Das von mir zwischen meinen Marathon- und Ultraläufen im jährlichen Laufzirkus als unangenehm Empfundene, sind die unvermeidbaren elend langen Trainingsläufe. Manchmal ist es zwar doch durchaus nett, ich geb’s ja zu, aber ab und an muß ich mir schon selbst in den Hintern treten. Drei oder gar dreieinhalb Stunden durch die Gegend zu traben, ohne daß dabei etwas Zählbares herauskommt, ist nicht unbedingt mein Ding. Als „Allergie gegen lange Läufe ohne Startnummer“ habe ich diese Krankheit mal bezeichnet.
Da bin ich doch froh, daß es eine Reihe von „Unterdistanzläufen“ gibt, die man prima als kurzweiligen Trainingslauf machen und am Ende zufrieden mit einer Urkunde heimfahren kann. So auch an diesem Wochenende beim Monte Sophia in einer besonderen Gegend, die viele von Euch nicht kennen werden.
DER Monte Sophia ist ein abwechslungsreicher Landschaftslauf über DIE Monte Sophia. Aus dem Abraum des Braunkohlentagebaus Hambach entstanden, liegt die Sophienhöhe, wie sie auch genannt wird, im Rheinischen Braunkohlerevier zwischen Köln und Aachen, nahe der Stadt Jülich und des Veranstaltungsortes Niederzier. Sie erhebt sich 200 Meter über das umgebende, flache Gelände, ist bewaldet, enthält Feuchtbiotope, ist beliebtes Ausflugsziel mit zahlreichen Wanderwegen und das Trainingsgebiet der Läufer des ausrichtenden TV Huchem-Stammeln. Die 28,1 km des Monte Sophia zeigen die Monte Sophia in ihrer gesamten Ausdehnung und präsentieren ihre Sehenswürdigkeiten.
1974 ging es los. Nicht mit dem Lauf, der kam erst später, sondern mit den Planungen, die ergiebige Menge Braunkohle, die in bis zu 100 m dicken Flözen vorkommt, abzubauen. Sie entstand aus weitflächigen Wäldern und Mooren, die sich in der Niederrheinischen Bucht vor 30 bis vor 5 Mio. Jahren entwickelten und anschließenden langanhaltenden Senkungsbewegungen.
Beim Tagebau entfernen gigantische Schaufelradbagger, hier seit 1978, das über der Kohle liegende Material und das sind im Zweifelsfall auch ganze Ortschaften, Straßen und Autobahnen. Das Verhältnis von Abraum zu Kohle beträgt dabei 6,2 : 1. Da auf bereits knapp 4.000 ha (genehmigt sind max. 8.500 ha) gefördert wurde und dabei u.a. mit derzeit 293 m unter Normalnull (!) die tiefste künstliche Senke in NRW entwickelte, mußte der Abraum auch irgendwo gelagert und rekultiviert werden. So entstand mit der Hochkippe Sophienhöhe der größte künstlich angelegte Berg Deutschlands (heute wird der Abraum in die bereits ausgekohlten Teile des Tagebaus verkippt). Auf dem Erdboden ihrer Kuppe (also nicht auf dem dortigen Aussichtsturm) steht man etwa 595 m über dem Grund des Tagebaus.
Der späte Start um 16.30 Uhr ist zwar familienfreundlich, aber durchaus läuferfeindlich, denn so hatte der Held vormittags keine Ausrede, hinsichtlich kommender Anstrengungen das Rasenmähen & Co. zu verweigern. Früh bin ich trotzdem nach knapp anderthalb Stunden Anfahrt da, um u.a. noch ein wenig die Werbetrommel für unseren StaffelMarathon am 3. Oktober rühren, bei dem ich gerne noch ein paar Einzelstarter mehr hätte. Das Kuchenbuffet zu äußerst zivilen Preisen ist zu verlockend, als daß ich die Gelegenheit verpasst hätte, noch ein paar Kohlenhydrate auf Vorrat zu bunkern. An Mohnkuchen kann ich einfach nicht vorbeigehen.
Etliche liebe Bekannte sind vor Ort. Dirk habe ich schon länger nicht mehr gesehen und Stefan versorgt an seinem kleinen Stand diejenigen, die noch ein Schnäppchen machen wollen oder etwas vergessen haben, wie z.B. der Kollege vom Parkplatz, der es geschafft hat, seine Laufschuhe zuhause zu lassen. Stefan hat auch ein prima Video ins Netz gestellt, anhand dessen man sich gut auf die Strecke vorbereiten kann.
Pünktlich starten rund 230 Läuferinnen und Läufer, welche die ausgeschriebenen +/- 370 Höhenmeter auf dem nierenförmigen Kurs nicht unterschätzen sollten, wie weiland 2004 der Autor, als er, kurz vor seinem Ersteinsatz bei Marathon4you.de noch ohne Fotoapparat und volles Rohr unterwegs, erstmals dieses offensichtlich lächerliche Hügelchen erklomm. Meine Herren Gesangsverein, war ich am Ende nach 2:23 Std. (5:02 min/km) am Ende… Heute wird es, ich bin mittlerweile neun Jahre gereift und mit Fotoauftrag versehen, deutlich ruhiger werden. Ein Trainingslauf für den Fünfziger am kommenden Wochenende eben.
Die ersten beiden km führen noch flach auf Asphalt und Feldwegen zunächst an den Sportanlagen (Startnummernausgabe, Umkleiden, Duschen) vorbei und auf einer Brücke über die L 264 zur Schranke (hier schon erfolgt die erste Verpflegung!), bevor wir, jetzt über einen Naturweg, das eigentliche Haldengelände erreichen. Ich bin überrascht: Die Aufforstung ist schon recht weit entwickelt, die Bäume haben in den letzten Jahren deutlich an Höhe und Umfang zugelegt. Ich bin gespannt, was von der mannigfaltigen Aussicht, die ich in Erinnerung habe, übriggeblieben ist (nicht viel). Überrascht bin ich auch von meinem Tempo. So einen knappen Sechserschnitt hatte ich mir vorgestellt, eine glatte Minute bin ich schneller. Es läuft prima, das Wetter ist mit 20° und einem Wechsel aus Sonnen und Wolken optimal, daher lasse ich es erst einmal rollen.
Auf dem dritten km beginnen wir den ersten von zwei ordentlichen Anstiegen, der uns auf gut drei km rund 100 HM nach oben bringen wird. Nach 5,5 km erreichen wir den sog. Wendehammer als ersten „Höhepunkt“ der heutigen Arbeit, zur Belohnung gibt’s zum zweiten Mal Atzung. Hier wäre eine klasse Gelegenheit zur Abkürzung, denn der Rückweg führt exakt an dieser Kreuzung nach 21,5 km wieder vorbei. Nur, eine Laufzeit von einer guten Stunde wird mir im Ziel bedauerlicherweise keiner abkaufen, daher nehme ich dann doch den fünf km langen Abstieg weiter auf der Soll-Strecke. Am siebten km gilt es, alle verfügbaren Bremsen reinzuhauen, denn zwei scharfe Kurven, die jeweils fast eine komplette Richtungsänderung zur Folge haben, sind unfallfrei zu überleben.