Vor genau 10 Jahren ging ich spontan in Konzen an den Start und finishte meinen 18. Marathon. Es war mein Erstversuch mit Höhenmetern (immerhin 745) und ich habe gewaltig gelitten. So sehr, dass ich erst heute wieder in der schönen Eifel starte.
Die Vorzeichen könnten kaum schlechter sein. Mein letztes Rennen musste ich mit nie gekannten Schmerzen im Knie abbrechen und erst am Freitag hatte ich endlich den lang ersehnten Termin beim Facharzt. Kaputt ist nichts, meinte der Doc. Er riet mir allerdings, weniger und dafür etwas langsamer zu laufen. Gesagt getan, Ummeldung vom 56K auf den Marathon, und damit ich nicht in Versuchung komme, entscheide ich mich für die Genuss-Variante mit 8:15h Zeitlimit.
Das Venndorf Konzen mit etwas über 2000 Einwohner liegt in der Eifel direkt an der belgischen Grenze. Die geplante Startzeit mit 6:15 Uhr liegt nur 15 Minuten hinter der des 56K, die 70K Ultras dürfen schon um 5:15 Uhr auf die Strecke. Um 8 Uhr folgen die Marathonis und Staffeln. Durch diese Verteilung ist man eigentlich nie alleine unterwegs. Die Abholung der Startnummer erledige ich noch am Samstagabend, schnell und unkompliziert findet auch die Ummeldung statt. Am Sonntag wäre dies ab 4:30 Uhr möglich.
Zum schicken Veranstaltungs-Shirt gibt es noch einen prall gefüllten Starterbeutel. Das Ganze ist für Frühbucher ab 39 € zu haben. Auf dem Dorfplatz findet gerade die Pasta-Party statt, bereits erledigt sind die Läufe und Siegerehrungen der kurzen Distanzen vom 300m Bambini bis zum 10 km Eifel Cup Lauf. Damit für jeden etwas angeboten wird, gibt es auch noch 4,2km und 12,4 km Walking und eine geführte MTB Tour über die original 42,2 km Marathon Strecke.
Race Day! Die Parkplätze sind um 5:45 Uhr schon alle voll, weit draußen finde ich endlich einen Platz. Wir haben angenehme 10 Grad, angekündigt sind bis Mittag maximal 20 Grad. Rund 300 Starter für den Genuss-Marathon werden angekündigt, für den späteren Marathon sind es rund 400. Zögerlich beginnt die Startaufstellung nach Aufforderung des Sprechers, einige herausragende Athleten werden noch erwähnt, so auch Willem Mütze der heute seinen 37. Start in Monschau vornimmt und die Hall-of-Fame damit anführt. Mit fast 70 Jahren kämpft er mit den Cut-Off Zeiten und durfte bereits um 5:15 Uhr mit den 70K Ultras starten. Die Zeitnahme wird 5 Minuten vor Startzeit scharf geschaltet, hier laufen wir noch mit dem Champion Chip. Pünktlich fällt der Startschuss und wir starten unsere Reise.
Wie bei einem Genuss Marathon zu erwarten, geht es eher gemütlich los. Viele sind als Wanderer unterwegs und es heißt, sich einen Weg durch die vielen Stöcke zu bahnen. Schnell haben wir Konzen auf einem geteerten Wirtschaftsweg verlassen und nach einem Kilometer hat sich das Feld schon entzerrt. Es geht tendenziell bergab und man kann es gut rollen lassen. An einem Trailstück staut es sich auf, es geht einige Meter über feuchten und aufgeweichten Waldboden gespickt mit Steinen abwärts. Unten angekommen, haben wir wieder Teer unter den Schuhen und weiter geht’s.
Über Bürgersteig und Straße laufen wir an der Monschauer Senfmühle, erbaut 1882, vorbei und folgen dem Laufenbach in Richtung Monschau. Über der Stadt thront die Monschauer Burg. Es geht auf Kopfsteinpflaster durch die Stadt, man fühlt sich wie in einem Museum zwischen den alten Häusern. Monschau besitzt 330 denkmalgeschützte Bauwerke und wird oft als Kulisse für Filme und Serien genutzt.
