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10.05.20 - Mein Corona-Marathon

Rund um den Ammersee

Davon geträumt habe ich schon lange – aber gemacht hätte ich es wohl nicht so schnell. Nur so mal 45 km um einen See herum? Das ist die Herausforderung, will man einmal per pedes Bayerns drittgrößten See, den Ammersee, umrunden. Aber Corona macht’s möglich: Kein Marathon weit und breit, kein Grund, sich für irgendetwas im Training zu schonen, mehr Zeit als sonst. Dazu ein fast schon frühsommerliches Wetter. Wann, wenn nicht jetzt?

Kein anderer der bayerischen Seen übt auf mich eine derartige Anziehungskraft wie der Ammersee aus. Nicht ganz so berühmt wie der benachbarte Starnberger See ist er. Aber um einiges idyllischer und gerade aus dem Blickwinkel eines Landschaftsläufers auch attraktiver als dieser. „Natur satt“, vielfach unter hoheitlichem Schutz stehend, umrahmt das vor allem am Ostufer wenig verbaute Ufer, nur ab und an durchbrochen von pittoresken Ortschaften. Und vor allem gibt es eines: Wander-, Rad- und Spazierwege, die zumeist in Ufernähe am und um den knapp 47 qkm  messenden See führen. Nicht nur einmal habe ich mich gefragt, warum noch nie jemand auf die Idee gekommen ist, entlang dieser Wege einen Marathon „Plus“ zu organisieren. Aber vielleicht gibt es diese Idee ja bereits und es stehen logistische oder Gründe des Naturschutzes entgegen …. Egal: Jedenfalls ich mache diesen Lauf. Nur für mich, ganz privat.   

Ich schnüre meine Trailschuhe, bepacke meinen kleinen Laufrucksack vor allem mit Flüssigem, nehme sogar Trailstöcke mit, wobei man auf die gut verzichten könnte, und brause am frühen Sonntagmorgen über die leere A96 gen See. Um kurz nach acht sehe ich den See in der Morgensonne blitzen.

 

Start in Stegen

 

Für den Start einer Seeumrundung eignet sich im Prinzip jede der Ortschaften um den See herum, vor allem die „Seekapitale“ Herrsching in der gleichnamigen Bucht am Ostufer. Herrsching hat auch den Vorteil, dass man von München aus direkt mit der S 8 an- und abreisen kann.

Mit dem Auto ist man natürlich flexibler. Für mich kommt ohnehin nur ein Ort für den Start in Frage: Stegen. Beherrscht wird dieser Weiler an der Nordspitze des Sees von zwei höchst gegensätzlichen Lokalitäten: Dem „Fischer am See“, mit riesiger Holzterrasse, stylish-schlichtem Holz-Chic und Beach Bar im Sand, unverkennbar ein Schicki-Micki-Spot am See. Und gleich daneben dem gehoben ländlich-bayerischen Seehaus „Schreyegg“ mit großem klassischem Biergarten unter weit ausladenden Kastanien. Beiden gemeinsam: Die direkte Seelage mit dem wohl schönsten Blick über den Ammersee, inklusive Bergpanorama im Hintergrund. Zu normalen Zeiten ist an schönen Tagen hier die Hölle los, was auch die Parkplatzkapazitäten erahnen lassen. Aber im Moment ist eben nichts normal. Alles ist verrammelt, Trassierbänder sperren die Zugänge zu den Biergärten und zum Bootsanleger der Ammerseeflotte, kein Mensch ist am langen Badestrand zu sehen. Nur wenige spaziergehende oder radelnde Ausflügler trudeln in den Morgenstunden ein. Und ich.

 

 
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Nichtsdestotrotz: Ich genieße die entspannte, unaufgeregte Stimmung, die mich empfängt. Herrlich ist der Blick zwischen den alten Baumriesen hindurch auf die in der kühlen Morgensonne blinkenden Fluten des Sees. Für mich stellt sich nun die Grundsatzfrage: Links oder rechts herum? Im oder gegen den Uhrzeigersinn laufen? Sonnenhungrig entscheide ich mich für Ersteres, folge also, von der Morgensonne beschienen, zunächst dem Westufer. Wer das Ganze schattensuchend zu sommerlichen Zeiten in Angriff nehmen will, dem sei eher die umgekehrte Richtung empfohlen.

