Fotos: Kay Spamer
"Sie wissen, bester Freund, wie mir Salzburg verhasst ist! Salzburg ist kein Ort für mein Talent."
"Ich schwöre Ihnen bey meiner Ehre, dass ich Salzburg und die Einwohner nicht leiden kann; mir ist ihre Sprache, ihre Lebensart ganz unerträglich!"
Über 250 Jahre später scheinen sich die Salzburger geändert zu haben, sie lieben ihren Wolferl. Mozart zwölf Monate im Jahr überall gegenwärtig: auf Schnapsgläsern, Mützen und T-Shirts und jetzt: „mozart 100“? Nie gehört!“ Ihr kennt diese Aufführung noch nicht? Hier könnt ihr erfahren, wo in Salzburg sonst noch die Musik spielt.
Ein Streichduett spielt Mozart auf Violine und Viola. Menschen lauschen, halten die Luft an. Keiner wagt zu husten. Die Spannung ist förmlich zu spüren. Noch das kleinste Geräusch wird registriert. Zwei Reihen weiter hinten: eine Mineralwasserflasche zischt, von irgendwoher brummt ein Motorroller und ein Hund bellt in die ergriffene Stille ein. Ich stelle mir vor, wie ich auf der Bühne stehe und aus meiner Kehle kommt kein Ton – für Opernsänger ein Angsttraum, hier egal. Die Altstadt ist UNESCO Weltkulturerbe und bildet die perfekte Leinwand für folgende Handlung: jetzt ist Festspielzeit. Das 1. mozart 100 Running Festival!
Über 300 Läufer aus 16 Nationen wollen sich diese neuste Inszenierung nicht entgehen lassen. Allein über 100 Läufer meldeten sich für die Königsdisziplin. Bereits im 17. und 18. Jahrhundert inszenierten die Salzburger Fürstbischöfe zusammen mit Bürgern rauschende Feste in und um die Stadt Salzburg. Kein Wunder also, dass Max sagte: „Es gibt keinen glücklicheren und natürlicheren Gedanken. Der Gedanke, ein Wochenende in Salzburg zu verbringen und zu wissen, dass es selbst in dieser Stadt immer wieder möglich ist, abseits der bekannten Touristenattraktionen, ein neues Festival ins Leben zu rufen. Damals, als Richard Strauss, Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal das Kulturereignis vor mehr als 80 Jahren ins Leben riefen, verbanden sie jahrhundertealte Tradition.
Heute, wenn der Josef mit dem Michael zum Laufen geht, verschieben sich immerhin die Lauf-Dimensionen. Nach dem letzten 250 Kilometer Lauf-Abenteuer im Dschungel von Costa Rica wurde die Idee des „mozart 100“ geboren. Es lag nahe, dass Salzburg als die Geburtsstadt Mozarts, und den beiden Ultraläufern, als Austragungsplatz gewählt wurde. Unterstützt werden die beiden durch den ebenfalls sportlichen Josef Gruber, Organisator des Trumer Triathlon und Streckenchef des Salzburg Marathon. „mozart 100“ meint nicht das Köchelverzeichnis, vielmehr steht die „100“ für 100 Kilometer Panorama-Ultralauf und der Name Mozart vermarktet sich hier bekanntlich fast wie von allein.
Nur wer vor der Sonne aufsteht und in den neuen Tag hineinläuft, erlebt die Natur von ihrer taufrischen Seite – mag sein, ich dreh mich derweil in meinem Bett noch einmal um.
Samstagmorgen, kurz nach fünf Uhr – die Ultraläufer auf der Königsdisziplin sind unterwegs. Zwei Runden werden sie laufen, die erste mit 46 Kilometern, die zweite mit 54 Kilometern. Wir sind noch gelassen, denn wir werden die 54 Kilometer -„Kurzstrecke“ testen, noch kürzer ist nur noch der „Mozart 100 Light“ mit 24 Kilometern. Die 54 Kilometer der Laufstrecke gewähren uns dennoch den vollen Genuss. Diese entspricht der zweiten Runde des 100 Kilometer Bewerbs.
Der Tag bricht an und kurz darauf sind auch wir auch auf den Beinen. Mit jedem Schluck heißem Kaffee kommt etwas mehr Leben in unsere noch so müden Glieder. Und das ist auch gut so, denn auch wir haben heute noch einiges vor. Wer wie wir, schon die ganze Woche über nicht zum Laufen, geschweige denn zum Trainieren kommt, der versucht alles auf einen Tag in der Woche zu komprimieren. Denn wir müssen die fehlenden Wochenkilometer schließlich wieder reinholen.
„Um den Fuschl See laufen?“ „Nehmen´s doch das Fahrrad“ sagt Ulrike, die stets gutgelaunte und freundliche Dame aus der „Goldenen Ente“. „Jetzt wo Radfahren nicht mehr ehrlich ist, da laufen wir doch lieber“ antworte ich ihr und denke mir, zum Glück gibt es noch keine elektrisch angetriebenen Laufschuhe.
Vereinzelt huschen müde Gestalten den morgendlichen Weg zur Arbeit. Es ist noch still am Mozartplatz. Die ersten Sonnenstrahlen berühren die Festung Hohensalzburg, die über der Startarena ragt als ein gigantisches Monument. Wie der Dirigent seines neusten Stückes, scheint Mozart in Bronze auf uns herab zu blicken. Wolfgang Amadeus Mozart in der Mitte des Platzes, so als ob er seit 1842 darauf gewartet habe, jetzt Mittelpunkt dieses Lauf-Festivals zu sein.
Ein Kenianer umrundet das Denkmal, elegant lässt er die „Partitur“ schnurren, leichtfüßig als erster Läufer der 100 Kilometerstaffel und übergibt seine Fußfessel an seinen Teamkollegen. Zwei Violinenspieler untermalen die dramatische Darbietung. Ein bisserl Inszenierung gehört schon dazu, um auch die Einheimischen aus dem Bett an den Start zu locken.
Nur noch einige Minuten. Eine gewisse physische und psychische Erregung, wie Lampenfieber, sorgen für den Kick, der eine Ausnahmeleistung erst möglich macht. Es lässt sich schwer sagen, wo das Leuchten in den Augen stärker ist: am blau/grauen Himmel oder in den Augen der Läufer, als sich der Vorhang ein zweites Mal öffnet. Wie eine Kakophonie, wie wenn mehrere Instrumente durcheinander spielen so piepen die Bibchips an den Fußgelenken der Läufer als wir die Startmatte überqueren.