Unten angekommen, leuchtet schon das rote Haus direkt neben der Kirche. Es erinnert an die Blütezeit, als 1760 die Textilindustrie hier ihren Höhepunkt erlebte. Hier fließt der Laufenbach in die Rur, welcher wir jetzt weiter folgen. Sie entspringt im Hohen Venn etwa 10 km tief in Belgien und fließt nach164km bei Roermond in die Maas. Erst um 1900 hat man dem Fluss das „h“ in der Mitte gestrichen, um eine Unterscheidung zum bekannteren Rheinzufluss Ruhr zu bekommen. Im weiteren Verlauf wird sie im Rursee seit 1938 gestaut und ist volumenmäßig der zweitgrößte Stausee Deutschlands. Der erste Verpflegungspunkt ist erreicht, es gibt Wasser und Iso. Durch die angenehm kühle Temperatur und stetiges Bergablaufen haben viele hier noch keinen Bedarf und laufen direkt weiter.
Ausgangs Monschau folgen wir 2,5 km lang der Rur und es geht weiter hinunter. Bei km 7,7 empfängt uns der 2. VP mit größerem Angebot, es gibt zusätzlich Tee, Obst, Traubenzucker und Riegel. Hier hat auch das gemütliche Bergab-Cruisen ein jähes Ende. Bis hier haben wir 170 Höhenmeter abgegeben, aber mit dem Überqueren der Kluckbachbrücke bekommen wir einen kurzen aber heftigen Anstieg präsentiert.
Profiliert, aber angenehm zu laufen, geht es nach Widdau, wo wir bereits mehr als 10 km hinter uns haben und ein weiterer VP auf uns wartet. Es geht noch einmal bergab ins Holderbachtal um dann, laut Aussage des Organisators, bei km 12 eigentlich erst mit dem Monschau Marathon zu beginnen. Auf den nächsten 2 km geht es auf einem Waldweg 160 Meter nach oben! Gut platziert ist der nächste VP mit reichhaltigem Buffet, dazu dröhnt Musik aus den Boxen. Das schlimmste Stück ist überstanden, es rollt rund 1,5 km angenehm leicht bergab. Dann der nächste lange Anstieg. Über den VP Rohren geht es rund 1 km bergauf zum Brather Hof. Hier ist der zweite Staffelwechsel und unser nächster VP, welcher zusätzlich mit Cola ausgestattet ist. Leider haben die Duisburger Kollegen Henning und Jürgen ihr Bier zu gut versteckt und ich gehe leer aus.
Die Halbzeit ist geschafft und hinab ins Fuchsbachtal rollt es wieder rund 1,5 km sehr angenehm. Im folgenden Abschnitt geht es wieder etwas steiler nach oben und wir verbringen die nächsten Kilometer im Naturschutzgebiet Perlenbach-Fuhrtsbachtal. Hier lassen wir den belgischen Galgenberg links liegen und laufen direkt an der Grenze entlang. Der nächste Anstieg führt uns hinauf zum Gut Heistert und raubt mir die letzten Kräfte.
Ich höre plötzlich Lautsprecherdurchsagen und zweifele an meiner Verfassung, als sich von hinten ein Fahrzeug mit Streckensprecher nähert, welcher den ersten Marathoni ankündigt. Es ist Markus Mey, die erste Hälfte mit einem jungen Australier kämpft, sich dann aber absetzen kann.
Weiter leicht nach oben bis wir bei km 28 an Peter Borsdorffs „running für kids“ Treff erneut verpflegt werden. Kekse und Gummibärchen für die letzten Kilometer werden angepriesen. Andre Collet (Startnummer 1), der vielfache Gewinner des Monschau Marathons, lässt es heute ruhig angehen und läuft einen persönlichen Genuss-Marathon.
