Das berühmte Zitat von Mozart und passt haargenau auch auf diesen Lauf. Als passionierter Musiker, ich habe früher Tenorhorn gespielt, ist es natürlich Pflicht, in der Geburtsstadt von Mozart zu laufen. Da er nicht nur kurze Serenaden, sondern auch lange Opern geschrieben hat, habe ich mich für die Opern-Variante, in 2 Akten (= 2 unterschiedlich lange Runden), mit insgesamt über103 km entschieden.
Wolfgang Amadeus Mozart wurde am 27. Januar 1756 in Salzburg geboren, war zwar ein musikalisches Wunderkind, hat sicher aber nie an Langstreckenlauf gedacht. Damals war die übliche Fortbewegungsart die Pferdekutsche. Die Tiere mussten alle 25 bis 30 km gewechselt werden. Die Tagesleistung lag bei 100 bis 110 km pro Tag, ziemlich genau die Distanz des Mozart 100. Auch die Abstände beim Staffelwettbewerb entsprechen in etwa denen der Pferdewechselstationen damals. Sicherlich taten dem Reisenden seinerzeit in der Kutsche aber andere Körperteile weh als den Läufern heute. Aber eins ist absolut klar: Diese Strecke muss man im richtigen Tempo laufen, um sie zu schaffen und dabei auch noch die wundervolle Umgebung in sich aufnehmen zu können.
Die Strecke wurde in diesem Jahr zur 5. Auflage noch mehr „vernatürlicht“, d.h. der feste Untergrund wurde möglichst ausgelassen. Auch die Versorgungsstationen wurden reduziert, sodass man mittlerweile von einem echten Ultratrail sprechen kann. Rund 1.000 gemeldete Läufer teilen sich auf die 103, die 55 und auf die 25 km auf. Hinzukommen noch die Staffeln. Die Starttüte mit Start-Nummer und RFID Chip gibt es schon am Vortag. Dazu gibt es für jeden Finisher nach getaner Arbeit ein Überraschungsgeschenk im Ziel. Die Teilnahmebedingungen müssen gegen Unterschrift akzeptiert werden und dann steht der „Trailoper“ nichts mehr entgegen.
Beim obligatorischen Race Briefing, dass durch die beiden Veranstalter Josef Mayerhofer und Micky Fried durchgeführt wird, wird besonders auf die teils sehr steilen Anstiege und die gut 3.000 Höhenmeter hingewiesen und auf die Pflichtausstattung, die auch überprüft wird. Mitzunehmen sind neben Stirnlampe, Trillerpfeife, Handy und Trinkbecher auch dichte Regensachen und ein Erste Hilfe Paket. Ihr werdet Euch fragen, warum faltbarer Trinkbecher.
Als besonderes Strecken-Highlight ist das Naturdenkmal Plötz mit seinem imposanten 50 Meter hohen Wasserfall zu bestaunen.
Am sehr frühen Samstagmorgen fahre ich mit dem Taxi vom Flughafenhotel zum Start. Unterwegs nehme ich mein Frühstück in Form von Müsliriegeln und isotonischen Getränken zu mir. Noch ist es dunkel und die Stirnlampe ist ein wichtiges Utensil. Sicherheit geht immer vor.
Am Start stehen die knapp 200 „Langstreckler“ und warten ungeduldig, dass es um 5 Uhr endlich losgeht (die 55er Läufer haben noch 3 Stunden länger Zeit). Aber wie heißt es so schön, der frühe Vogel fängt den Wurm. Und Vögel zwitschern um die Zeit sowie schon. Da es noch recht frisch ist, sind einige der Läufer noch im beheizten Zelt anzutreffen und gehen erst im letzten Moment zum Start, als das Vorhandensein der Trillerpfeifen geprüft wird.
Die Atmosphäre am Start ist fantastisch. Hinter uns der Salzburger Dom und über uns die Salzburger Festung in der Morgendämmerung. Vor uns der Mozartplatz mit der Mozart Statue. So muss es sein!
