Ich hätte nie gedacht, dass ein Berglauf im Regen so viel Spaß machen kann. Jetzt weiß ich es. Aber der Reihe nach.
Wenn ich schon hier Urlaub mache, dann will ich auch um die Ecke den Osterfelder Berglauf mitmachen. 2005 war ich schon einmal beim Osterfelder und der Lauf hat mir gut gefallen. Also, auf ein Neues.
Samstag ist Ankunft auf den Buckelwiesen bei Mittenwald. Sonntag ist der Start um 10 Uhr. Zeit für gemütliches Ausschlafen und Frühstück und folgend entspannte kurze Fahrt nach Garmisch. Parkplätze an der Osterfelderbahn gibt es reichlich. In der Talstation der Bergbahn gibt es die Startunterlagen.
Ich laufe rasch vom Auto in die Talstation. Nicht weil ich spät dran bin. Nein, Zeit hab ich noch ohne Ende. Es regnet. Und zwar richtig. Und das ist für den ganzen Tag so vorausgesagt. Die Livekamera vom Osterfelderkopf zeigt auch nur Regen und Wolken. Schöne Aussichten.
Mit den Startunterlagen erhält jeder Läufer ein Rückfahrticket für die Talfahrt vom Ziel auf dem Osterfelderkopf zurück nach Garmisch. Und es gibt ein schönes Shirt.
Da kommt ein Mann mit einem Megafon daher. Er sieht nass aus. Klar, Wolfgang Plümpe kommt von draussen. Ich spreche den Chef des Orgateams an. Gebürtiger Hamburger, der seit Jahren in Garmisch lebt. Ein Original. Er sagt mir, dass es um die 160 Starter sind. So viel wie die letzten Jahre. Ich gebe meine Wechselkleidung in eine Kiste. Sie wird mit der Bahn nach oben zum Ziel gebracht.
1297 Hm auf 11,9 Km warten auf uns. Ein Läufer fällt mir besonders auf. Er hat einen völlig entspannten Hund bei sich, der ihn beim Rennen begleiten wird.
Erst kurz vor 10 Uhr machen sich die Läufer auf zum Start. Wer will schon zu früh in den Regen? Wolfgang macht es kurz, keine Ansprache, kurzes Runterzählen und jetzt sollte die Startpistole knallen. Tut sie aber nicht. Egal, alle rennen los und Wolfgang schickt den Startschuß hinterher.
Die ersten Meter auf dem Parkplatz der Osterfelderbahn und der benachbarten Kreuzeckbahn gehen abwärts. Aber nach 200m ist Schluß mit lustig und die Strecke wendet sich dem Berg zu und führt uns rasch hinauf.
Wir laufen auf olympischem Boden. Gottlob ist ja die Bewerbung Münchens um die Olympischen Winterspiele 2018 / 2022 zuerst am IOC und dann an den Bürgerbefragungen gescheitert. Auch in Garmisch, das im Konzept für die Alpinwettbewerbe vorgesehen war. Der Olympische Boden bezieht sich auf die Vergangenheit. 1936 war Garmisch Austragungsort der Olympischen Winterspiele.
Und wir laufen an der Olympiabobbahn vorbei. Der alte Bobschuppen steht noch. Aus einiger Entfernung grüßt der Rießersee herüber. Im Wald weist ein Schild auf den Startplatz der historischen Bobbahn hin.
Der Untergrund ist wechselhaft und trotz des vielen Regens erstaunlich gut zu laufen. Schöne Singletrails im Wald wechseln mit breiten Forstwegen ab. Die meiste Zeit sind wir im Wald. Gäbe bei Sonne schönen Schatten, bei Regen ist hier selbiger weniger stark.
Auf unserem Weg laufen wir an einigen Hütten vorbei. Den Anfang macht die Aulehütte. Weitere folgen. eiter gehts im Regen. Macht richtig Spaß, so im Regen zu laufen, denn Wind haben wir zum Glück keinen. Zudem ist es nicht kalt. Und die Strecke ist schön. Besonders die schmalen Waldwege haben es mir angetan. Mehrfach queren wir die breite Forstautobahn.
Sehr motivierend sind die Km-Schilder mit Höhenangaben. Da sieht man direkt den Höhengewinn, kann aber auch hochrechnen, wieviel Höhenmeter man noch vor sich hat.
Nach Km 4 wird die Toni- und Rießerkopfhütte erreicht. Auf breitem Forstweg geht es weiter aufwärts. Die erste von zwei Verpflegungsstellen liegt vor uns. Ein schmaler Trail nimmt uns auf. Alles neu hergerichtet. Balken sind quer angebracht, frischer Kies liegt zwischen den Querbalken.
