2017 der Duo étoile über 17 km und der Young Race Marathon über 15 km.
Bereits im Vorfeld beschäftigte ich mich mit den Zahlen wie die Streckenlänge, die bei der Ultrastrecke 85 Kilometer in der Summe ergaben. Auch die Höhenmeter sind beeindruckend! Immerhin war der Kurs mit 6180 Höhenmetern im Aufstieg und Abstieg gespickt. Die Höhenmeter verteilten sich auf 6 Gipfel mit je mehr als 2000 m Höhe. Dazwischen ging es in die tiefen Täler bis auf 1000 m runter und die Trails sollen sehr steil und technisch sein. Das wäre ja nicht die einzige Schwierigkeit, wenn da nicht das 24 Stunden-Zeitlimit für die komplette Distanz und die recht knappen Zeitlimits unterwegs mich zeitlich limitieren würden. Zum Glück war die Strecke dieses Jahr komplett schneefrei, das Thermometer am Lauftag soll auf über 30 °C klettern und nachmittags sollten Gewitter durchziehen. All diese Faktoren musste ich bei meinem Abenteuer am Mont Blanc bedenken, wenn ich glücklich das Ziel erreichen wollte.
Knapp 1200 Läufer standen am frühen Freitagmorgen um 4 Uhr auf dem Place de Triangle de l´Amitié, die Stirnlampen waren bereits eingeschaltet. Nach einem kurzen Briefing zum bevorstehenden 80er ging es dann auch schon los. Ich hatte mich in der Mitte der Läuferschar eingereiht und freute mich auf die ersten Laufkilometer aus Chamonix raus, bevor der lange Aufstieg auf den 2461 m hohen Brévent (km 10) begann. Der Brévent ist der höchste Berg des gesamten Wettkampfes, den ich mit der aufgehenden Sonne nach knapp 2 ½ Stunden erreichte. Die Sonne erhellte bereits das vergletscherte Mont Blanc-Massiv. Steil hinauf und gleich auch wieder steil hinunter zum ersten Verpflegungspunkt (VP) am Planpraz (km 12/2047 m) konnte ich die tolle Aussicht auf Chamonix tief unten im Tal, den spitzen Nadeln der Aiguille und dem schneeweißen Mont Blanc. Vorbei an La Flégère gelangte ich hinauf zum Tête aux Vents, einem weiteren Gipfel mit 2115 m (km 21) auf meinem Streckenprofil. In engen Serpentinen, über viele Felsstufen und loses Gestein rannte ich so schnell ich konnte hinunter zum Col des Montets (km 25/1464 m). Ein angenehmer Wiesenweg, den ich noch locker laufen konnte, brachte mich zur zweiten VP in Buet (km 27/ 1338 m).
Mein nächster Anstieg sollte mich zum Refuge Loriaz auf 2020 m (km 33) führen, von wo aus Bergtouren zum alten Lac Emosson, zum Cheval Blanc und zum Col de la Terrasse weitergehen. Die Hütte liegt auch auf dem berühmten Weitwanderweg Tour du Mont Blanc und bietet im Sommer für bis zu 50 Personen eine Übernachtungsmöglichkeit. In Molard hatte ich erneut die Talsohle (km 37/1251 m) erreicht und dabei auf nur 4 Kilometern 800 Höhenmeter verloren. Doch nun geht es weiter mit dem Anstieg zum Stausee Emosson. Schon von weit unten konnte ich die Staumauer sehen, aber nur ganz langsam näherte ich mich diesem Bauwerk über den Col de Passet.
Der Lac Emosson (VP/km 41,6/1962 m) gehört zum Schweizer Kanton Wallis und dient der Stromerzeugung. Für mich war hier oben erst einmal eine längere Pause angesagt, auch machte mir die Nachmittagshitze zu schaffen. Ich hatte bereits die halbe Strecke der 80ers und etwas mehr als die Hälfte der Höhenmeter zurückgelegt. Viele Läufer wurden hier von Angehörigen und Freunden erwartet, die mit der Schmalspurbahn von Chatelard eine beeindruckende Fahrt mit Blick auf den Mont Blanc hinter sich hatten.
