Nach drei Wochenenden Marathonpause zieht es mich wieder auf die Piste. Es geht ins Goldenstedter Moor.
Ich bin mal wieder mit meinem Lauffreund Dieter unterwegs. Wir kommen nach rund 3 Stunden Fahrt am Naturschutz- und Informationszentrum (NIZ) Goldenstedter Moor in Arkeburg an. „Das Haus im Moor“ ist das Veranstaltungszentrum. Das aus Holz erbaute Gebäude mit seinem begrünten Dach, sowie der schräg gegenüberliegende Bahnhof für die Moorbahn, sind auch der Mittelpunkt für die Besucher des Moores und des Naturschutz- und Informationszentrums.
Vor dem NIZ ist für die heutige Veranstaltung noch ein großes Zelt aufgebaut, in dem auch die Anmeldung für den Lauf abgewickelt wird. Die Anmeldung ist ruck-zuck erledigt und ich kann mich noch ein wenig umsehen. Laut Wetterbericht gibt es heute Höchsttemperaturen bis 18 Grad. Leider ist auch ab Mittag mit Regen zu rechnen.
Der Veranstalter hat alles gut ausgeschildert und so findet jeder den Weg zur Umkleide, Taschenabgabe und später auch zu den Duschen.
Langsam nimmt der Betrieb zu, denn die Marathonis werden um 9 Uhr starten. Richtig voll auf dem Gelände wird es zwei Stunden später, wenn es für die „Halben“ ernst wird. Dazwischen gehen die Wanderer und Walker auf eine 18km Strecke und es werden viele Kinder- und Jugendläufe ausgetragen. Es gibt auch noch einen 9km Moorlauf. Um 15 Uhr ist für alle Zielschluss. Also 6 Stunden Zeit für die Marathonis, die Landschaft zu genießen und in sich aufzusaugen.
Das Goldenstedter Moor ist ein Teil des Großen Moores bei Barnstorf im Landkreis Vechta und gehört zu den wertvollsten Moorgebieten Deutschlands. Seit 1984 steht es unter Naturschutz. Verschiedene Einrichtungen wie beispielsweise „das Haus im Moor“, der 15m lange Moortunnel, die Moorbahn und der Moorerlebnispfad machen das Moor zu einem attraktiven Ausflugsziel.
Die Laufstrecke ist pure Natur, nur ein paar Häuser sind zu sehen, durch eine Ortschaft geht es nicht.
Die Gruppe der Marathonstarter ist sehr übersichtlich, nur rund 50 Läufer und Läuferinnen sind gemeldet. Verstehen kann ich das nicht, denn für kleines Geld gibt es hier eine außergewöhnliche Landschaft und einen liebevoll organisierten Marathon. Maria Rolfes weiß Bescheid, sie ist heute beim 12. Lauf zum 12. Mal dabei, obwohl sie erst letztes Wochenende den 100 Meilenlauf von Berlin gefinisht hat.
Die Moorhexen fegen den Startplatz, posieren für die Fotografen und geben dann den Weg frei für den Lauf durchs Moor. Neben den Gleisen der Moorbahn geht es Richtung Dreieckmoor. Sofort genießen wir einen ganz besonderen und einmaligen Komfort: Auf dem Moorboden läuft es sich wie auf Polster.
Es geht vorbei am Lutter Moor und nach einer ersten kleinen Moorrunde sind wir plötzlich wieder am „Haus im Moor“. Von hier aus laufen wir nun eine große Schleife von rund 18km, neben mir Hajo Meyer. Er will heute seinen 1559. Marathon finishen.
Wir folgen einem langen geraden Weg entlang der Moorbahn, die noch heute für den Torftransport vom Feld zur befestigten Straße gebraucht wird. Es ist noch kühl, mehr als 12 Grad werden es nicht sein. Aber es scheint die Sonne und es ist ein herrlicher Morgen. Links glänzen die ersten Moor-Seen und vermitteln einen ersten Eindruck einer ganz eigentümlichen, wilden, aber herrlichen Landschaft.
Ein Moor ist eine ökologische Übergangszone zwischen Land und Wasser, in dem es ständig Wasserüberschuss gibt. Pflanzenreste werden unvollständig abgebaut und lagern sich als Moor ab, das sich im Laufe der Jahre in unterschiedlichen Torfschichten aufbaut. Die Entstehung der Moore nach der letzten Eiszeit, als sich das Klima allmählich wieder erwärmte. In vielen Senken und Tälern stand das Wasser und die Vegetation veränderte sich. Es entwickelte sich ein ganz eigenes Reich für Pflanzen und Tiere.
Man unterscheidet zwischen Hochmooren, Nieder- und Zwischenmoore. Unser Moor hier ist ein Hochmoor. Als Naturschutzgebiet wird es zwar noch zum Torfabbau genutzt, muss aber dann auch wieder vernässt werden. So ändert es im Laufe der Jahre immer wieder sein Aussehen.