Nicht so ganz einfach ist der Einstieg zum Westufer. Denn dies erfordert zunächst die Querung der Amper, die hier gemächlich in sumpfigem Gelände gen Norden abfließt und leider nicht anders als durch Kontakt zur Bundesstraße überwunden werden kann. Das wäre für sich gesehen nicht weiter tragisch, würden nicht Baustellenzäune jenseits der Brücke den Einstieg in den Uferweg erschweren. So muss ich  erst in einem kleinen Umweg durch morgendlich feuchte Wiesen nehmen, ehe ich mich auf dem bequemen Naturweg wiederfinde, der hier weiter durch das Naturschutzgebiet führt.

Dicht wie eine Wand ist das Dickicht zu beiden Seiten des sich dahin schlängelnden Weges. Fast alle Abzweige gen See sind gesperrt. Ausnahmsweise einmal nicht wegen Corona, sondern weil ab April die Brutsaison der Seevögel beginnt und menschliche Störung unerwünscht ist. Nur an einer Stelle darf ich den Stichweg zum See nehmen. Und das lohnt sich. Er führt zu einem von hohem Schilf eingefassten Kieselstrand. Bei dem weiten Blick über den einsamen glitzernden See fühle ich mich sogleich in skandinavische Wildnis versetzt.

Zurück auf dem Hauptweg geht es noch ein Stück weiter durch den Busch, ehe gepflegte Grünanlagen die Rückkehr zur Zivilisation signalisieren. Das Badegelände des weiter landeinwärts gelegenen Ortes Eching ist erreicht, mittendrin das auffällig rote „Strandhaus Ammersee“, das mitsamt zahlreicher Strandkörbe im tiefen Corona-Schlaf liegt.

 

Von Eching nach Schondorf

 

Viel mehr bekommt man von Eching nicht mit. Parallel zum Ufer, durch die Bäume mit stetigem Blick auf den See, führt ein bequemer Schotterweg etwas erhöht durch die Natur weiter südwärts. Immer wieder führen kleine Stege mit rustikalen Bootshäusern zwischen Schilfbeständen in den im Gegenlicht blitzenden See hinein. Eine herrliche Kulisse. Ich bin nicht der einzige Läufer, der unterwegs ist, ansonsten um diese Tageszeit aber weitgehend allein auf weiter Flur.  

 

 
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Wer von Euch nun fragen sollte „Wie finde ich denn den richtigen Weg?“, dem kann ich nur ermunternd zurufen: Keine Sorge - Du wirst ihn ohne weiteres und intuitiv finden. Verlasse Dich auf Dein Gefühl und nehme im Zweifel den seenächsten Weg. Es gibt auch immer wieder Hinweisschilder für Radler und Wanderer, die Dir die Richtung und die Kilometer bis zum nächsten Ort weisen.

Erneut öffnet sich die Natur. Nach etwa 5 km ist die die Seepromenade Schondorfs erreicht. Als kleiner Park mit Spazierwegen ist sie entlang des Ufers angelegt. Ein großer massiver Steg führt  weit in den See hinein. Der Anleger der Ammersee-Linienboote ist ebenso verwaist wie der Rest des Areals. Hinter dem einladenden Restaurant „Seepost“ thront hoch über den Bäumen die St. Jakobskirche. Bereits aus dem 12. Jahrhundert datiert das trutzige romanische Gemäuer, ein gutes Beispiel dafür, welch lange Historie die Ortschaften am See haben. Besonders schön sind die weiten Schilffelder am Ende der Promenade.

Der schmalen Seestraße folgend verlasse ich Schondorf südwärts, die Leute beneidend, die hier am Ufer in Traumlage ihr Häuschen stehen haben. Schon bald wechselt der Asphalt wieder in Naturgrund. Von der Seestraße zweige ich ab auf den Uferweg – so die offizielle Bezeichnung und nicht nur die bloße Beschreibung. Fasziniert bin ich von der großen Zahl der Holzstege, die auch hier wie Tentakeln durch dichtes Ufergebüsch und Schilf in den See ragen. Immer wieder nett anzusehen ist es allemal.