Beim Verlassen der VP in Richtung Chatelard wurde ich noch einmal aufgehalten und musste mein Pflichtequipment wie Stirnlampe mit Ersatzbatterien, Handy und meinen Wasservorrat vorzeigen. Erst jetzt konnte ich die zweite Hälfte der 80 Kilometer-Strecke antreten. In nur 3 ½ Kilometern ging es über mehr als 800 Höhenmeter in steilem Zickzack bergab, die ich mir kurz zuvor in der heißen Sonne hart erkämpft hatte. Meine bereits geschundenen Beine hatten keine Zeit zum Erholen, denn mir verblieben nur 30 Minuten bis zum Cut-off. Das Zeitfenster ist ganz schön eng und auf der bisherigen Strecke gab es wenig Abschnitte, auf denen ich hätte Zeit gut machen können. Da durfte nun wirklich nichts schiefgehen! Zum Glück blieben mir heftige Magenprobleme erspart, die für viele bei dieser Hitze das "Aus" bedeuteten.
In Chatelard (km 45/1155 m) war dann auch der Wendepunkt der Strecke, irgendwie musste ich ja wieder zurück nach Chamonix kommen. Das tiefe Tal von Trient und Vallorcine querte ich dann über eine schmale Brücke und hatte schon gleich den nächsten Anstieg über Les Jeurs (VP) hinauf auf den Catogne (km 51/2054 m) vor mir. Von hier aus konnte ich den Emosson Stausee mit seiner mächtigen Staumauer auf der gegenüber liegenden Talseite noch einmal bewundern, den ich 3 Stunden zuvor passierte. Am Catogne war mein Aufstieg noch nicht beendet, der Tête de l´Arolette (km 52,8/2333 m) erst war der Gipfel.
Mein Blick schwenkte hinüber zum Glacier le Tour, der oberhalb des kleinen Ortes Le Tour liegt. Die Strecke wendete sich erst einmal nach rechts über den Col de Posettes und einen weiteren kurzen Anstieg auf den Gipfel des Ardoisières (km 56,6/2046 m). Erst jetzt ging es im Wald in engen steilen Serpentinen hinunter nach Le Tour (VP/km 60/ 1469 m). Ich hatte bis Le Tour meine Zeitpuffer immerhin auf eine Stunde erhöhen können und wollte hier noch einmal etwas länger pausieren. Nach Le Tour hatte ich auf 10 Kilometern breite, angenehm zu laufende Waldwege, jedoch immer wieder heftige Gegenanstiege, was mich erneut zum Gehen zwang.
Die Strecke führte im Wald an Lavancher und Argentière vorbei, bis ich dann in Les Bois (VP/km 70/1082 m) am Fuß meines letzten Anstieges ankam. Kurz vor der VP wurden erneut die wichtigsten Utensilien meiner Pflichtausrüstung wie geladenes Handy und Stirnlampe plus Batterien kontrolliert. Ein Blick auf meine Uhr sagte mir, dass ich mein Zeitkonto halten konnte und immer noch eine Stunde Puffer habe. Mit der einbrechenden Dunkelheit in Les Bois setzte ich mir gleich meine Stirnlampe für die Nacht auf. Mein Langarmshirt oder meine Jacke konnte ich getrost im Trailrucksack belassen, denn noch hatte es kaum abgekühlt.
Diesen letzten Teil der Strecke kannte ich bereits aus dem Vorjahr, da ich hier schon einmal gewandert bin. Das ist noch einmal ein ganz schön anstrengender Streckenabschnitt über 15 Kilometer und 1100 Höhenmeter im Aufstieg und 1200 m im Abstieg. Ich machte mich an den steilen Aufstieg nach Montenvers (VP/km 75/1900 m), der sich meist im schattigen Wald befand. Montenvers bietet einen wunderschönen Blick auf die Gletscherzunge des Mer de Glace – natürlich nur bei Tag! - und ist so auch touristisch erschlossen mit Panoramahotel, Kiosk, Museum, Eisgrotte und Seilbahn. Schließlich kann der steile Serpentinenweg bequem mit einer Zahnradbahn direkt von Chamonix-Zentrum nach Montenvers überwunden werden.
