Der Monschau-Marathon gehört zu den Traditionsveranstaltungen und als Landschaftslauf eilt ihm ein geradezu sagenhafter Ruf voraus. Allerdings ist er wegen des recht anspruchsvollen Streckenprofils und der Hitze, die am Veranstaltungswochenende im August oft zu verzeichnen ist, auch gefürchtet
Ich kenne die Eifel, insbesondere auch den belgischen Teil (Hohes Venn) aus meiner IVV-Vergangenheit ganz gut. Die Marathon-Märsche in Trois Points, Stavelot, Sourbrodt, Xhoffraix, Malmedy, Spa, Hünningen-Büllingen, Weywertz und der 100er in St.Vith sind mir nicht nur in guter Erinnerung. Schlechte Erfahrungen habe ich in dieser Region immer dann gemacht, wenn das Wetter nicht mitspielte. Bei Regen sind die Wege durch die Wälder und Wiesen nämlich meist sehr matschig und tief und nur schwer zu begehen.
Und Regen ist für Sonntag vorher gesagt. Also keine guten Aussichten. Nachdem ich letztes Wochenende pausiert hatte, kribbelt es mir schon mächtig in den Beinen und ein Rückzieher kommt auch deshalb nicht in Frage.
Auf der Fahrt nach Monschau werden die Befürchtungen bereits bestätigt. Es regnet in Strömen. Es hört aber auf, als ich in Konzen an komme. Der Ort hat grad mal gut 2.000 Einwohner und wenn hier nicht der Start zum Marathon wäre, würde es mich wohl nie hier her verschlagen. Gleich neben der B 258 ist die Schule und das große Veranstaltungszelt, wo alle notwendigen Einrichtungen vorhanden sind. Nicht weit weg davon werden den Anreisenden Parkplätze zugewiesen. Meist auf Wiesen. Damit habe ich bei Regenwetter auch so meine Erfahrungen gemacht und such mir lieber eine Stellfläche in einer Seitenstraße.
Das Team des Monschau-Marathon ist eingespielt und der Service sprichwörtlich. Das Frühstücks-Buffet lässt keine Wünsche offen. Die Damen sind äußerst freundlich und hilfsbereit. Im Nu sind auch die Startnummern ausgegeben. Die Nachmeldungen halten sich verständlicherweise etwas in Grenzen. Die Klamotten können deponiert werden und dann geht’s ab Richtung Kirche zum Startplatz. Wegen der oft großen Hitze wird bereits um 8.00 Uhr gestartet. Wanderer und Walker können schon zwischen 6.00 und 7.15 Uhr auf die Strecke. Auch das nenne ich sehr „Kunden orientiert“ und vorbildlich.
"Was machst Du bei dem Sauwetter hier?". Jürgen stellt mir diese geistreiche Frage. Ich hab ihn das letzte Mal vor drei Jahren in Bornem beim 100er getroffen. Da kommt er jetzt gerade wieder her und hat noch immer nicht genug.
10 Minuten vor dem Start in der Nähe der Kirche setzt dann der Regen wieder ein. Zum Glück habe ich mich für meine wind- und wasserdichte Colibri entschieden. Der Regen ist nämlich heute das eine, die Temperaturen das andere Übel. Mehr als 12 Grad hat es bestimmt nicht und mit kalten Winden ist hier auch zu rechnen.
Pünktlich geht es los. Zum ersten Mal werden auch Zug- und Bremsläufer eingesetzt. Ich brauch keinen, ich bin froh, wenn ich irgendwie durchkomme. Nie und immer hätte ich gedacht, dass bei dem Sauwetter so viele Leute auf eine solche Strecke gehen. Über 1.500 sollen es gewesen sein. Das spricht deutlich für die Qualität Veranstaltung.
Der geteerte Weg ist recht schmal. Links sind Hecken und ein Zaun, rechts die Wiese. Wer’s eilig hat, überholt auf der Wiese und hat gleich nasse Füsse. Die meisten bleiben im Feld. Sie sind Stammläufer und kennen sich aus. Man hört es aus den Gesprächen. „Weißt Du noch ...?“. Meist ist dann von Hitzeläufen die Rede. Das ist mein Problem heute nicht.
Plötzlich stockt das Feld. Nichts geht mehr. Es geht kurz steil bergab. Es ist rutschig und einige sind (über)vorsichtig. Kein Problem. Hier findet sich keiner, der heute seine persönliche Bestzeit unterbieten will. Das ist auch für die Atmosphäre ganz positiv. Keine Hektik, kein Geremple, kein Streß.