 

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Rund um den Ammersee Kurzinfo:

Start/ Ziel: Parkplatz Restaurant Fischer, Landsberger Str. 80, 82266 Inning am Ammersee / Ortsteil Stegen

Strecke: Rundkurs um den Ammersee
Distanz: 45 km
Höhenunterschied: +/- 136 Meter
Untergrund: ca., 55 % Naturweg, 20 % Trail, 25 % Asphalt
Laufzeit: 5 bis 6,5 Stunden (ohne Pausen)


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Utting

 

Das nächste Zwischenziel, die wie Schondorf gut 4000 Einwohner zählende Gemeinde Utting, ist nicht weit.

Durch die im leichten Wind wiegenden Schilfhalme blickend entdecke ich den vor Anker liegenden, über 110 Jahre alten Schaufelraddampfer „Andechs“, benannt nach dem berühmten Kloster, Wallfahrtsort und vor allem Bier- und Hax‘nhochburg oberhalb von Herrsching. Im Dienst ist die „Andechs“ allerdings nicht mehr, sondern hat hier einen Dauerliegeplatz gefunden,  anders als das ebenso alte Schwesterschiff „Dießen“, das noch heute auf dem See herum schippert. Ein anderes Ammerseeboot übrigens, die ausrangierte (alte) „Utting“, hat insofern Berühmtheit erlangt, als es als Eventlocation, Bar und Biergarten nun auf einer Brücke mitten in München thront.  

 

 
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Vorbei geht es am Campingplatz Utting. Caravans und Boote drängen sich hier, aber wie ausgestorben wirkt der Platz im Übrigen. Geisterhaft klimpern nur die Seile an den Masten. Gleich darauf ist Uttings bekanntester und beliebtester Ausflugsspot erreicht: Die „Alte Villa“. Direkt am See, in eine wunderschöne Parklandschaft mit Wiesen und hohen Kastanien eingebettet, liegt das im Stil eines italienischen Landhauses erbaute alte Wirtshaus mit angrenzendem lauschigem Biergarten. In Reih und Glied stehen die fest installierten Tische und Bänke aus rohem Holz. Kitschiger kann ein Biergartenidyll gar nicht mehr sein. Ein Ort der Lebensfreude, aber im Moment bietet sich auch hier nur das Bild eines malerischen Stilllebens.

Nicht viel mehr los ist an der kurz darauf bei km 9 km folgenden Uferpromenade. Verwaist ist das Strandbad mit dem auffälligen hölzernen Ungetüm eines Sprungturms, verwaist der Bootsanleger der Linienboote, verwaist sind die zahlreichen privaten Stege, die Flotte der im Wasser ankernden Segelboote und die weiten Wiesen, sieht man von ein paar pausierenden Ausflüglern, zumeist per Mountainbike auf Seeumrundungstour, ab. Für mich als Läufer ist das Ganze und auch die Szenerie ungemein entspannend. Es gibt viel zu sehen und es  macht Spaß, frei und unbedrängt in langsamem Trab die sonnenbeschienene Kulisse der Promenade an sich vorüber ziehen zu lassen.  

Ein Stück weit noch führt der Weg durch die Wiesen am See entlang, dann heißt es für eine Weile Abschied zu nehmen vom Seeblick. Dießen ist das nächste größere, etwa acht Kilometer entfernte Zwischenziel. Unweit des Sees, aber durch die Natur blickdicht geschützt, geht es auf einem schmalen, ruhigen Asphaltsträßchen weiter. Via Seeholzstraße laufe ich schließlich parallel zum schnurgerade durch die Landschaft führenden  Bahngleis der Bayerischen Regiobahn. Schon durch die Rehskulpturen am Zugang fällt die Parkanlage des Künstlerhauses Gasteiger zur Linken ins Auge. Die Straße setzt sich nach einer Weile als Naturweg durch den Wald fort und mündet in einen Pfad, der sich zwischen den hohen Baumstämmen der Laubbäume hindurch schlängelt. Ein schöner Weg, der erstmals echtes Trailfeeling aufkommen lässt. Auch hier begegne ich ab und an vereinzelten Morgensportlern, die sich zumeist im Laufschritt oder auf dem Rad durch die Natur treiben lassen.