Über den Panoramaweg Balcon Nord ging es nun weitere 5 Kilometer hinüber zum Plan d´Aiguille (VP/km 80/2178 m), der keine nennenswerten Anstiege aufweist. Allerdings musste ich immer wieder über Felsstufen klettern, so dass ein gleichmäßiges Laufen kaum möglich war. Der Plan d´Aiguille ist Zwischenstation der Gondelfahrt auf den Gipfel der Aiguille du Midi mit 3842 m. Von der Aiguille du Midi hat man einen tollen Ausblick auf die Gletscher des Mont Blanc-Massivs und kann auch mit einer Gondelbahn die riesigen Gletscherfelder queren, bis hinüber zum italienischen Pointe Helbronner. Wer den Mont Blanc besteigen möchte, startet hier oben seine Bergtour!
Für mich begann allerdings am Plan d´Aiguille der 5 Kilometer lange Abstieg nach Chamonix, bei dem ich satte 1100 Höhenmeter hinunterrennen musste, sofern meine Beine da noch mitmachen würden. Das erste Teilstück war allerdings so steil und schottrig, dass ich kein Risiko eingehen wollte und eher versuchte, schnellen Schrittes voran zu kommen. Später erreichte ich dann den Wald und kämpfte gegen das Wurzelwerk auf dem Weg. Eigentlich hatte ich keine Eile mehr, die Zeitlimits würde ich auf jeden Fall schaffen und das Ziel war ja jetzt zum Greifen nah.
Direkt über den Parkplatz der Talstation der Aiguille du Midi-Gondel erreichte ich dann Chamonix und hatte noch einen Kilometer bis zum Ziel am Place de l´Eglise de l´Amitié, den ich vor etwas mehr als 23 Stunden verlassen hatte. Hell erleuchtet wie am frühen Freitagmorgen lief ich auf den Zielbogen zu und war froh, diesen schweren Lauf mit 85 Kilometern durch eine einzigartige Landschaft finishen zu können. Auf den steilen, schwer zu laufenden Auf- und Abstiege sammelte ich nicht nur mehr als 6000 Höhenmeter, sondern musste mich immer wieder auf neue Gegebenheiten einstellen.
Leider konnten nur 55 % aller Starter auch innerhalb des Zeitlimits das Ziel erreichen, alle anderen scheiterten entweder an den eng gesteckten Zeitlimits unterwegs oder mussten aufgrund der Hitze und damit verbundenen Problemen aussteigen. Zudem waren auch nur 11 Deutsche am Freitag gestartet, von denen sich 3 Finisher nennen dürfen - und ich gehöre dazu!
Alles in allem war der Marathon du Mont Blanc ein wirklich super organisierter Laufevent. Wer sich in Chamonix nicht auskannte, wurde mit Hinweisschildern zu den wichtigen Punkten geleitet. Auch die Streckenmarkierungen waren durchweg perfekt angebracht. Die vielen, eng gesteckten Zeitlimits ließen nur kurze Pausen zu! Die insgesamt acht Verpflegungspunkte waren recht weit auseinander und unterschiedlich ausgestattet. So waren fünf als komplette Verpflegung bezeichnet und an drei VPs gab es nur Getränke (Wasser, Isodrink und Coca Cola). Glücklicherweise gab es noch einige zusätzliche Möglichkeiten, an denen die Wasserflaschen am Brunnen aufgefüllt werden konnten und die auch im Streckenplan markiert waren. Dies war bei der großen Hitze vor allem in der Mittagszeit äußerst hilfreich.
Leider war an den Vollverpflegungsstellen nicht immer alles verfügbar, mal fehlte Brot, mal der Käse, mal gab es keine Nüsse oder Schokolade. Das war aber der einzige Punkt, der mir unterwegs negativ auffiel. Die vielen freiwilligen Helfer, vor allem an den VPs, waren immer sehr freundlich und sorgten für ausreichend Nachschub am Läuferbuffet. Immerhin mussten sie bis zu 12 Stunden für die Läufer da sein, wofür ich ihnen recht herzlich danke.
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26.06.10 | Voller Vorgeschmack |
Daniel Steiner |