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29.04.12 - Oberelbe-Marathon

30 Grad und kein Hitzefrei

Willkommen in Dresden-City

 

Noch 4 km. Meine Augen brennen vom Salz des Schweißes, der mir über die verkrustete Stirn hinein läuft. Ich kippe Tee und Wasser in mich hinein und fühle mich dennoch schon 50 Meter weiter wieder wie ausgetrocknet. In der Schule hätte es bei solchen Bedingungen Hitzefrei für alle gegeben. Hier muss aber jeder mit sich selbst ausmachen, ob und wann er sich “Hitzefrei” nimmt oder durchhält. Einen Läufer, der sich zu spät für “Hitzefrei” entschieden hat, sehe ich in der Wiese liegen. Doch sofort sind andere Läufer zur Stelle, die sich um den kollabierten Mann kümmern und per Handy Hilfe anfordern. Ein Lauf durch die Wüste kann sich wohl nicht viel anders anfühlen. Aber wir sind nicht in der Wüste, sondern inmitten üppig grüner, wenn auch schattenloser  Natur.

 
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Und die riesige Kuppel, die sich am Horizont abzeichnet, ist auch keine Fata Morgana, sondern  markiert ganz real den Mittelpunkt der Dresdner Altstadt. Sie symbolisiert aber noch Einiges mehr: Die Wiederauferstehung Dresdens nach den schweren Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges. 12.000 Tonnen schwer und 95 Meter gen Himmel ragt die Kuppel der berühmten  Frauenkirche. Fast 50 Jahre lang mussten die Dresdener die Ruine der Kirche als stetige Erinnerung an die Zerstörung und Mahnmal im Herzen der Stadt ertragen. Erst 2005, nach 11-jährigem Wiederaufbau, war, wie Phönix aus der Asche, der alte und neue Mittelpunkt der Stadt wiederhergestellt.

Für mich bedeutet die Kuppel heute vor allem eines: Sie ist erlösender Vorbote des nahen Ziels. Langsam, aber stetig rückt die Skyline der historischen Altstadt näher. Unter der Carolabrücke hindurch betreten wir deren Kernbereich. Vom Weg über die Elbwiesen wechseln wir auf das Terrassenufer, wie die auf Höhe des Elbufers entlang führende Straße genannt wird. Zu unserer Linken sehen wir oberhalb der viele Meter senkrecht aufsteigenden, festungsartigen Ufermauer die Brühlsche Terasse, quasi der „Balkon“ der Altstadt, allerdings ein Balkon von zyklopischen Ausmaßen: einen halben Kilometer lang und bis zu 200 Meter breit. Sie ist eine der beliebtesten Flaniermeilen der Stadt und der Ausblick über die Elbe ist traumhaft. Ob die vielen Zuschauer dort oben wegen uns oder - wahrscheinlicher - einfach wegen des sommerlichen Wetters da sind, vermag ich nicht zu beurteilen. Tatsache ist: Sie empfangen uns mit großem Hallo. Hinter der Terrasse türmt sich die monumentale Hochschule für bildende Künste auf, gekrönt von der “weltgrößten Zitronenpresse”, wie deren auffällige Kuppel aus Stahl und Glas von Spöttern genannt wird.

Auch entlang der Straße ist die Stimmung großartig. Hunderte stehen hier und feuern uns nochmals an. Die letzte der über die Strecke verteilten zwölf Trommler-und Rhythmusgruppen macht zusätzlich Dampf. Und was soll ich sagen: Es wirkt. Wieder im Laufschritt nehme ich die letzten 1,5 km in Angriff. 

Vor mir rücken weitere Highlights der Dresdner Altstadtkulisse ins Blickfeld, vor allem die  Hofkirche, Sachsens größter Kirchenbau und ein Meisterwerk des Barock, und gleich dahinter die Semperoper, Dresdens berühmtes und spätestens seit der “Radeberger”-Werbung auch  weniger kulturnahen Menschen zumindest optisch bekanntes Opernhaus.