Wir laufen zum Voßberg, einer kleinen Erhöhung im Moor, nur Vogelgezwitscher ist zu hören ist. Es ist die abwechslungsreichste Landschaft, die man sich vorstellen kann. Mal sehen wir flache Weiden und kleine Wäldchen, Wasserflächen und Tümpel mit verkrüppelten und abgestorbenen Bäumen, die Farben wechseln zwischen grün und braun, der Bodenbelag von Sand zu Gras, von Schotter zu Pflaster, von Torf zu Betonplatten. Der herrliche Sonnenschein macht das Laufen vollends zum Vergnügen.
Unsere Strecke führt jetzt auf einem steinigen Feldweg und anschließend auf einer Asphaltstraße Richtung Rödenbeck und Vogelsang. Am Rande des Moores sieht man kleine Höfe. Auf dem ehemaligen, jetzt entwässerten Moor weiden Kühe oder es wird Mais angebaut. Nach einem kurzen Waldstück sind wir wieder im Moor. Für Fahrzeuge ist hier gefährlich, denn er Untergrund ist nicht tragfähig. An manchen Stellen sieht man metertiefe Radspuren. Für die Läufer besteht aber keine Gefahr.
Die Beschilderung ist top, die Markierungen haben die Farbe der Laufstrecke, z. B. rot für Marathon. Verlaufen ist unmöglich. Unmöglich ist es auch, hier Bestzeit zu laufen. Der Untergrund wechselt weiterhin ständig, die Wege sind selten eben, sondern immer wellig, sandig und ziemlich rustikal. Schwer zu laufen halt.
Auch die Fauna ist in Moorgebieten wie diesem eine ganz besondere. Man trifft auf Schnepfen und Birkwild, Kraniche machen Station auf ihrem Weg in den Süden.
Früher waren die Moore ein gefürchtetes Ödland und der schmatzende und schwankende Boden machten den dort lebenden Menschen Angst. Sie fürchteten, falls sie im dichten Nebel den Weg verließen, im Moor unterzugehen. Viele Geschichten handeln von Moorleichen. Die bekannteste hier gefundene Moorleiche ist die von Johann Spieker. Jan oder Johann Spieker war ein umherziehender Händler, der die ländliche Bevölkerung mit allerlei Kleinwaren versorgte. Sein Weg zwischen Lutten und Drebber ging immer quer durchs Goldenstedter Moor. Eines Tages im August 1828 wurde er vermisst und erst 10 Tage später gefunden und im Moor bestattet. Meistens ist es so, dass es sich bei Moorleichen um Bestattungen und nicht um im Moor zu Tode Gekommene handelt. Ein Versinken ist physikalisch gar nicht möglich.
In den Bereich der unwahren Gruselgeschichten gehören auch die Moorlichter, die die Menschen auf Irrwege führen und dann töten. Diese Lichter gibt es zwar, aber ihretwegen ist niemand im Moor umgekommen. Also keine Angst beim Moormarathon. Trotzdem immer schön auf der Strecke bleiben. Aber das gilt ja anderswo auch.
Wir kommen ins Freie und sind umgeben von wiederbewässertem Moor. Der Blick nach vorn ist schier unendlich, am Horizont sieht man die Türme vom Torfwerk. Dorthin müssen wir. Es sieht extrem weit aus, ist aber nur 5km entfernt. Das Auge lässt sich durch die Weite des Moores täuschen. Der Untergrund wechselt wie gehabt von Sand auf Torfboden, manchmal liegen Betonplatten in den Fahrspuren. Es ist eine unglaubliche Ruhe im Moor und es ist wunderschön.
Gerade bringt mich der weiche und wellige Untergrund wieder aus Laufrhythmus. Da kommt die Verpflegungsstelle der Jugendfeuerwehr bei km 19 gerade recht. Nach knapp einem Kilometer ist die erste Runde dann beendet. Auf dem letzten Stück kommen mir die Marathonis zu Beginn ihrer zweiten Runde entgegen, ebenso die Halbmarathonläufer, die kürzlich gestartet sind.
Auch für mich heißt es jetzt: Auf, in die 2. Runde. Die ersten Kilometer sehe ich nicht einen Läufer. Erst auf der Geraden zum Voßberg kommen mir die Moorläufer auf ihrem Rückweg entgegen. Langweilig? Keine Spur. Ich genieße den Lauf, die Landschaft und die Ruhe. Wem danach der Sinn ist, sollte hier unbedingt einmal dabei sein. Zum Lohn gibt es eine aus Holz handgemachte „Medaille“. Für Sammler origineller Auszeichnungen ein weiteres Argument.
Originell und sehr zu empfehlen ist eine weitere Moorspezialität, der Jan Hinnek Pfannkuchen aus Buchweizen mit Schwarzbrot und Preiselbeeren. Der gehört unbedingt beim Moormarathon, einem der außergewöhnlichsten Landschaftsläufen in Deutschland, dazu.
Sieger Marathon:
Männer:
1. Falko Wesarg 3:04:10
2. Ralf Uffenbrink TUS Wagenfelf 3:12:32
3. Wilfried Bobrink SV Barver 3:16:06
Frauen:
1. Ute Deters TEA 3:44:02
2. Sonja Heitkamp 4:04:22
3. Jutta Voges TV Georgsmarienhütte 4:15:11