Dann geht es los und wir begeben uns auf die erste Runde von gut 47 km. Ich laufe mit meinem M4Y-Kollegen Klaus zusammen. Es gibt viel zu erzählen, ich kenne die Strecke ja schon. Im Dämmerlicht sehen wir den Festungsberg mitten im Salzburger Becken liegen. Darauf thront die Festung, dessen älteste Teile aus dem Jahr 1077 stammen. In vier Jahrhunderten wurde die Anlage immer wieder verstärkt, so dass sie heute einschließlich der Basteien als eine der größten Burgen in Europa gilt. Vor 2 Jahren habe ich dort oben im Wappensaal mit meiner Frau Martina übrigens ein tolles Kammerkonzert erleben dürfen, mit Stücken von Mozart, Haydn und Beethoven.
Am Wilhelm-Kaufmann-Steg bei Kilometer 3 überqueren wir die Salzach und laufen am jenseitigen Uferweg noch 1,5 km entlang der Salzach. Dieser 225 Kilometer lange Fluss, der in der Nähe von Braunau in den Inn mündet, ist der längste Zufluss des Inn und verdankt ihren Namen der Salzschifffahrt, die bis ins 19. Jahrhundert auf dem Fluss betrieben wurde. Das Salz wurde im nahen Hallein gewonnen, wie mir am nächsten Tag der Kapitän eines Ausflugsschiffes erzählt.
Wir verlassen den Fluß nach links. Auf dem Klausbachweg geht es langsam und stetig hinauf, dann ab km 7 durch die berühmte Glasenbachklamm. Für mich als passionierten Fossiliensammler auch ein besonderes „Schmankerl“, denn die Glasenbachklamm ist bekannt für fossile Funde wie zum Beispiel des Fischsauriers, der im Haus der Natur ausgestellt ist. Eine weitere Besonderheit sind die durch den Gebirgsbach freigelegten, 200 Millionen Jahre alten Felsformationen aus der Jurazeit. Damit kann die Entstehungsgeschichte der Alpen vom einstigen Meeresboden bis zum heutigen Gebirge ausschnittsweise betrachtet werden. Dann kommen wir jedoch schon recht schnell nach Elsbethen.
Auf einer Verkehrsstraße verlassen wir dann das kleine, 2.500 Einwohner zählende Dorf Elsbethen im Flachgau. Es geht nun steiler bergan und nach knapp 2 Kilometer verlassen wir die Strasse nach rechts auf einen Waldweg. Hier beginnt nun der trailige Teil mit vielen Höhenmetern. Die erste Labestation erreichen wir bei km 10. Hier gibt es Kuchen, Rosinen, Bananen, Melonen, Salzstangen, belegten Broten, Riegel und Gel. Zusätzlich gibt’s Wasser, Isogetränke und Red Bull in verschiedenen Variationen. Der Sitz von Red Bull liegt ja in der Nähe der Strecke, was auch das Engagement beim Mozart 100 erklärt. Aufgrund des neuen Abfallvermeidungskonzeptes kommt hier natürlich der Faltbecher zum ersten Einsatz.
Die nächsten Kilometer haben unterschiedlichen Untergrund und hervorragende Aussichten auf das hügelige Salzburger Land. Wir laufen in den Ort Koppl, wo die Staffeln wechseln und frische Kräfte ins Rennen bringen.
Gut 3000 Einwohner hat der aus dem 13. Jahrhundert stammende Ort an der Ostseite des Gaisberges. Vom Höhenniveau gesehen liegen wir jetzt auf 760 HM, das sind 330 Meter oberhalb von Salzburg. An der Labestelle bei ca. Kilometer 21 durchlaufen wir die erste Zwischenzeitkontrolle. Wer hier und bei den Cut-Off Zeiten nicht im Limit liegt, wird disqualifiziert. Die erste Cut-Off Zeit ist nach 47 km mit 7.30 std. Das müsste machbar sein, auch wenn im letzten Jahre einige Teilnehmer nur knapp drunter waren und diesmal die Strecke und das Profil deutlich verschärft sind. Aber landschaftlich hat die Strecke durch das Naturdenkmal Plötz mit seinen vielen Wasserfällen und historischen Wassermühlen deutlich an Attraktivität zugelegt, auch wenn die sehr steilen Anstiege auf dem durchfeuchteten Boden viel Kraft kosten.
Bei 720 Meereshöhe kommt dann so ein krasser Anstieg auf 817 HM, dem höchsten Punkt der Strecke. Die 100Hm verteilen sich auf lediglich 800 Streckenmeter. Hier ist Gehen angesagt. Und ich bin nicht der Einzige. „THE CLIMB“ lese ich am Anfang der Steigung, deren Ende ich schweißüberströmt und außer Atem 10 Minuten später erreiche.
