Was haben der Baldeneysee, Bräunlingen, Hornisgrinde und Monschau gemeinsam? Wenn man so will, wurde dort der Marathon „erfunden“.
Nicht in New York oder Berlin, wie viele glauben. Am Anfang, vor 30, 40 Jahren, ging man nämlich zum Laufen in den Wald und nicht in die Fußgängerzone. Wenn man sich die Entwicklung so anschaut, wundert es einem schon, dass es diese Marathon-Urgesteine überhaupt noch gibt. Ein Blick auf die Teilnehmerzahlen verrät nämlich, dass die Zeiten ausnahmslos schon besser waren.
Zwar gibt es einen Trend hin zu diesen rustikalen Rennen, aber für die Masse sind die städtischen Spektakel offensichtlich interessanter. Der Rennsteig ist da die Ausnahme. Aber auch diverse Bergmarathons melden Teilnahmerekorde, Trailrunning wird immer populärer und extreme Ultraläufe schießen wie Pilze aus dem Boden. Auf solche Abenteuer muss man sich aber vorbereiten. Idealerweise tut man das in anspruchsvollem Gelände. Zum Beispiel in der Eifel, in Monschau.
Dieses Jahr findet der Monschau Marathon berits zum 34. Mal statt. Es ist ein regionales Großereignis. In Konzen, dem Veranstaltungsort, herrscht Ausnahmezustand. Wiesen werden zu Parkflächen oder zum Zeltlager, Privatwohnungen zur Pension und Gasthöfe sind wenigstens einmal im Jahr ausgebucht. Der Ansturm wäre noch größer, gäbe es die traditionelle Rockfete zum Auftakt am Samstag und nicht schon am Freitag. Zwei Übernachtungen sind den Auswärtigen halt doch zu viel.
Das sportliche Programm ist auf drei Tage verteilt. Am Freitag gibt es einen Fun Run und im Anschluss die erwähnte Rockfete, am Samstag gibt es eine Mountainbike-Tour auf der Marathonstrecke, ein 10 km Nordic Walking und einen Mini-Marathon. Der Sonntag steht dann ganz im Zeichen der Marathonis. Schon um 6.00 Uhr (bis 7.15) können Wanderer, Walker und gemütliche Läufer individuell starten. Um 8.00 Uhr starten das Hauptfeld und die Staffelläufer. Das ist gut, denn es hat hier schon so manche Hitzeschlacht gegeben.
Hat man in Konzen einmal einen Parkplatz gefunden, ist der Rest schnell erledigt. Startnummernausgabe, Gepäckdepot, Caféteria und Festzelt sind auf dem Dorfplatz. Gestartet wird ein paar hundert Meter weiter am Ortsrand.
In der Nacht hat es lange und kräftig geregnet. Mir war schon Angst und Bange. Ich fürchte mich nämlich vor Wasser mehr als vor der Sonne. „Keine Angst, die 42 Kilometer sind noch da“, sagt der Sprecher. Und: „Ob es trocken bleibt, weiß ich nicht. Das hängt vom Wetter ab.“ Der Mann ist gut.
700 Läuferinnen und Läufer mögen es sein, die geduldig im Nieselregen warten. In guten Zeiten waren auch schon mehr als doppelt so viele am Start. Aus einem Seitenweg kommen Andrè Collet, Helmut Peters und Markus Werker mit den Startnummern 1 – 3 vom Warmlaufen. André Collet hat schon viermal gewonnen. Wenn nicht mal ein Kenianer kommt, gewinnt er wohl auch die nächsten Jahre.
Es wird keiner kommen. Geld gibt es nicht zu gewinnen und auf einen Gutschein vom Fitnessstudio sind die nicht scharf. Lokalmatadore sind die Favoriten, auch so ein sympathisches Merkmal dieser Läufe auf dem Land. Gesichter, die man sich merkt.
Als der Startschuss fällt, rennt nur die erste Startreihe so richtig los. Die anderen starten verhalten, denn der Teerweg wird gleich noch schmaler und dann geht es einen rutschigen Trampelpfad steil nach unten. Wer nicht aufpasst, kann hier bereits sein Rennen beenden. Ist man aus dem Wald, geht es erst so richtig los. Die Straße ist breit und führt leicht abwärts nach Monschau.
Das Eifelstädtchen, das dem Marathon den Namen gibt, hat nur etwa 1700 Einwohner. Von allen Ortsteilen, die zusammen auf ungefähr 12.000 Einwohner kommen, ist es fast der kleinste. Aber Monschau ist ein Juwel. Bis 1918 hieß die Stadt Montjoie (Freudenberg), davor hatte sie wechselnde Namen. Als Läufer nimmt man nur einen Bruchteil der Sehenswürdigkeiten, zu denen alleine 200 denkmalgeschütze Häuser, meist mit uraltem Fachwerk, gehören, wahr. Am auffälligsten sind noch das Haus Troisdorff (1783), das Rote Haus der Tuchfabrikantenfamilie Schreiber von 1768 (heute Museum) und die ev. Stadtkirche (1787), weil man direkt vorbei oder darauf zuläuft und über uns die Burg Monschau aus dem 13. Jahrhundert.
Auf dem schwarzen, wegen der Nässe glänzenden Pflaster macht man automatisch langsam, man vermutet Rutschgefahr. Aber alle nehmen die engen Kurven durch die schmalen Gassen unfallfrei. Nur ein paar Zuschauer sind an diesem trüben Sonntagmorgen in der Stadt, die Straßencafés und Kneipen sind verwaist. Ein flüchtiger Blick von der Brücke auf die Häuserreihen an der Rur - Romantik pur. Schon liegt das Städtchen mit der reichen Vergangenheit hinter uns. Entlang der Rur geht es weiter, bis der bis dahin ganz gemütliche Lauf mit dem Anstieg nach der Kluckbachbrücke (km 7,5) ein jähes Ende hat.
Gut, dass es zuvor an der bereits zweiten Verpflegungsstelle reichlich Festes und Flüssiges zur Stärkung gibt. Nach dem schmalen Steig laufen wir auf einem breiten, steinigen Weg mit moderater Steigung weiter, vorbei an der Köhlerklause, einer schönen Rasthütte für Wanderer und Ausflügler. Zwar hat inzwischen das Nieseln aufgehört, aber von den Bäumen regnet es noch fleißig nach. Wenn es so bleibt, kann sich keiner beschweren. Die nicht, die wie ich schon bei strömendem Regen hier gelaufen sind und auch diejenigen nicht, die sich an Hitzeläufe erinnern.