Aus dem Wald heraus wird schon Km 6 mit 1319 m Höhe und ein Viehgatter passiert. Die Hälfte ist km-mäßig geschafft. Hm-mäßig ist noch was mehr zu tun. Eine Skipiste nimmt uns auf und führt uns zur Trögelhütte. Sie ist nicht bewirtschaftet. Also nichts ist es mit einem leckeren Weizen unterwegs.
Kurz nach der Trögelhütte ist Km 7 erreicht. Es folgt wieder ein schöner Trail im Wald. Nur noch wenige Läufer sind um mich herum. Klar, wenn ich auch so trödel wie heute. Die Kreuzalm kommt als nächste Hütte. Schon über 1500m Höhe denke ich, als ich die Hütte im Wolkennebel sehe.
Jetzt ist es nicht mehr weit bis zur Bergstation der Kreuzeckbahn. Da könnte man in die Bahn steigen und sich das Weiterlaufen im Regen sparen, höre ich meinen inneren Schweinehund sagen. Blödsinn, antworte ich. Oben ist meine trockene Wechselkleidung und ich möchte den Regenlauf doch bis zum Ende geniessen.
Und ich weiß doch noch von 2005, dass nun ein längeres Flachstück kommt, das gut zu laufen ist. Also weiter, vorbei an der Kreuzeckbahn und der zweiten Verpflegung.
Auf breitem Fahrweg geht es aufwärts. Die Hochalmbahnstation und die Hochalm liegen verlassen im Regen. Nix ist los auf den vielen Liegestühlen. Zwei einsame Wanderinnen klatschen Beifall. Die Bahn läuft nicht, also müssen wir hinauf zum Osterfelderkopf die letzten 350 Höhenmeter in Angriff nehmen.
Ein satter Aufschwung bringt uns einhundert Höhenmeter weiter an der Bergwachthütte vorbei. Wir sind nun schon über 1800 m hoch. Ich versuche fortwährend das Objektiv der Kamera trocken zu wischen. Fotografieren im Regen hat halt seine eigenen Regeln.
Es geht mächtig bergauf. Aber mit jedem Schritt kommt das Ziel einige Höhenzentimeter näher. Das freut meinen Rücken. Der zwackt schon seit geraumer Zeit. Egal, da muß er durch.
Am Wege verlocken mehrere Ruhesessel, aber durch den Wind hier oben spürt man zu sehr die Kälte. Die Finger sind kalt und ich hab Mühe, die Kamera zu bedienen. Ich freue mich zunehmend auf das nahe Ziel mit trockener Wechselkleidung.
Unmittelbar hinter dem beeindruckenden Durchbruch ist Km 11 erreicht. Endlich taucht die Bergstation der Osterfelderbahn aus den Wolken auf. Zunächst noch sehr verschwommen, dann aber immer näher kommend. Und wie schon 2005 steht Wolfgang Plümpe höchst persönlich wenige Meter vor dem Ziel und muntert jeden einzelnen Läufer auf. "Du schaffst das, nur noch wenige Meter."
Ich bin froh, im Ziel zu sein. Sofort greife ich einen warmen Tee und schnappe mir ein Brötchen mit Salzkrümeln obendrauf.
Aussicht geniessen ist heute nicht und so gehe ich rasch die Treppen hoch und hinein in die Bergstation. Vor den Preisen für die Megatombola liegt mein Kleiderbeutel. Oh, wie ist das schön, wieder trockene Kleidung anzuziehen. Gut, dass ich meine dicke Jacke dabei habe. Ich ziehe alles an, was im Kleiderbeutel ist. Mit jeder Schicht geht es mir besser und ich bedaure diejenigen, die keine Wechselkleidung nach oben geschickt haben. Unvernünftig, bei einem Berglauf mit Ziel auf 2050m Höhe.
Rasch einen warmen Capucchino und schon sieht die Welt wieder anders aus. In Ruhe kann ich nun der Tombola folgen. Alle Läufer sitzen in einem großen Raum im 1. Stock der Bergstation und Wolfgang Plümpe macht auf seine ureigene Art die Tombola zu einer Gaudi.
Allein wegen der Tombola lohnt sich eine Teilnahme am Osterfelder und wegen Wolfgangs Kommentare ebenfalls. Ich gewinne einen Fanschal eines berühmten Münchner Fußballklubs, den ich freudig anziehe. Wegen der Kälte, wohlgemerkt.
Die Bergbahn bringt uns rasch hinunter ins Tal. Dort ist es um einige Grade wärmer und ich kann den Schal wieder ausziehen.
Schöner Berglauf. Gut mit Urlaub kombinierbar. Gute Organisation, traumhafte Landschaft. Empfehlenswert. Technisch nicht anspruchsvolle, aber abwechlungsreiche Strecke, jedoch fordernd wegen der 1297 Hm.