Wie die Zeit vergeht, bereits im 5. Jahr befindet sich die MOUNTAINMAN Trailrunning & Hiking-Serie. Ich kann mich noch gut an die Premiere im Juli 2018 in Reit im Winkl erinnern. Der Wintertrail 2022 ist bereits die 10. Veranstaltung der Reihe, die bisher an drei unterschiedlichen Orten stattfanden und zugleich die fünfte hier in Reit im Winkl. Davon drei im Sommer und jetzt die zweite Auflage als Wintertrail, wo es wieder zurück geht auf Schnee.
Die Strecken des Wintertrail in den Chiemgauer Alpen sind bestens präpariert und erwarten uns Trailrunner und Hiker, gerne auch wie immer mit Vierbeinern, wovon auch wieder viele präsent sind. Aber auch Schneeschuhläufer sind willkommen. Wer keine eigenen hat, kann sie vorab schon bei der Anmeldung bestellen und ausleihen. Gelaufen wird nämlich, soweit machbar, ausschließlich auf Schnee. Bergauf und bergab und auch Passagen auf einer Skipiste und über Langlaufloipen sind dabei.
Natürlich muss da immer auch das Wetter mitspielen. Für heuer sieht’s aber bärig aus, vor Ort liegt genügend Schnee, so dass die Strecke praktisch durchgängig über Schneeboden führt. Nach Rückfrage bei Rennleiter Horst, empfiehlt er mir heuer zwingend meine Trailschlappen mit den integrierten Spikes einzusetzen. Die Nächte sind seit längerem zapfig kalt, so dass besonders am Vormittag mit vielen harten und teilweise auch vereisten Abschnitten zu rechnen ist.
Zur Premiere des Wintertrail 2020 konnten wir unter drei Streckenlängen wählen, längste angebotene Distanz waren damals 28 km. Heuer zur zweiten Auflage hat man noch eine XL-Strecke in Marathonlänge draufgepackt. Mich und sicher auch einige andere Marathonsammler gfreits natürlich unbandig, so ist die Wahl auch keine Qual und für mich eindeutig. Neben der „XL“ mit 42 km und 1.100 Höhenmetern findet sich noch eine „L“ mit 30 km und 690 Hm. Dazu der Halbmarathon „M“ mit 21 km und 630 hm und die kürzeste Distanz, die „S“ mit 14 km.
Start und Ziel ist im Langlaufzentrum in Reit im Winkl vor der Festhalle. In dieser findet heuer nach zweijähriger Pause auch wieder am Freitag von 19 – 20 Uhr das PreRace Info & Get Together als Präsenztermin statt. Zwei Jahre hat uns dieses nervige Virus davon abgehalten und es gab sie somit ausschließlich nur als Online-Konferenz. Heuer also wieder Hybrid: Live und als Live-Übertragung auf Instagram und Facebook, für diejenigen die am Freitag noch nicht vor Ort sind.
Leider werden wir noch immer von Covid-19 geplagt, so gibt es nur eine Startfreigabe, wer die 3G-Vorgaben erfüllt. Vor Ort müssen wir am Eingang zum Eventbereich, bzw. bei Abholung der Startunterlagen unser Covid-Zertifikat vorlegen und erhalten dafür ein Bändchen ums Handgelenk, womit wir uns im Event-, Startbereich und in der Festhalle aufhalten dürfen.
Um 18 Uhr findet ein kostenfreies Cool Running statt. Beim Trailrunning Warm up werden ein paar Kilometerchen auf der Originalstrecke gelaufen. Stirnlampe ist hier Pflicht und es hat sich eine stattliche Gruppe eingefunden, die angeführt von Natalie dies ausnützen will.
In der Festhalle begrüßen uns pünktlich um 19 Uhr Chefin Jutta und die Moderatoren Rudi & Stephan, die auch schon von Anfang an und immer dabei sind, jederzeit gut gelaunt und mit fachkundiger Moderation. Das Teilnehmerkontingent ist nahezu ausgeschöpft, fast 1000 Starter wollen morgen dabei sein. Kein Wunder bei den tollen Strecken und fantastischen Wetteraussichten. Die Verantwortung für das Wetter hat im Übrigen heuer ganz offiziell Günter, der Wirt der Hindenburghütte übernommen, nachdem das in den vergangenen vier Reit im Winkl-Auflagen, um es mal ganz vorsichtig zu formulieren, nur suboptimal geklappt hat. Aber er ist nicht nur für das Wetter zuständig, sondern serviert uns Teilnehmer am Raceday, am VP vor der Hindenburghütte immer seine vorzüglichen veganen Fitnesspflanzerl. Dazu ist er auch für die Präparierung eines großen Streckenabschnitts verantwortlich. U.a. fallen der 6 km lange Panoramaweg an der Hemmersuppenalm vorbei in seinen Zuständigkeitsbereich.