Immer abwärts laufend erreichen wir das malerische Monschau. Der Name kommt übrigens aus dem Französischen Montjoie, heißt Freudenberg und wird bereits 1198 erwähnt. Typisch sind das schwarze Fachwerk, die Schieferdächer und das ebenfalls schwarze Straßenpflaster.
Wir laufen durch die engen Gassen mit den alten Fachwerkhäusern. Trotz des Regens stehen ein paar Leute an der Straße und klatschen. Ich will meinen Fotoapparat nicht ruinieren und lass ihn in der Tasche. Schade, denn Motive gibt es genug.
Absoluter Hingucker ist das Rote Haus, das 1752 von dem Tuchmacher und Kaufmann Johann Heinrich Scheibler als Wohn- und Geschäftshaus erbaut wurde. Es ist noch heute komplett eingerichtet in den Stilen Rokoko, Louis-Seize und Empire und als Museum jedem zugänglich.
Wir laufen der Rur entlang und haben bei ungefähr km 7 bereits die zweite Verpflegungsstelle. Es gibt alles, was der Läufer braucht: Wasser, Ultra-Buffer, Tee (später auch Cola), Riegel, Bananen und Äpfel. Rechts geht es über die Kluckbachbrücke und dann auf der anderen Seite ein kurzes Stück auf einem schmalen Steig steil nach oben. Auf einem breiten Weg geht es dann moderat steigend weiter, vorbei an der Köhlerklause, einer schönen Rasthütte für Wanderer und Ausflügler.
Ich glaube, es hat aufgehört zu regnen. Allerdings tropft es jetzt hier im Laubwald von den Blättern und macht so keinen Unterschied zum Regen. Das Wasser läuft rechts und links in den Fahrspuren als braune Brühe abwärts. Alle laufen auf der matschigen Grasnabe in der Mitte des Weges. Weil zum Überholen durch das Wasser gelaufen werden muss, überleg ich es mir das eine oder andere Mal und bleib lieber hinten, so lange ich den Laufschritt beibehalten kann.
Hölderbachtal heißt die Gegend jetzt hier. Wir sind bei km 12 und jetzt wird es richtig steil. Ich geb’s Laufen auf und gehe. Zwei Kilometer geht das so, dann geht’s wieder runter. Auf den nächsten 4 Kilometern steigt es moderat weiter an und auch für mich ist dieser Abschnitt mit viel Asphalt sehr gut zu laufen. Ich betrachte mir die Beine der Läufer vor mir. Sie sind bis oben hin mit Dreck bespritzt. Ein Blick auf meine Waden - sie sehen genauso aus: wie eingegipst.
Am Brather Hof sind wir an der B 258 und bei Km 20. Viele Läuferinnen und Läufer werden hier von ihren Angehörigen empfangen und verpflegt. Eine ganze Autoschlange steht entlang der Straße. Auch die Windräder hier zeugen davon, dass es eine windige Gegend ist. Ich bin jedenfalls froh an meiner Jacke. Wir überqueren die Straße und sind dann gleich an einer Verpfleungsstelle.
Schon eine Weile fällt mir ein Läufer auf, wahrscheinlich wie ich M 55. An den Verpflegungsstellen nimmt er sich ein Getränk und trabt weiter, ohne auch nur einen Moment stehen zu bleiben. Weil ich immer in Ruhe was trinke und esse und etwas schneller laufe als er, überhole ich ihn jetzt zum wiederholten Mal. Wir kommen ins Gespräch. Es ist Wolfgang Bender. Er macht heute, bei diesen widrigen Bedingungen und auf dieser nicht einfachen Strecke, seinen ersten Marathon.
Gleich ist die Hälfte der Strecke erreicht. Ich trau meinen Augen nicht. Knapp 2 ½ Stunden bin ich unterwegs, obwohl ich fast alles gelaufen bin. Aber halt langsam. Macht ja nichts, ich habe heute nichts mehr vor. Trotz des Regens und der teilweise sehr schlechten Wege kommt es mir nicht in den Sinn, meine Entscheidung zu bedauern. Nur manchmal, wie jetzt im Naturschutzgebiet Fuhrtsbachtal, bedauere ich es, dass nicht die Sonne scheint. Ich könnte die herrliche Landschaft dann noch mehr geniessen.