Nun geht es mehrfach steil bergauf und bergab, bis zum Golfhotel bei Km 25. Hier biegen wir nach links ab, bei der 2ten Runde dürfen wir nach rechts und den Fuschlsee umrunden, was die zusätzlichen 9 km ausmacht. Den direkten Abstieg zum Fuschlsee haben wir nun vor uns. Auf dem Golfplatz, den wir dort überqueren, ist ein roter Teppich ausgelegt – wahrscheinlich weniger uns zu Ehren, sondern um den teuren Rasen zu schonen.
Wir laufen kurz am Fuschlsee vorbei, bevor es 80 Hm ziemlich steil bergan nach Hof geht. Dieses Teilstück heißt „The Wall“. In Hof bei Salzburg mit seinen 1.400 Einwohnern ist die nächste Labestelle. Die höchste Erhebung im Gemeindegebiet ist der Lidaun (1.237 m), den wir linker Hand sehen können. Wir verlassen Hof auf dem Kapellenweg und sehen auch gleich zwei Kapellen. Elsenwang und Ladau heißen die nächsten Orte, die wir nun auf dem welligen Kurs erreichen.
Dann umrunden wir fast zur Hälfte den Salzburgring. Ich erinnere mich an den Nürburgringlauf 1982, wo wir als Läufer die absolute Ideallinie gefunden haben. Der Salzburgring ist jedoch nur 4,5 km lang, der Nürburgring mit Nordschleife war 22,8 km. Oberhalb des Fahrerlagers haben wir eine super Aussicht auf die Piste, auf der gerade ein Autorennen stattfindet. Kurz nach dem Ort Habach bei km 37 haben wir wieder mal eine Streckenhöhe von 730 m erreicht. Von hier aus geht es die nächsten 6 Kilometer fast nur bergab.
Kurz hinter der Pfarrkirche Guggenthal, eigentlich „Kirche zum Hl. Kreuz und zur Hl. Elisabeth“, die zusammen mit dem Brauhaus, einer Villa, einem Gasthaus und diversen Nebengebäuden ein sehenswertes architektonisches Gesamtkunstwerk bildet, kommt ein Trailpfad, schätzungsweise ein Kilometer lang, der uns im späteren Verlauf durch dichten Bewuchs führt. Wieder ist höchste Konzentration gefordert, besonders als wir nach einer Kehre die Wolfgangsee Straße über recht grobe Treppen aus hölzernen Eisenbahnschwellen zum Friedhof Gnigl hinunter steigen.
Wir sind zurück in Salzburg, die Strecke ist weiterhin gut ausgeschildert. Nur sollte man jetzt auch auf den Verkehr achten. Auf der Eichstraße überqueren wir die Eisenbahn, rechts sehen wir den Güterbahnhof. Wir laufen Richtung Altstadt.
Jetzt folgt eine „kleine Schikane“, denn anstatt wie bisher den Kapuzinerberg zu umrunden, laufen wir diesmal drüber. Klingt nicht schlimm - aber die über 400 Stufen und 220 Höhenmeter sind hart. Oben kommen wir zu dem über eine Zugbrücke erreichbaren schmucken Franziskischlössl, das heute als kleines Gasthaus genutzt wird. Die Wehrbauten stammen (außer der kurzen Wehrmauer beim Franziskustor nächst der Linzergasse, die im späten 13. Jahrhundert errichtet wurde) sämtlich aus der Zeit von das Fürsterzbischof Paris Lodron und des Dreißigjährigen Krieges. Von hier aus hat man eine tolle Aussicht auf die Salzburger Neustadt und über der Kuppe auf der anderen Seite auf die Altstadt. Die Mühe hat sich gelohnt: Der Blick auf die Festung und die Altstadt ist einfach nur fantastisch.
Etwa auf halber Höhe kommt das nächste Highlight, das Kloster der Kapuziner, das 1599–1605 aus einem umgebauten Wehrbau des Mittelalters (Trompeterschlösschen) entstand. Hier befindet sich ferner der Wehrturm der Felixpforte, eine Gedenkstätte für Wolfgang Amadeus Mozart und das alte Paschingerschlössl, bekannt als ehemaliges Wohnhaus von Stefan Zweig. Wie ich später erfahre, leben hier noch immer 19 Kapuzinermönche.