Heike und Rainer waren bei allen 10 Mountainman-Veranstaltungen am Start und werden mit einem Special-Shirt ausgezeichnet. Natürlich ist die Festhalle auch bewirtet, leckere Speisen stehen auf der Karte. So kann man es hier gut aushalten und das Briefing genießen. Ich kann nur die Daumen drücken und hoffen, dass wir nicht wieder einen Dämpfer verpasst bekommen, so eine Einstimmung auf einen Lauf ist einfach wunderbar und beispielhaft.
Die Nacht war wieder eisig, minus 4 Grad herrschen am Samstagmorgen zum Start des Marathons um 7.30 Uhr. Die nachfolgenden Distanzen folgen im Abstand von je einer Stunde. Die TeilnehmerInnen der 14 km langen S-Strecke werden mit Bussen auf die Hindenburghütte transportiert, ihr Startschuss fällt erst um 11 Uhr, somit bleibt ihnen auch der Anstieg zur Hütte erspart.
Kurzfristig gibt es eine 5-minütige Startverschiebung, die uns mit Alphornbläsern untermalt wird. Ich halte mich an einer Feuerschale auf, um meine Kamera warm zu halten. Sie mag diese eisigen Temperaturen überhaupt nicht und so muss ich die Akkus bei Laune halten, damit ihr von mir auch Bilder zu sehen bekommt. Das hilft, sie springt nach etwas Überredungskunst wieder an.
Um 7.35 Uhr wird gestartet. Die ersten Meter erfolgen heuer ausnahmsweise im neutralisierten Modus, was für uns langsamen Gehschritt bedeutet. Die gewalzte Strecke nach dem Startbogen ist dermaßen pickelhart und eisig, dass man nicht schon im Eifer des Startgefechts Verletzungen riskieren will. Nach ein paar hundert Metern wird es besser, wir dürfen antraben. Meine Spikes gefällt es auf diesem Untergrund, da gibt es keinen Wackler.
Durch den Märchenwald führt unsere Strecke zur Benzeck-Skipiste. Der erste Anstieg ist auch praktisch nur ein Hügelchen, sozusagen zum Warmwerden. Mehr als 80 Höhenmeter werden es nicht sein. Nach 4 km erreichen wir die Schanzenanlage des WSV Reit im Winkl. Die größte ist die Franz-Haslberger-Schanze, sie ist zu einer klassischen K90-Normalschanze ausgebaut, der Schanzenrekord steht auf 101 Meter.
Ab hier ist aber Schluss mit lustig, es geht richtig auffi. Über 500 Höhenmeter mit ordentlicher Steilheit sind auf den folgenden 6 Kilometern zu meistern. Ich habe guten Halt, vermute aber, mit schlechterem Profil und ohne Spikes ist das deutlich beschwerlicher auf dem festgewalzten Untergrund. An manchen Stellen bricht der Schnee aber bereits und man sinkt etwas tiefer ein, was die Sache nicht einfacher macht.
Ziemlich genau nach 10 km erreichen wir die Hindenburghütte. Mit „Grüß Gott im Chiemseeblick-Biergarten“ werden wir begrüßt. Zum vierten Mal bin ich in Reit am Winkl am Start, der Chiemseeblick wurde mir aber bisher immer wegen des bescheidenen Wetters verwehrt. Bin schon wirklich gespannt. Ja, tatsächlich, heute bei tiefblauem Himmel, bekommen wir eine großartige Aussicht bis ans „Bayerische Meer“ geboten. Mit seiner Größe von knapp 80 km² ist er der größte See Bayerns sowie der drittgrößte See Deutschlands.