Es geht ständig auf und ab. Laub- und Nadelwälder wechseln sich mit Viehweiden ab, die meist mit Stacheldraht, Hecken und Büschen eingezäunt sind. Wir sind im Perlbachtal und laufen auf einer Teerstraße aufwärts zum Gut Heistert (km26,5) mit einer großen Verpflegungsstelle. Wie überall werden den Läuferinnen und Läufern die Getränke und Obst- und Riegelstückchen entgegen getragen. Bis die Tische erreicht werden, ist jeder schon versorgt. Einfach toll.
Es dauert nicht lange, und der nächste Ort (km 29) wird erreicht. Nachdem der Regen für eine halbe Stunde aufgehört hatte, fängt es jetzt wieder an. Trotzdem stehen Leute unter Schirmen an der Straße. Ich frage nach dem Ortsnamen und kriege zu Antwort: „Ja, wie kann man dat nit wissen – Kalterherberg“. Klar, hab ich schon mal gehört.
Man merkt es gleich, die Menschen hier sind „Marathon erfahren“. Viele reichen Getränke oder Obst. Von etlichen „Monschau-Veteranen“ höre ich, dass der 2.500-Einwohner-Ort normalerweise ein richtiges Stimmungsnest ist. Ich kann verstehen, dass sie sich heute etwas zurück halten.
Der Ort zieht sich lange hin. Dann geht es links ab und bei den letzten Häusern (km 31) rechts auf eine leicht abfallende Teerstraße. Die letzten Kilometer sind wirklich sehr gut zu laufen und entschädigen für manche schlechte Passage.
Die Strecke verläuft jetzt entlang der unkontrollierten Rur, wir passieren die Steinbrücke der alten Vennbahn, Gut Reichenstein und sind dann auf einer Fahrstraße. Wir laufen unter dem Vennbahn-Viadukt (km 34) durch, erreichen danach das Hotel Leyloch mit dem Getränkestand und laufen weiter auf teilweise ziemlich steiler Straße nach Mützenich. „Monschauer Heckenland“ heißt die Gegend hier. Ich sehe sofort, woher der Name kommt.
Jetzt kommt die letzte Verpflegungsstelle. „Honig für den letzten Kick“ gibt es hier. Das hatte ich auch noch nicht. Ich bin ja ziemlich am Ende des Läuferfeldes. Aber auch die Leute hier sind noch nicht müde. Jeder wird freundlich und mit Applaus begrüßt und umsorgt.
Wieder geht es abwärts zur Rochusmühle und zum Troisdorfer Weiher (km 41). Dann kommt noch einmal ein beschwerlicher Anstieg auf schmalem und matschigem Pfad. Oben angekommen, sehe ich schon den Kirchturm. Gleich ist es geschafft. Ich höre, wie der Sprecher die Namen der Finisher verkündet. Noch ein kurzes Stück durch den Ort und ich bin selber im Ziel.
Übringens, ein paar Minuten später kommt Wolfgang Bender, der Debütant, ins Ziel. Herzlichen Glückwunsch.
Auf dem Schulhof hat sich während meiner Abwesenheit einiges getan. Verkaufsstände mit Schuhen und Klamotten sind aufgebaut, ein großes Zelt mit Grill und der für die Region typische „mobile Biertresen“. Auf der anderen Straßenseite gibt es bei der Sparkasse die Urkunden. Wer nicht warten will, besorgt sie sich aus dem Internet.
Trotz des Wetters ist noch einiges los. Allerdings „kein Vergleich zu den Jahren davor“, wie mich Insider informieren. Wie gesagt, die meisten hier sind Stammläufer. Ich komme auch wieder. Wenn die Sonne scheint.
Hier schon einmal als Appetitanreger ein paar Bilder von Monschau bei schönem Wetter.
Landschaftlich überaus reizvoller Rundkurs, aber auch anspruchsvoll. Besonders die erste Hälfte es in sich.
Medaille, Urkunde, T-Shirt
Alles bei der Schule konzentriert: Startnummernausgabe, Duschen, und Kleiderdepot. Parkplätze gibt es ausreichend in unmittelbarer Nähe. Zum Start bei der Kirche sind es ein paar hundert Meter.
Dieses Jahr aufgrund des Wetters wenig Leute an der Strecke. Ansonsten soll es in den Ortschaften hoch hergehen.