Über 132 Stufen laufen wir zur Altstadt hinunter. Viele Touristen schlendern durch die Fußgängerzone, was das Laufen nicht gerade erleichtert, sondern eher einem Hindernislauf gleich kommt. Dann der Mozartplatz mit dem Zielbanner. Das ist jetzt aber nur das Zwischenziel für mich, denn für die 100er beginnt die zweite Runde, die mit 55 km deutlich länger ist. Dennoch ist es ein gutes Gefühl, schon mal einen Teil (47 km mit 1450 HM) geschafft zu haben. Also Nahrung, Getränke und guten Zuspruch der vielen Zuschauer entgegen nehmen und wieder aus Salzburg hinaus.
Den Teil bis zum Fuschlsee habe ich ja schon beschrieben, auch wenn ich ehrlicherweise sagen muss, dass es beim zweiten Mal nicht einfacher und die Zeit deutlich langsamer ist. An der Streckenteilung unmittelbar am Schloss Fuschl heißt es nun „Rechts ab laufen“, die Runde um den See beginnt. Das Schloss Fuschl linkerhand wurde im 15. Jahrhundert als Jagdschloss erbaut. Seit 1947 ist es ein Hotel. In den Jahren 1957 und 1958 war es Drehort der Sissi-Filme mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm, der leider vor 4 Wochen verstarb und vor 9 Tagen in Salzburg beerdigt wurde.
Die Schlossstraße endet und wir belaufen nun den Fuschlsee-Rundweg, der in seiner ganzen Länge ca. 12 Kilometer lang und mit seinen 100 HM nicht ganz eben ist. Der Fuschlsee ist 4,1 Kilometer lang und hat eine Breite von bis zu 900 Metern. Er entwässert über die Fuschler Ache in den Mondsee und über Attersee, Ager und Traun in die Donau. Der Fuschlee hat eine ausgezeichnete Wasserqualität und daher auch eine in ihrem natürlichen Zustand erhaltene Unterwasservegetation.
Noch an der Wolfgangseestraße liegt links der Brunnwirt, ein traditionelles Gasthaus, das als „Taverne zu Prunn“ im 14. Jahrhundert entstanden ist. Übrigens, Fuschl ist Firmensitz der Red Bull GmbH, der Firma, die das heute so reichlich verwendete Aufputschgetränk vertreibt und uns vielleicht einen kleinen Extraschwung verleiht. Ihr wisst schon: „Red Bull verleiht Flügel“.
Wir biegen links in das Strandbad Fuschl ab, die Seestraße führt uns dann aus dem Ort hinaus, den See verlassen wir auf dem ansteigenden Rundwanderweg. Die Höhenmeter bekommen wir dann gleich wieder zurück. Recht idyllisch verläuft der Kurs entlang der Fuschler Ache für zwei, drei Kilometer. So könnte es weitergehen, tut es aber nicht, wie ich ja in der ersten Runde erfahren habe. Es geht steil nach Hof hinauf. „The Wall!“ - das spricht Bände. Wohl aufgrund der sehr anspruchsvollen Strecke steigen fast 60 Teilnehmer aus.
Was folgt, ist die bekannte Streckenführung. Der Tag neigt sich dem Ende zu und ich sehne mich danach, das Ziel zu erreichen und das nicht weit davon entfernt stehende Hotelbett. Die herrliche Landschaft und die Natur ist jetzt scheinbar eine ganz andere und entschädigt für die Mühen eines 100km-Laufes. Als ich heute Salzburg zum zweiten Mal, diesmal in der Dunkelheit, zu meinen Füßen liegen sehe, steigt die Motivation wieder fast ins Unermessliche. Gut dass ich meine Stirnlampe mit habe, denn hier im Wald ist es echt stockfinster. Dann nochmal durch Salzburg durch und der Mozartplatz ist erreicht.
Jubel. Euphorie! Der Mozart 100 ist nach 18 Stunden und 20 Minuten geschafft. Ich bin zwar Letzter, aber ich habe es geschafft. Mein 20ster 100er. Das ist wirklich immer etwas Besonderes und hier in Salzburg erst recht. Da ist Musik drin! Also dann bis zum nächsten Mal.