Die Fitnesspflanzerl liegen noch nicht auf, so begnüge ich mich erstmal mit warmem Wasser und einem Energy-Gel, in der Hoffnung, dass sich die Situation, nach absolvieren der vor mir liegenden 6-Kilometer Runde verbessert. Selbstverständlich mittlerweile auf Trails, sind auch hier eigene Trinkbecher mitzuführen, sonst geht man leer aus. So wie ich heute Morgen im Hotel. Zu früher Stunde gab’s noch kein Frühstück, so langsam wäre es Zeit dafür. Ich setzte alle meine Hoffnungen auf Günter bei der Rückkehr.
Ein kurzer Anstieg führt uns noch ein Stück weiter hoch bis auf etwa 1250 m Höhe. Mittlerweile herrscht reger Gegenverkehr auf den Begegnungsabschnitten, die deutlich Schnelleren kommen mir entgegen, sie haben bereits die Schleife hinter sich.
Hier beginnt auch der Panoramaweg, der von Günter durchgehend gewalzt und auch beschildert ist. Nicht nur für uns, sondern auch für Spaziergänger. Die Wege werden je nach Wetterlage und Schneebeschaffenheit fast täglich mit Pistenraupen gepflegt. 2009 hat er vom Deutschen Wandersiegel das Zertifikat Premium-Winterwanderweg erhalten. Wir müssen die separaten Wegeführungen für unsere Strecke im Auge behalten, es gibt beim Wintertrail unterschiedliche Loops. Vor mir springt schon einer durch den Tiefschnee, er hat die Abzweigung für die XL verpasst. Leicht wellig, aber sehr griffig zieht sich der Wanderweg durch die Almlandschaft mit herrlichen Aussichten auf die verschneiten Berge der Chiemgauer Alpen.
Etwa zur Hälfte passieren wir die Hemmersuppenalm und wenig später die Anna-Kapelle, von hier ist es nicht mehr weit bis zum Ausgangspunkt an der Hindenburghütte. Wie erwähnt, freue ich mich ja bereits seit längerer Zeit auf die Fitnesspflanzerl von Günter an unserer Verpflegungsstation und werde jetzt nicht enttäuscht. Ganz frisch werden sie gerade in einer großen gusseisernen Pfanne gebrutzelt. Wer die verpasst, ist selber schuld.
Hier bei km 16 gibt es auch eine erste Cut-off-Zeit auf der Marathonstrecke. Um 11.30 Uhr muss die Hindenburghütte passiert werden.
Nach Rast und ausgiebigem Frühstück ziehe ich weiter, es geht runter bis zum Parkplatz Seegatterl. Beim Downhill verlieren wir auf 4,5 km etwa 500 Höhenmeter. Die Strecke durch den Wald ist deutlich ruppiger und lange nicht so perfekt wie der Panoramaweg, dadurch auch spürbar anstrengender. Immer wieder bricht bereits die nicht mehr durchgefrorene Schneedecke und man sticht tief ein, so ist auch Vorsicht geboten.
Den Parkplatz am Seegatterl erreichen wir nach 22 km. Parkplätze für insgesamt 2000 PKWs stehen hier zur Verfügung. Wir wurden beim Briefing gewarnt, hier vorsichtig zu sein. Glücklicherweise sind die meisten um diese Uhrzeit bereits im Skigebiet unterwegs, so herrscht wenig Verkehr. Da meine Schussfahrt kräftezehrend war und auch weil ich meine Spikes auf dem schneefreien Parkplatz nicht überstrapazieren will, gehe ich die Querung lieber gehend an. Etwa auf halber Strecke trennen sich die Wege der XL und der L-Strecke. Zweites Zeitlimit auf der XL ist hier um 12.30 Uhr.
Unmittelbar danach geht es wieder aufwärts. Die Chiemgau-Loipe führt uns hoch bis zur Winklmoosalm. Die Langlauf-Piste ist brettleben und perfekt gewalzt und hält sich auch bei den Steigungsmetern in Grenzen, so ist sie sehr gut zu laufen. Wir teilen uns die Strecke mit Ski-Touren-Gehern und Langläufern. Aber auch hier müssen wir Vorsicht walten lassen, es herrscht reger Gegenverkehr. Die meisten brettern hier mit einem ordentlichen Zacken auf ihren schmalen Langlauflatten herunter.