Eine einsame kleine Bahnstation entlang des einspurigen Gleises signalisiert, dass ich Riederau und damit einen ersten Außenposten Dießens erreicht habe. Der Waldweg setzt sich schließlich  wieder auf Asphalt über die unbefahrene, unter schattigen Bäumen dahin führende Seestraße fort. Die Landschaft öffnet sich, durch den Schilfgürtel blicke ich wieder auf und über den See. Inmitten der Einsamkeit am See thront direkt am Weg die Wallfahrtskirche St. Alban.

 

Via Dießen nach Fischen

 

Kurz darauf ist Dießen, mit 10.500 Einwohnern kaum kleiner als Herrsching, erreicht. Vom historischen Ortskern bekomme ich allerdings letztlich nichts mit. Vorbei an den sich am Ufer drängenden hölzernen Bootshäusern erreiche ich etwa 17 km nach dem Start den lauschigen Uferpark. Ein Netz von Spazierwegen mit Parkbänken erschließt das von hohen Laubbäumen bewachsene Wiesengelände. Durchschnitten wird der Park vom Mühlbach, der hier in den See mündet. Malerisch ist dieser Ort und herrlich der Blick über die zahlreichen teils verwinkelten Stege auf den See hinaus.

 

 
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Schon mehrfach habe ich diesen Park in der Vergangenheit besucht. Und so ganz anders erlebt: Bunt und laut, immer dann, wenn der berühmte Dießener Töpfermarkt abgehalten wurde. Alljährlich vier Tage lang ab Christi Himmelfahrt steigt das große „Happening“: Dann stellen an die 180 deutsche und internationale Werkstätten und Aussteller  Gebrauchs- und Kunstkeramik aus. Und Zehntausende strömen herbei. Einmalig sind Flair und Ambiente dieses Marktes und es ist kaum zu glauben, welch ausgefallende Kunst die Töpferei  hervorbringen kann. Bier- und Kaffeegärten, Fischverkauf und Grillstationen runden das Erlebnis ab. Doch Corona macht auch vor dem diesjährigen 20-jährigen Jubiläum nicht halt. Zumindest ist der Markt nicht ganz abgesagt, sondern gemäß dem Prinzip Hoffnung erst einmal in den September verschoben worden.

Mit dem Dießener Uferpark schließt sich der Vorhang für das Ammerseepanorama für ein Weilchen. Denn das gesamte, weiträumig als Naturschutzgebiet ausgewiesene Südufer einschließlich anschließender Sumpflandschaft ist nicht durch Wege erschlossen, sondern muss in gebührendem Abstand zum See in einem weiten Bogen umrundet werden. Und zwar auf der Straße. Die bevorstehenden neun Kilometer bis zum nächsten Streckenort Fischen sind dann auch eher etwas zum Kilometer- als zum Eindrückesammeln.

Angenehm zu laufen ist das erste Teilstück. Erst auf Asphalt, dann auf einem breiten Naturweg parallel zur Weilheimer Straße geht es durch eine voralpine Wiesenlandschaft mit Kuhgeläut und Alpenpanorama am Horizont geradewegs weiter gen Süden. Aus den Augen und auch aus dem Sinn ist hier der See.

An einer Straßengabelung muss man sich entscheiden: Die Radausflügler werden durch die Schilder auf eine kleine Nebenstraße gelotst, die weiter in Richtung Süden und damit nach Raisting führt. Überregional bekannt ist die Gemeinde durch die hier beheimatete Erdfunkstelle und die daher zahlreich und fast unwirklich in der lieblichen Landschaft thronenden Parabolantennen. Der Nachteil: Ein Umweg von mehreren Kilometern, wenn man einfach nur den See umrunden will. Nach Umweg ist mir heute aber nicht zumute, sodass ich mich für die direkteste Route um den See und damit die nach links direkt nach Fischen abführende Dießener Straße entscheide.  