Wenig später sind wir in Kalterherberg, traditionell eine Stimmungshochburg auf Citymarathon-Niveau . Es scheint, dass bis zur Eifeldom genannten St. Lambertus Kirche mehr Leute Spalier stehen, als der Ort Einwohner hat.
Es folgt das zweite lange Gefällstück des Tages, die nächsten 5 km geht es fast nur bergab bis zur Nobertuskapelle. Hier dürfen sich am VP die 70K Ultras auf ihre zweite Schleife begeben und noch einmal 10 km auf einer Runde Richtung Monschau sammeln. Wir Marathonis bleiben auf der Straße und kommen zum Benediktiner-Kloster Gut Reichenstein, welches sich hinter Bäumen versteckt. Schier endlos lang geht es auf einer Straße vorbei am Leyloch immer aufwärts bis nach Mützenich. Hier werden wir mit Live Musik empfangen.
Es geht bei km 37 durch Weilersbroich rechts von Mützenich entlang, bei km 39 gibt es am VP den letzten Kick mit Honig, dann beginnt auf einem trailigen Feldweg der endgültig letzte Anstieg hinauf nach Konzen. Viele Zuschauer warten am Streckenrand, die letzten Meter werden zum Genuss und man vergisst die Leiden der letzten Stunden. Jeder Läuferin wird kurz vor dem Ziel eine rote Rose überreicht, damit ist ein Lächeln auf der Ziellinie garantiert. Die hübsche Medaille aus Schiefer bekommen alle Teilnehmer, ebenso Getränke und Obst.
Ein tolles Erlebnis liegt hinter mir. Am Freitag noch die Unsicherheit, ob mein Doc mich starten lässt. Jetzt, mit 42,2 km und 730 Höhenmeter in den Beinen, verspüre ich mehr Dankbarkeit als sonst, Finisher zu sein.
Die Eifel ist toll, wenn man hoch und runter mag. Denn ohne ordentlich Höhenmeter geht hier nichts. Es waren traumhafte Wetterbedingungen, die Orga ist perfekt bis ins kleinste Detail und die Strecke ist ein schöner Landschaftsmarathon mit einigen Traileinlagen. Warum war ich eigentlich 10 Jahre lang nicht hier?
Marathon
Männer– 264 im Ziel
2:50:43 – Markus Mey – Milers Colonia 2020
2:54:23 – William Pethick
2:58:46 – Oliver Baumert - #iamsport
Frauen – 66 im Ziel
3:02:47 – Margit Klockner
3:19:09 – Anika Fels – Running Crew Münster
3:26:30 – Bianca Wergen– TuS Schmidt
Genuss Marathon – 266 im Ziel
Männer
3:43:19- Felix Gimkiewicz – Triathlon Steckel Cologne
3:44:43 – Roland Kops – TARGET e.V.
3:51:53 – Ralf Nüttgens – Erdinger Active Team
Frauen
3:56:20 – Sabine Becker – Kinderberg International e.V.
4:00:25 – Sophia Gostek – TV Konzen
4:15:11 – Sandra Rieke – TuRa Brüggen 1923 e.V.
Ultra 56k
Männer – 70 im Ziel
3:42:13 – Raoul Jankowski – Braunschweiger Laufclub = neuer Streckenrekord!
4:15:57 – Stephan Weißner – DT Ronsdorf 1860 eV
4:25:21 – Christoph Thiele – Teh Cycle Pit Club
Frauen – 28 im Ziel
4:33:10 – Rebecca Bein – Triathlon Steckel Cologne
4:41:23 – Urdter Herrebout
4:54:04 – Heidi Kleiser-Winterhalder – TEAM BLAU
Ultra 70k
Männer – 41 im Ziel
5:42:54 – Thomas Rubel – TV Konzen
5:51:11 – Julian Eichen – TSV Freytal
6:02:54 – Benjamin Kraus
Frauen – 15 im Ziel
5:48:04 – Joanna Tallmann – Selbstläufer Altenahr
6:20:46 – Mascha Rondhuis – Loopgroep Nienoord
6:22:32 – Silvia Felt – Move on Emotion-Ideen die bewegen