Auch hier kommen uns wieder die Schnelleren der Marathonstrecke auf dem 5 km langen Auf-, bzw Abstieg entgegen, so gibt es reichlich Begegnungen und für Abwechslung ist gesorgt. Etwa 450 Aufstiegsmeter sind bis zum höchsten Punkt wieder zu absolvieren.
Wir passieren die Winklmoosalm, berühmt geworden durch unsere „Gold-Rosi“. Auf dem Hochplateau müssen wir noch eine 2,5 km lange Schleife durch das Skigebiet drehen, bevor es wieder auf identischer Piste runter geht. Dazwischen liegt an einer Alm die Verpflegungsstation, deren Namen ich mir nicht eingeprägt habe. Kurz nach Passieren der Winklmoos-Sonnenalm bin ich wieder zurück am Abstiegspunkt. Ich bin der Meinung, die Strecke ordnungsgemäß passiert zu haben. Wo aber war unsere Verpflegungsstation und vermutlich auch die Kontrollstation mit Zeitmessmatte? Herrschaftszeiten, hab ich die schon wieder verpasst, wie vor ein paar Monaten beim Mountainman in Nesselwang? Da die Station auf dem GPX-Track auch nicht eingezeichnet ist, macht es für mich keinen Sinn umzukehren.
Mittlerweile liegt die Temperatur im zweistelligen Bereich, ich packe Mütze und Jacke in den Rucksack und lege eine kurze Pause ein. Glücklicherweise habe ich auch eine volle Getränkeflasche und Energy-Gels eingepackt, so dass mir nichts weiter fehlt.
Die fünf Kilometer abwärts mit mäßigem Gefälle kann ich zügig bewältigen. Zurück auf dem Parkplatz Seegatterl haben sich gerade Jutta und Natalie eingefunden, um uns anzufeuern. Ich erzähle ihr von meinem Fauxpas und erfahre, dass der VP an der Winklmoos-Sonnenalm liegt. Da muss ich wohl Tomaten auf den Augen gehabt haben, das Schild habe ich noch fotografiert.
Fast eben führen uns die folgenden 4 km an der Schwarzlofer entlang bis Gut Steinbach. An der dortigen VP wartet ein usgezeichneter Kaiserschmarrn auf uns. Für sein ganzheitlich nachhaltiges Küchenrezept ist Relais & Châteaux Gut Steinbach 2021 mit dem Grünen Michelin Stern ausgezeichnet worden. Ich gönne mir ein paar Minuten und genieße die vorzügliche Mehlspeise mit Apfelmus.
Drei Kilometer sind es noch bis ins Ziel, die Schlusskilometer werden aber noch etwas feucht, nach überqueren der Lofer über den Krautloidersteig hat sich hier unten im Tal der Schnee mittlerweile in Schneematsch verwandelt und dringt schon mal über den Schuhrand ein.
Ich bin unerwartet früh dran, sogar noch vor Beginn der Siegerehrung. Rudi und Stephan haben mich noch gar nicht erwartet und verpassen fast die Moderation von meinem Zieleinlauf. Am Ende stehen auf meiner Uhr über 42,5 km, die Höhenmeter haben sich auf 1350 erhöht. Das müsste passen, sämtliche GPX-Tracks, die ich von Freunden sehen kann, weisen allesamt auch die vermehrten Höhenmeter auf, was ich auch gefühlsmäßig unterschreiben würde.
Rund um den Zielbereich strahlen die Finisher mit der Sonne um die Wette und es sind noch wirklich unglaublich viele vor Ort. Was für ein herrlicher Tag auf den Pisten der Chiemgauer Alpen.
Das Laufen auf Schneeboden ist doch deutlich anstrengender als man vielleicht denkt. Aber es bereitet auch einen Riesenspaß, besonders wenn die Pisten so perfekt präpariert sind wie heuer. Großes Kompliment dafür an Jutta und ihr Mountainman-Team und selbstverständlich auch an Günter und alle Pistenraupenfahrer, Hüttenwirte und die Männer und Frauen der Bergwacht, die an der gelungenen Durchführung beteiligt waren.
Solltet ihr auch einmal Lust haben, ein „Hero of the Mountains“ zu werden, Gelegenheit dazu gibt es wieder nächstes Jahr. Der Termin am 4. März 2023 steht bereits.
08.03.20 | S'ist wirklich schee im Schnee |
Bernie Manhard |