Viel Verkehr ist heute nicht, aber die wenigen Autos und auch einige Rennradler sind doch recht flott auf der gut ausgebauten, übersichtlichen und wenig kurvigen Straße unterwegs. Das Laufen auf dem schmalen Seitenstreifen macht eingeschränkt Spaß, da es eben keinen gesonderten Weg gibt. Fußgänger sind hier eben nicht vorgesehen. Diese Umfahrungsstraße stellt gewissermaßen die Achillesferse einer läuferischen Seeumrundung dar. Wollte man hier eine Laufveranstaltung durchlotsen, müsste man zumindest eine Fahrspur sperren. Oder eben die weniger frequentierten  Mehrkilometer über Raisting in Kauf nehmen.

Ich lasse mich aber nicht weiter beirren und spule die Straßenkilometer einfach ab. Unterwegs quere ich beiden Arme der Ammer, die den Hauptzufluss zum See bildet, und passiere ganz nebenbei die Halbmarathonmarke. Eher monoton ist der Blick zur Linken über die teils steppenartig wirkende Wiesenlandschaft. Auch zur Rechten ist es nicht wirklich spannender.

Ein schönes Gefühl ist es daher, nach 26 km das Dorf Fischen zu erreichen. Der See ist hier zwar noch ein ganzes Stück entfernt, aber die Vorfreude auf das Wiedersehen steigt mit jedem Meter, den ich auf dem bequemen Rad- und Fußweg entlang der in Fischen nach links abzweigenden Herrschinger Straße durch die liebliche voralpine Landschaft zurücklege.

Allmählich sehe ich aus etwas höherer Perspektive die Wasserfläche näher rücken. Einen schönen Blick hat man von hier in Richtung Dießen, wobei der mächtige Klosterkomplex des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstiftes Dießen mit dem alles überragenden barocken Marienmünster besonders ins Auge fallen – Dinge, die mir am anderen Ufer laufend völlig verborgen geblieben sind.  

 

Am Ostufer entlang nach Herrsching

 

Etwa nach 28 km ist das Seeufer wieder erreicht. Nahe wie selten zuvor komme ich dem Wasser – und diese Nähe wird mich auf dem weit überwiegenden Teil der restlichen Strecke hinauf nach Stegen begleiten. Die verbleibenden 17 Kilometer sind zumindest für mich läuferisch der attraktivste Teil des Rundkurses: weniger Ortschaften und damit weniger “Zivilisation“, dafür noch mehr Natur, kaum Asphalt und auch richtige Trails. Aber der Reihe nach.

 

 
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Ein breiter und bequemer Naturweg schlängelt sich zunächst direkt dem Uferverlauf folgend am See entlang. So bequem und breit ist er, dass auch dem Corona-Heimkoller entfliehende Radlerkonvois, vor allem in Form von Familienverbänden, immer wieder den Weg okkupieren. Ein um das andere Mal laden kleine Strände und Buchten zum Verweilen ein. Auch ich nutze die Gelegenheit, auf einem ausgebleichten querliegenden Baumstamm sitzend meine erste große Pause mit Panoramablick über den See zu genießen. Ursprünglich ist die Natur und ursprünglich auch das Treibgut, das sich an den Stränden sammelt und so manchen animiert, die teils bizarr geformten, wettergeglätteten Teile aus Trockenholz aufzusammeln, vielleicht, um sie auf die eine oder andere Weise, etwa als Mobile, für daheim künstlerisch aufzubereiten.

 

 
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Die Kilometer fließen entspannt dahin und ich fühle mich beim Anblick der meist unberührten Uferstreifen immer wieder in entlegenere Gefilde versetzt. Langsam macht der Weg eine Biegung ostwärts, hinein in eine weite Bucht. Damit ist klar: Herrsching, der einzige größere Ort am Ostufer, kann nicht mehr fern sein. Aber es dauert dann doch eine Weile und erfordert die Überwindung kleinerer Hindernisse, etwa die Querung zweier Bäche über Steintritte, bis ich die Ausläufer der Ammersee-Kapitale im hinteren Bereich der Herrschinger Bucht erreiche.