Unter der Augustusbrücke, der geschichtsträchtigsten, in ihrer Historie bis ins 13. Jh. zurück gehenden Dresdner Elbbrücke, hindurch wird es auf dem letzten Teilstück nochmals ruhig. Die hohen Ufermauern geben nur kurz einen Blick auf die elegante asymmetrische Stahl-Glas-Konstruktion des Internationalen Congress Center (ICC) frei.

Unter der Marienbrücke hindurch empfängt uns zum Abschluss das wohl ausgefallenste Dresdner Baudenkmal: Yenidze. Dass sich hinter dem riesigen Prachtbau, der mit seiner spitzen Glaskuppel und den vielen Türmchen Sheherazades 1001 Nacht-Geschichten entsprungen zu sein scheint, ganz profan eine einstige Zigarettenfabrik verbirgt, ist eine Ironie der Geschichte: Denn mit diesem architektonischen Winkelzug wollte Fabrikant Hugo Zietz vor gut 100 Jahren lediglich das Verbot von Industriebauten mit hohen Schornsteinen in der Nähe der Kunst- und Kulturstätten Dresdens umgehen. Die Fabrikation hat die Zeiten nicht überlebt - die Fabrik schon.

 

Zieleinlauf ins Stadion

 

Zu Füßen von Yenidze liegt fast schon unauffällig unser Ziel: Das Heinz-Steyer-Stadion. Die aus dem Jahre 1919 datierende, aber äußerlich sanierte Mehrzwecksportanlage hat ihre großen Zeiten zwar schon  lange hinter sich. Doch als Marathonziel ist sie großartig. Auf den letzten 200 m umrunden wir auf der Tartanbahn die zentrale Rasenfläche, die bevölkert ist von Hunderten erschöpft im Gras liegenden Läufern. Noch während dieser Runde freue ich mich schon darauf, mich dazu zu gesellen. Und keine zwei Minuten später ist es soweit.

 
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Ausgerüstet mit frischem, kühlem Weißbier sinke ich zu Boden und genieße die einkehrende tiefe innerliche Ruhe. Für einen längeren Zielaufenthalt ist auch sonst Einiges geboten: Neben der After-Marathon-Pasta-Party gibt es Essen und Trinken in reicher Auswahl, fast wie im Biergarten fühlt man sich an den langen Tischen und Bänken und unter großen Marktschirmen. Dazu Verkaufsstände, Unterhaltungsprogramm und mehr auch für die Angehörigen der Läufer, die mit auf den Platz dürfen.

Ich ziehe weiter die herrlichen Wiese vor und beobachte den Trubel aus der Bodenperspektive. So unter freiem Himmel liegend und ohne den am Fluss wehenden Wind zu spüren wird mir einmal mehr bewusst, wie intensiv die Sonne heute herunter brennt. 31 Grad im Schatten, Rekordtemperatur für April, wird mir später die Anzeige meines Autos verkünden. Da ist es auch kein Wunder, dass es von etwa 1.250 gemeldeten Marathon-Teilnehmern in diesem Jahr nur 990 in die Finisherliste schaffen, nachdem es in den Vorjahren stets knapp über 1.000 waren. Und auch den Siegerzeiten merkt man an, dass die Hitze ihren Tribut forderte. Bei den Männern kommt der Erstplatzierte, wie schon in den letzten 12 Jahren und damit quasi traditionell, aus Polen: Bartosz Mazerski siegt in 2:31:08 Std.. Die Gewinnerin der Damenkonkurrenz, Patricia Kusatz, ist gar 3:20:19 Std. unterwegs.

Nichtsdestotrotz: Wenn sich der Oberelbe-Marathon gemäß Eigenwerbung zu den schönsten Landschaftsläufen in Deutschland zählt, kann ich nur sagen: So ist es.

Marathonsieger

Männer

1. Bartosz Mazerski  Zantyr Sztum 2:31:38
2. Marco Diehl  DVAG-Marathon-Team 2:39:48
3. Zawierucha Damian KB MOSIR Jastnbie Zdr 2:44:04

Frauen

1. Patricia Kusatz Berlin 3:20:19
2. Heike Hänsel  VfL Dresden-Bühlau 3:22:39
3. Katrin Wewetzer TSV Flöha 1848 3:25:01

 

Informationen: Oberelbe-Marathon
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