 

Herrsching

 

Mit 10.700 Einwohnern ist Herrsching gerade so etwas, was in Deutschland als sogenannte „große Kleinstadt“ durchgeht. Aber mit seiner autofreien Flaniermeile am Seeufer mit Hotels, Lokalen und Cafes hebt sich Herrsching dann doch vom Rest der Orte am See und deren Strandpromenaden ab. In einem wesentlichen Punkt allerdings derzeit nicht: Denn auch hier ist alles geschlossen.

Alles? Nun ja: fast alles. Denn im Treppenaufgang zur Terrasse eines Restaurants am südlichen Zugang zur Promenade hat sich ein mobiler Eisstand der Gelateria del Corso postiert und wird vornehmlich von Ausflüglern freudig wahrgenommen. Das schließt mich ein. Und so sitze ich, mit mittlerweile 34 km in den Beinen, kurz darauf mit dicker Eistüte und eiskaltem Cappuccino aus der Dose in den Händen höchst zufrieden auf einem Steinvorsprung am Seeufer und genieße den kühlen, stillen Moment.

 

 
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Es fällt mir ein wenig schwer, mich zum Weiterlaufen zu motivieren. Der Wiedereinstieg über die  alleeartige Promenade ist dafür aber genau das Richtige. Mehr als irgendwo am See sind hier Menschen unterwegs, auch wenn dies nur ein Bruchteil derer ist, die zu normalen Zeiten bei so einem Wetter die Promenade bevölkern. Durch den Biergarten des Restaurants Seehof hindurch und vorbei am  großen Anlegesteg gelange ich direkt in den blumenrabattengeschmückten Kurpark. In dessen Zentrum ragt im farbenfrohen Zuckerbäckerfachwerk das Kurparkschlösschen mit seinen Türmen und Erkern empor. Im Schatten weit auslandender Weiden am Seeufer genießen die Besucher die entspannte Stimmung, ebenso wie entlang des nachfolgenden Seepromenadenweges.

Der breite Uferweg führt mich bis zur Rieder Straße, der ich in nordwestlicher Richtung folge. Erst später stelle ich beim Landkartenstudium fest, dass ich den schönen Seepromenadenweg noch nicht hätte verlassen müssen und so erst später auf die Rieder Straße gestoßen wäre. Zu spät – das nächste Mal weiß ich es besser. Wie dem aus sei: Der Rieder Straße muss man in jedem Fall bis zum Ortsausgangsschild von Herrsching mit dem Hinweis „Breitbrunn 4 km“ folgen. Auf dieses Schild muss man achten, denn ohne dass es einen Wegweiser gäbe biegt etwa 150 Meter danach unvermittelt ein Pfad nach links in den Wald ab. Den sollte man nicht verpassen.

 

Trailabenteuer Ammersee

 

Auch wenn Naturwege den Lauf um den Ammersee dominieren, so wird das Herz eines wahren Trailrunners wohl doch für anderes Terrain schlagen. Wer so gepolt ist, der kommt nun auf seine Kosten. Denn ab dem Abzweig schlängelt sich ein wurzeliger Pfad über Stock und Stein durch eine scheinbar weltentrückte Landschaft aus knorrigen Bäumen und undurchdringlichem Buschwerk. Konzentration ist gefragt, dabei nicht zu Fall zu kommen. Froh darüber, dass ich meine Trailschuhe anhabe, bin ich vor allem dort, wo der Weg zum Schlammteppich mutiert.

Auch wenn der See stets nahe ist, so wird er zunächst nur ab und zu sichtbar und ist auch dann durch meist dichtes Schilf vom Ufer abgeschirmt. Einige einsame Stege führen in den See hinein, die so einsam aber nun auch nicht sind, wie die sich vereinzelt in die Einsamkeit verirrenden Wandersleute zeigen. Traumhaft ist der Lauf durch die Natur, Kilometer um Kilometer geht es so dahin.

 

 
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Im weiteren Verlauf zunehmend ist die optische Präsenz des Sees. Zwischen herrlich blühenden Bäumen und dem mal schmalen, mal breiten Schilfgürtel, mitunter auch durch das Schilf hindurch,  windet sich der Pfad am Ufer entlang. Die zunehmende Zahl am Ufer relaxender und sich sogar in das eiskalte Wasser wagender Menschen sowie ein weiterer großer Bootssteg zeigen nach etwa 40 km schließlich, dass Breitbrunn erreicht ist. Vom Ort selbst bekomme ich nicht viel mit. Der Trail setzt sich hart entlang des Seeufers fort.

Der schmale Weg offenbart auch weiter die ganze Schönheit der Ammerseer Küstenlinie. Weit reicht der Blick über das Wasser, bis ganz in den Norden nach Stegen. Wieder zahlreich sind die Stege geworden, doch nur ab und an erhasche ich einen Blick auf eines der beeindruckenden Anwesen am See. An keiner Stelle jedoch wird der Uferweg hiervon unterbrochen. Aufgrund zahlreicher in den See führender Rinnsale ist der Pfad immer wieder eine sumpfige Angelegenheit. Ausweichen ist nicht immer möglich, sodass sich die spannende Frage stellt, wie tief der „Batz“, in den ich trete, wohl sein mag.   

Bei Buch muss ich mich ein paar Mal unter Holzstegen hindurch ducken, aber ich weiß: Das Finale steht bevor. Es führt über den sogenannten Siebenbrückenweg, einen überaus beliebten und auch mir vertrauten Spazierweg, der von Stegen aus hoch über dem Ammerseeufer durch den Laubwald dahin führt. Zum Einstieg hält der Weg demgemäß einen kräftigen Anstieg bereit, bis ich den profilierten Höhenweg erreiche. In dessen Verlauf sind diverse, von Bächen ausgewaschene kleine Schluchten zu überwinden, über die schmale Knüppelsteige führen. Ein herrlicher Weg, nicht nur wegen seiner Beschaffenheit, sondern auch wegen des immer wieder eindrucksvollen Blicks von oben auf den See hinab, vorausgesetzt, die Bäume geben diesen Blick frei.

 

 
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Ganz allein habe ich den Weg nicht für mich, aber wenn ich bedenke, was ich für Läuferkarawanen einschließlich Kinderwägen in der Vergangenheit schon erlebt habe, habe ich heute geradezu freie Fahrt. Geht es zunächst in stetigen Auf- und Ab-Passagen dahin, flacht der Weg schließlich langsam ab und mündet in einen breiten Spazierweg. Dieser passiert das das Wiesengelände des Badestrandes von Stegen und läuft direkt vor den Biergärten Stegens aus. Ich bin erstaunt, dass der Strand mittlerweile doch von einigen Besuchern bevölkert wird, die von hier aus das Panorama über den See inklusive Bergblick genießen.

 

Im Ziel

 

Ein geradezu erhabenes Gefühl ist es, wieder in Stegen einzulaufen. Zu gerne hätte ich mir zur bestandenen Seeumrundung ein kühles Glas Bier gegönnt. Aber in Zeiten wie diesen muss ich schon froh sein, überhaupt an der frischen Luft Sport treiben zu dürfen. So genieße ich still meinen Erfolg und betrinke mich am Auto, das ich an einer Alten Brauerei Stegen – einem weiteren unweit des Seeufers naturnah gelegenen originellen Biergarten-Spot – geparkt hatte, mit einer Flasche Mineralwasser.

Ich habe mir einen Traum erfüllt. Aber ich bin mir sicher, dass ich diese Umrundung nicht zum letzten Mal gemacht habe. Irgendwann findet jede Epidemie ihr Ende. Und dann hoffe ich, das besondere Landschafts- und Lauferlebnis, das die Ammerseerunde bietet, auch mit einem besonderen Genusserlebnis verbinden und die so herrlich gelegenen Lokalitäten - unterwegs wie im Ziel - angemessen integrieren zu können. Vielleicht hat ja der eine oder andere von Euch, der bzw. die sich durch meinen Bericht bis hierher durchgekämpft und Gefallen an dieser Idee gefunden hat, Lust dabei zu sein. Dann melde Dich bei mir. Gerne starten wird  dann gemeinsam zu einer Runde um den Ammersee.

 

 


 
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